Fußballakademie in Most: Multikulturelle Zusammensetzung soll Lerneffekt optimieren

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Im tschechischen Fußball zeigt die Tendenz nach unten, zumal tschechische Topspieler wie Pavel Nedvěd oder Karel Poborský das Ende ihrer Karriere angekündigt bzw. schon vollzogen haben. Geht der Fußball in Tschechien also jetzt mageren, erfolgslosen Jahren entgegen? Die Frage ist schwer zu beantworten, sicher aber ist: In einigen Regionen ist man eifrig bemüht, dem tschechischen Spitzenfußball auch in Zukunft einen sehr gut ausgebildeten Nachwuchs zuzuführen. Und ein in der Sache einmaliges Projekt gibt es in Most.

Jetzt, wo es draußen wieder wärmer wird, rollt auch der Ball wieder häufiger auf den Fußballfeldern in Tschechien. In besonders hoher Frequenz ist das im nordböhmischen Most / Brüx der Fall, denn dort hat die größte Fußball-Akademie des Landes ihr Domizil. Was sie von anderen Akademien dieser Art unterscheidet, dazu sagte ihr Leiter, Petr Kabíčka:

„Mit ihren derzeitigen Dimensionen ist sie die größte Fußballakademie der Tschechischen Republik, sowohl was die Anzahl der Spieler, der Plätze und was die Ausstattung anbelangt. Sie unterscheidet sich von anderen tschechischen Akademien dadurch, dass zu unseren Akteuren auch ausländische Spieler gehören. Sie kommen bereits im Alter von 16 Jahren zu uns, machen hier eine Berufsausbildung mit Abitur und spielen hier Fußball.“

Kabíčka hat damit auch erklärt, weshalb sein ehrgeiziges Projekt eine Fußballakademie ist: Die Kombination von Schulausbildung und Sport erhebt sie in diesen Status. Die zirka 25 ausländischen Spieler, die in Most lernen und kicken, müssen dabei nicht unbedingt Tschechisch können. Sie erhalten ihre Ausbildung in englischer Sprache, versicherte mir Kabíčka. Doch wie viele junge Talente vereint die Akademie eigentlich insgesamt?

„Wir haben 600 Kinder und Jugendliche im Alter von vier bis 19 Jahre. Sie spielen in 25 Teams.“

Diese Teams nehmen unter der Klubbezeichnung FK Baník Most in der Mehrzahl am Spielbetrieb der höchsten tschechischen Spielklasse in der jeweiligen Nachwuchskategorie teil. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, betont Kabíčka:

„Die Akademie hat bereits das Ziel erreicht, dass wir in fast allen Altersklassen im jeweils höchsten Wettbewerb des Landes spielen. Das ist ganz wichtig, denn dadurch locken wir auch weitere Talente an – weil sie wissen, sie können sich bei uns in der höchsten Spielklasse beweisen.“

600 Nachwuchsspieler in einer relativ kleinen Stadt wie Most zu trainieren, auszubilden und zum Teil auch zu beherbergen, das ist in der Tat eine echte organisatorische Herausforderung. Und es ist ein Projekt, das natürlich auch finanziert werden muss. Auf meine entsprechende Nachfrage reagierte Kabíčka allerdings ein wenig bedeckt:

„Das ist ein großes Projekt. Ich glaube daran, dass es einen guten Weg nimmt. Selbstverständlich muss es auch finanziert werden und dafür tun wir auch unser Maximum. Ich glaube aber, dass wir das meistern werden.“

Ein wirklich ambitioniertes Ziel, wenn man erfährt, dass die Auszubildenden an der Fußballakademie im Jahr nur eine Gebühr von durchschnittlich 2500 Kronen entrichten müssen. Das sind nicht einmal 100 Euro für eine ausgiebige Schulung in Sachen Fußball und Allgemeinbildung. Was aber hat Petr Kabíčka eigentlich dazu bewogen, der Fußballakademie in Most ihre ganz spezielle internationale Note zu verpassen?

„Ich verfolge das Ziel, dass unsere Fußballakademie eine multinationale Einrichtung wird. Warum? Der tschechische Spieler erlernt die Fußballtechnik von einem Brasilianer. Der Brasilianer verbessert sich in Bereichen wie Spielorganisation und Taktik mit Hilfe seiner tschechischen Mitspieler. Wenn die Jungen das alles aufnehmen und gut trainieren, dann lernen sie gegenseitig voneinander und optimieren ihre Fähigkeiten. Und wir als Mannschaft sind nicht so leicht berechenbar, sondern stellen für jeden Gegner eine schwer durchschaubare Größe dar.“

Josef Masopust
Doch damit nicht genug. Damit die Fußballakademie in Most auch über die Ländergrenzen hinaus noch bekannter wird und damit ihre Anliegen ebenso bei Sponsoren oder persönlichen Gönnern auf ein offenes Ohr stoßen, hat Kabíčka im Oktober vorigen Jahres noch einen werbeträchtigen Schritt getan: Die Akademie hat den Namen des größten Fußballsohnes, den die Stadt je hatte, erhalten – den Namen Josef Masopust. Der Vizeweltmeister von 1962 und Europas Fußballes des gleichen Jahres ist kürzlich 78 Jahre alt geworden. Er war beim feierlichen Akt, bei dem die Akademie seinen Namen erhielt, natürlich vor Ort. Bei diesem Anlass hatte ich Gelegenheit, mit dem tschechischen Fußballer des 20. Jahrhunderts zu sprechen:

Herr Masopust, erfüllt es Sie mit Stolz, dass die Fußballakademie in Most jetzt ihren Namen trägt?

„Selbstverständlich freue ich mich sehr darüber, weil dieses Projekt meiner Meinung nach phantastisch ist. Ja, man kann sagen: ´Es ist für mich wie ein Traum´. Hinzu kommt, dass bisher alles so wie geplant läuft. Ich bin vor allem darüber erfreut, dass die Kinder nicht nur mit Fußball, sondern auch mit einer gesicherten Schulbildung heranwachsen sollen. Denn das bedeutet nichts anderes, als dass man nach den besten Möglichkeiten sucht, wie man den Fußball auch weiterhin für den Nachwuchs attraktiv halten kann.“

Sie sind ja hier ganz in der Nähe von Most (zu d. Brüx) geboren. Sind die Brüxer ein hartnäckiges Völkchen? Denn wie ich Herrn Kabíčka vernommen habe, dann sagt er: Es soll in dieser Region endlich weniger Arbeitslosigkeit geben und deshalb kümmern sich auch viele Leute um dieses Projekt. Erfüllt Sie auch das mit Freude, dass ausgerechnet von Most eine solch gute Idee ausgeht?

„Selbstverständlich! Ich habe noch Geschwister in Most, die hier fehlenden Arbeitsplätze aber sind wirklich ein Problem. Viele Leute sind ohne Arbeit. Wenn man aber eine Ausbildung für junge Leute so gut realisieren kann, dass sie die Chance haben, sich in ihren beruflichen und sportlichen Fähigkeiten zu verbessern, dann finde ich das sehr gut.“

Die Akademie trägt jetzt Ihren Namen. Werden Sie dieser Akademie noch in irgendeiner Weise behilflich sein?

„In meiner Arbeit, die ich für die Akademie noch leisten kann, will ich mein Bestes geben. Ich möchte allein schon dadurch helfen, dass ich so viel wie mögliche Aktionen der Akademie besuchen werde.“

Autor: Lothar Martin
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