Fryderyk Chopin zu Besuch in Böhmen
Am 12. August beginnt in Mariánské Lázně / Marienbad das traditionelle Chopin-Festival - zum 51. Mal. In Marienbad hat auch die tschechische Chopin-Gesellschaf ihren Sitz, die seit 1960 das Festival veranstaltet. Dass es gerade hier stattfindet, ist kein Zufall. Der polnische Komponist, Pianist und Pädagoge kam hier zum letzten Mal mit seiner Verlobten Maria Wodzińska zusammen. Mit dem bevorstehenden zehntägigen Festival in Marienbad werden die Veranstaltungen im Jubiläumsjahr von Chopins 200. Geburtstag hierzulande ihren Höhepunkt erreichen. Für unseren Kultursalon ein Anlass, über Chopin und seine Beziehung zu Böhmen zu sprechen.
Vojtěch Jírovec, im Ausland bekannt als Adalbert Gyrowetz, kam 1763 als Sohn des Chorleiters im südböhmischen Budweis zur Welt. Sein Philosophie- und Jurastudium in Prag musste er wegen Geldmangels abbrechen und arbeitete in seiner Heimatstadt als Sekretär für Graf Franz von Fünfkirchen. Dort spielte er auch in der Schlosskapelle. Dank finanzieller Unterstützung ging Jírovec nach Wien, wo er zum Bekanntenkreis der besten Komponisten Wiens wie Mozart, Dittersdorf oder Haydn gehörte. Erfolge feierte der mittlerweile vergessene Komponist, der 26 Opern, aber auch viel symphonische sowie Kirchen- und Kammermusik komponierte, auch in Venedig, Bologna, Rom oder Paris. Am Ende seines Lebens hatte sich allerdings in der Musikwelt immer mehr das Genie namens Beethoven durchgesetzt. Jírovec selbst schätzte sein Komponistendasein realistisch und trefflich ein (Zitat): „Ich war nur ein Talent, das vom Glück sprechen kann, wenn es die Gegenwart zu erobern vermochte. Nur ein Genie lebt über den Tod hinaus…“ In Warschau kam der junge Chopin auch mit anderen Böhmen und Schlesiern in Kontakt. Die gaben ihm Unterricht in Musiktheorie oder Klavierspiel. Zum Beispiel Józef Elsner, Direktor des Warschauer Konservatoriums. Ivan Ruml von der Musikredaktion des Tschechischen Rundfunks weiß mehr:
„Die Familie Chopin war mit dem gebürtigen Prager Václav Würfel befreundet, der sich als Organist in Warschau betätigte. 1829, als Chopin nach Prag reiste, schrieb er Empfehlungsbriefe für ihn. Ein weiterer Tscheche namens Josef Javůrek unterrichtete den jungen Chopin in Komposition, Instrumentation und Formen. Als Chopin zwei Jahre in Wien lebte, stieß er auch dort auf weitere tschechische Musiker. Zum Beispiel auf den nur vier Jahre älteren Violinevirtuosen Josef Slavík, den man gerne als ´böhmischen Paganini´ bezeichnete.“
Chopin besuchte auch Böhmen immer wieder. Ivan Ruml über die Umstände, die ihn in das Land führten:
„Chopin weilte insgesamt fünfmal in Böhmen. Zum Teil war er nur auf der Durchfahrt zum Beispiel zu einem Konzert nach Wien. Drei von den fünf Aufenthalten waren aber von Bedeutung. Der erste ereignete sich im Jahr 1829. Damals besuchte der 19-jährige Chopin gemeinsam mit seinen polnischen Freunden den tschechischen Philologen Václav Hanka in Prag. Hier komponierte er auch sein Rondo Masur G-dur. Ein Teil davon ist später zur Kennmelodie des Marienbader Chopin-Festivals geworden. Im Text des Masurs ist unter anderem davon die Rede, dass „Čech“ und „Lech“, also der Tscheche und der Pole, Brüder sind. Damit wurde die polnisch-tschechische Freundschaft betont. In jener Zeit haben sich aber viele tschechisch orientierte Intellektuelle und Künstler als Russofile empfunden. Zu diesen gehörte auch Václav Hanka. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes 1830 wandte sich die tschechische Öffentlichkeit verstärkt der polnischen Kultur zu.“
Fryderyk Chopin musste als Gegner der russischen Oberherrschaft Polen verlassen, um dem Gefängnis zu entkommen. Bis zu seinem Tod lebte er im Exil. Mitte August 1835 besuchte er Karlsbad. Ivan Ruml:„Beim nächsten Besuch war Chopin schon ein in Paris lebender Exulant und vertrat eine äußerst feindliche Position gegenüber der russischen Machtverwaltung im besetzten Teil Polens. In seinem Heimatland galt er als ´persona non grata´, als unerwünschte Person also. Chopin besuchte Karlsbad, wo er seine Eltern treffen konnte. Sie waren zur Kur gekommen. In Karlsbad lernte er Graf Franz Thun-Hohestein kennen, der ihn im September 1835 zu sich aufs Schloss im nordböhmischen Děčín / Tetschen einlud. Dort entstand sein bekannter Walzer As Dur Opus 34, genannt „Tetschener“, den Chopin in das Poesiebuch der Comtesse Josefina Thun, Tochter des Grafen, mit einer Widmung eingetragen hat.“
Schon ein Jahr später kam Chopin wieder, diesmal nach Marienbad. Dieser Besuch war für ihn aber keinesfalls glücklich.„Im Sommer 1836 kam Fryderyk Chopin nach Marienbad. Dort sollte der Termin seiner Hochzeit mit der jungen Polin Maria Wodzińska festgelegt werden. Ihre Eltern waren aber dagegen und wollten ihre Tochter nicht einem unter Tuberkulose leidenden Mann mit unsicherer Existenzgrundlage anvertrauen. Damit konnte sich Chopin sehr lange nicht abfinden. Die Briefe, die ihm Maria Wodzińska schrieb, hat er mit einem blauen Band umbunden und mit der polnischen Überschrift ´Moja bieda´, auf Deutsch ´Mein Schmerz´, versehen. Diese Briefe wurden im Jahr 1849 an seinem Sterbebett in seiner Wohnung am Place Vendôme in Paris gefunden.“
Chopins kurzes Leben war überschattet von Krankheit, Enttäuschung über die Situation Polens und nicht zuletzt auch von gescheiterten Liebebeziehungen. Das alles kann man in seinen Klavierkonzerten, Balladen, Preludes, Nocturnes, Impromptus und Walzern hören. Er bleibt ein Genie, das über den Tod hinaus lebt.