Geschichte - bedrohtes Unterrichtsfach
Bei dem kontroversen Thema Geschichte als Unterrichtsfach bleiben wir auch im folgenden Beitrag. Am Mikrophon ist Jitka Mladkova:
Ende vergangener Woche hat im Sitz des tschechischen Außenministeriums, dem Czernin-Palais, eine internationale Konferenz zu den Ereignissen um das Münchner Abkommen von 1938 stattgefunden, an der neben vielen tschechischen Historikern auch Experten aus mehreren europäischen Ländern teilnahmen. Radio Prag nutzte diese Gelegenheit und fragte zwei von ihnen nach ihrer Meinung zu der aktuellen Debatte über Geschichte als Unterrichtsfach.
Prof. Zdenek Benes von der Philosophischen Fakultät, langjähriges Mitglied der tschechisch-deutschen Schulbuchkommission, sagte uns zu dieser Problematik folgendes:
"Es geht darum, ob wir uns die Integration von Erkenntnissen als Ziel gesetzt haben, das heißt, mit den in verschiedenen Fächern erworbenen Erkenntnissen schöpferisch zu arbeiten und sie sozusagen zu vernetzen. Eine andere Sache ist, ob wir über die Integration von Fächern im Rahmen eines Bildungsgebietes sprechen, das ein methodologisches Instrument darstellen sollte. Das Experiment, einzelne Fächer zu integrieren ist ein Unsinn, der bisher überall gescheitert ist."
Prof. Benes besteht gleichzeitig darauf, dass man in Tschechien schon längst beginnen sollte, an einer längerfristigen Konzeption der Lehrpläne für die Gesellschaftswissenschaften zu arbeiten. Es sei schon fünf Minuten nach zwölf, sagt er. Ihm zufolge sei hierzulande erst vor etwa vier Jahren ein entsprechender Spielraum dafür geschaffen worden. Nach Meinung von Benes befindet sich die geisteswissenschaftliche Bildung, in der das Fach Geschichte eine bedeutende Rolle haben soll, seit 1990 - wie er wörtlich sagt - in der Defensive. Dieser Trend müsse gestoppt werden, betont Benes und fügt hinzu:
"Es ist notwendig, um jeden Preis einen systematischen Charakter dieses Faches aufrechtzuerhalten, damit es nicht wieder zur Manipulierung bzw. Instrumentalisierung, bewusst oder unbewusst, kurzum für ein Spiel mit der Geschichte missbraucht wird. Das ist eine sehr ernste Gefahr."
Soweit Prof. Zdenek Benes. Seine Meinung zu der diskutierten Frage der Integration der Geschichte in ein übergreifendes Gemeinschaftsfach sagte uns auch Prof. Hans Lemberg von der Universität Marburg:
"Wir haben da unsere spezifischen Erfahrungen. Das gleiche ist bei uns ind en 70er Jahren eingeleitet worden und wir haben das längst überwunden. Es ist mittlerweile so weit: in allen Bundesländern das zusammengeworfene Gemeinschaftsfach von Erdkunde, Geschichte und politischem Unterricht ist wieder auseinander genommen worden. Es gibt überall wieder Geschichtsunterricht. Wir haben mit schierem Entsetzen gesehen, wie man unsere Fehler aus den 70er Jahren hier in der Tschechischen Republik offensichtlich jetzt versucht zu wiederholen."