Gemeinsame Straße für Zittau, Bogatynia und Hradek nad Nisou beschlossen

Die letzte Ausgabe des Regionaljournals vor dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union wollen wir, wie schon vor zwei Wochen angekündigt, auch einem europäischen Thema widmen. In den folgenden Minuten werden Sie von einem Erfolg im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien erfahren. Durch die Sendung führen Sie Melanie Agne und Dagmar Keberlova.

Nach 13 Jahren komplizierten Verhandlungen und Vorbereitungen ist es so weit: die Euregio Nisa/Neiße soll eine neue Verkehrsverbindung bekommen. Pünktlich zur EU-Erweiterung am 1. Mai soll im Dreiländer-Eck Deutschland-Polen-Tschechien der Bau einer lang ersehnten Straße beginnen. Am Montag vor zwei Wochen wurde der betreffende Staatsvertrag unterzeichnet. Der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe, sein tschechischer Kollege Milan Simonovsky sowie der polnische Infrastrukturminister Marek Pol waren zur Unterzeichnung in die sächsische Stadt Zittau gekommen. Die 4,5 Kilometer lange Straße soll einmal die Städte Zittau, Bogatynia (Reichenau) und Hradek nad Nisou (Grottau) verbinden. Was der Beschluss zu diesem Straßenbau für das tschechische Hradek bedeutet, das fragte ich die Vize-Bürgermeisterin der Stadt, Hedvika Zimmermanova:

"Die Unterschrift dieses Abkommens bedeutet für unsere Stadt eine große Chance für die Zukunft. Unsere Stadt liegt nämlich direkt an der Grenze des Dreiländerecks. Bisher war es so, dass wenn Investoren in unsere Stadt gekommen sind und festgestellt haben, dass sie ihre Ware über Rumburk in die Stadt bringen müssten, sie wieder gegangen sind. Drei Städte des Dreiländerecks - Zittau, Bogatynia und Hradek - haben ein gemeinsames Industriegebiet geplant, das schon zum Teil besteht. Und daher ist für uns die Verbindung sehr gut, denn bisher mussten andere Wege für den Transport genutzt werden. Für die Investoren und auch die hiesigen Firmen war dies wirklich sehr schwierig. Die Situation wird sich jetzt bedeutend verbessern. Nicht zuletzt sehen wir darin eine Chance auf Beschäftigung für unsere Bürger. Es besteht die Möglichkeit, dass diese Straße bis nach Liberec/Reichenberg verlängert werden könnte. Das würde für unsere Bürger eine zusätzliche Erweiterung der Arbeitsmöglichkeiten dort bedeuten, wobei sie weiterhin bei uns wohnen könnten."

Von der Verlängerung bis nach Liberec verspricht sich auch der Landkreis Liberec viel. Einen besseren Anschluss an das europäische Verkehrsnetz, bessere Verkehrsverbindung für alle Bürger und Unternehmer sowie die Ankurbelung des Fremdenverkehrs, so der stellvertretende Landkreisvorsitzende Reichensbergs Miroslav Mach. Inwieweit die Region bisher vernachlässigt wurde, führt Frau Zimmermannova weiter aus:

"Die in Hradek niedergelassenen Firmen mussten, wenn sie deutsche Beteiligung hatten, die Ware auf dem Umweg über Jirikov und Rumburk einführen. Das war ein ziemlicher Umweg für sie. Unser internationales Industriegebiet wird auf vielen internationalen Messen, vor allem in Deutschland präsentiert. Das weckte Interesse bei vielen deutschen aber auch britischen Firmen. Die fehlende Straße über die Grenze hat sie meistens von einer Investition abgehalten. Eine weitere positive Reaktion ist, dass die Firmen, die hier bereits angesiedelt sind, einen Ausbau der Produktion planen, weil es diese Straße endlich geben und die Verkehrssituation dadurch eindeutig verbessert wird."

Für den ehemaligen Bürgermeister von Hradek, Milan Faltus, ist die Idee, die Regionen zu verbinden, nichts Neues. Zum ersten Mal wurde mit diesem Gedanken schon im Jahre 1936 gespielt. Damals hat dem Projekt der Krieg einen Strich durch die Rechnung gemacht. Erneut sprach man von der Straßenverbindung in den 60er Jahren, und diesmal war es der Kommunismus, der das Projekt scheitern ließ. Über die langwierigen Verhandlungen berichtet Vizebürgermeisterin Zimmermannova:

"Die Verhandlungen sind fast über neun Jahre lang gelaufen. Vor allem für das deutsche Zittau ist diese Verbindung sehr bedeutend, denn sonst ist die Stadt von dem Rest Deutschlands abgeschnitten und daher besteht kein Grund, in diese Region zu investieren. Und für die tschechische Stadt Liberec ist diese Verkehrsverbindung auch wichtig, denn sonst hätte die Stadt keine Verbindung für Lastwagen mit Deutschland. Die Verhandlungen waren auch daher sehr langwierig, weil drei Seiten versuchten sich zu einigen und Bedingungen von drei Beteiligten angenommen werden mussten. Uns wurde in letzter Zeit klar - auch weil wir das Interesse der Investoren gesehen haben - wie wichtig es ist, diesen Vertrag abzuschließen. Bürgermeister der drei beteiligten Städte bemühten sich, den Regierungen klar zu machen, warum es so wichtig ist, dass es zu Beginn des Straßenbaus gerade am 1. Mai kommt. Als wir die Feiern zum EU-Beitritt planten, setzten wir als einen Punkt der Feiern den feierlichen Beginn des Baus der Straße. Im vergangenen Jahr haben wir die betreffenden Regierungen unermüdlich mit Briefen und Erklärungen bombardiert, und der Druck war wirklich groß. Die Unterschrift ist eine Genugtuung für alle, die sich dafür jahrelang eingesetzt haben."

Und um den Bau der Straße wird sich im Dreiländereck am 1. Mai alles drehen:

"Am 1. Mai wird - im Rahmen der Feiern des Dreiländerecks - bei uns der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der polnische Premier Miller und sein tschechischer Amtskollege Spidla anwesend sein. Sie werden gemeinsam den Bau der Straße eröffnen. Auf der deutschen Seite wird feierlich das erste Bohrloch gemacht. Dann wird man den Bau symbolisch an die polnische Seite übergeben, an diejenige Firma, die die Planung der Brücke über den Fluss Neiße durchführt. Dies geschieht darum, weil Bundeskanzler Schröder wollte, dass das erste Bohrloch dort gemacht wird, wo man dann unmittelbar zu bauen beginnen wird."

Spätestens im Jahr 2007 soll der Verkehr rollen. Die Straße führt größtenteils über polnisches Territorium. Berlin und Prag finanzieren das Projekt mit 13 sowie 2,5 Millionen Euro. Es entsteht ein zugleich ein weiterer Grenzübergang zwischen Polen und Deutschland, für den eine Brücke über die Neiße gebaut wird.


Plzen  (Pilsen)
Und kurz noch zu einem anderen Thema. Mit Blick auf die EU-Erweiterung haben am Montag in der tschechischen Stadt Plzen (Pilsen) Wirtschaftskammern aus neun Staaten eine umfassende Kooperation beschlossen. Zu dem Netzwerk gehören 48 künftig regionale Kammern aus EU-Ländern und -Kandidaten. 28 Handels- und Handwerkskammern aus dem Gebiet an der bisherigen EU-Ostgrenze hatten sich 1998 zur "ARGE28" zusammengeschlossen. Diese Kammern aus Deutschland, Österreich, Italien und Griechenland wollen künftig eng zusammenarbeiten mit 20 angrenzenden Kammern aus Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien sowie auch bereits aus Bulgarien. "Die Integration der bisherigen und der neuen EU-Mitglieder im gemeinsamen Binnenmarkt wird in erster Linie über wirtschaftliche Verflechtung erfolgen", sagte ARGE28-Sprecher Hans Trunzer von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bayreuth. Die Entwicklung in den Grenzregionen sei dabei Modell und Prüfstein für das Gelingen der Integration. Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien treten am 1. Mai der UE bei, Bulgarien rechnet mit einem Beitritt im Jahr 2007. Der Plan der Wirtschaftskammern sieht vor, in Zukunft verstärkt zwischen den Unternehmen aus bisherigen und künftigen EU-Staaten zu vermitteln. So sollen Firmenpartnerschaften geschmiedet und internationale Kontakte erleichtert werden.