Fünf, setzen? Geschichtsunterricht in Tschechien bekommt unbefriedigende Bewertung

Der Geschichtsunterricht an den mittleren Klassenstufen in Tschechien ist nicht besonders gut. Zu diesem Ergebnis kommt die tschechische Schulinspektion in einem ihrer aktuellen Berichte.

Illustratiosfoto: Eva Odstrčilová,  Tschechischer Rundfunk

Schüler, die nur mäßig über die moderne Geschichte Bescheid wissen, und Lehrer, die unmotiviert über Jahresdaten referieren. Dies bemängelt die tschechische Schulinspektion (ČŠI), nachdem sie in den vergangenen beiden Jahren in 600 Schulen des Landes den Geschichtsunterricht der 6. bis 9. Klassen unter die Lupe genommen hat. Konkret konnten nur 20 Prozent der getesteten Schüler beweisen, dass sie sich in dem Stoff gut auskennen. Mehr als die Hälfte hingegen hat nur minimale bis unzureichende Kenntnisse.

Insgesamt wurden 26.000 Schüler getestet. Am besten schnitten sie bei einer Aufgabe ab, in der es um den legendären Langstreckenläufer Emil Zátopek ging. Kaum bewandert zeigten sich die Jugendlichen hingegen beim Thema Charta 77, also der Bürgerrechtsbewegung zu kommunistischen Zeiten. Mit diesem Begriff konnten nur elf Prozent der Teilnehmenden etwas anfangen.

Tomáš Zatloukal | Foto: Kateřina Cibulka,  Tschechischer Rundfunk

Mangelndes Interesse am Fach sei aber nicht der Grund für die ernüchternden Ergebnisse, berichtet Oberinspektor Tomáš Zatloukal:

„Historische Themen halten die Schüler für wichtig. 73 Prozent gaben an, dass sie dank der Kenntnisse verstehen, was in der Welt geschieht. Gleichzeitig sagen 50 Prozent aber auch, dass ihnen der Unterricht nicht dabei hilft, sich eine Meinung zu bilden und diese zu begründen.“

Andererseits habe aber knapp die Hälfte der Lehrer geäußert, dass das größte Hindernis im Unterricht das Desinteresse der Schüler sei, so Zatloukal weiter. Die Inspektoren bemängeln in ihrem Bericht allerdings, dass der Lernstoff auf uninteressante Weise vermittelt werde. Zumeist laufen die Stunden per Frontalunterricht ab. Nur zehn Prozent der Lehrer würden eigenständige Recherchemöglichkeiten oder Forschungsprojekte anbieten, so die Analyse.

Das ist aber offenbar nichts Neues. Tomáš Feřtek, Bildungsexperte der Organisation Eduin, wies in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks darauf hin, dass diese Erkenntnis schon im vorangegangenen Bericht aus dem Jahr 2015 zu finden sei:

„Nach dem zu urteilen, was ich aus den Schulen höre oder aus den Organisationen, die sich mit dem Geschichtsunterricht hierzulande befassen, würde ich schon sagen, dass es seitdem erkennbare Verbesserungen gab – aber nur bei jenen Lehrern, die daran interessiert sind und die an den Kursen ‚Dějepis+‘ oder Ähnlichem teilgenommen haben.“

Dějepis+“ ist ein Weiterbildungsprogramm zu innovativen Lehrmethoden. Das tschechische Bildungsministerium betreibt es zusammen mit Experten vom Institut für das Studium totalitärer Regime sowie vom Nationalen Pädagogischen Institut. Ende des Jahres laufen die Kurse allerdings aus, und laut Feřtek gibt es noch kein Konzept, wie die Arbeit weitergeführt werden könnte.

Tomáš Feřtek | Foto: Eduin

Dabei sind solche Angebote offenbar von großer Bedeutung. Im Bericht der Schulinspektion steht nämlich auch, dass fast 75 Prozent der Geschichtslehrer an keinerlei Weiterbildungsmaßnahmen zu modernen Unterrichtsformen teilnehmen würden. Bestätigt fanden die Inspekteure außerdem den Vorwurf, dass die Schüler in Tschechien mehr über Mammuts als über die Samtene Revolution erfahren. Tomáš Zatloukal:

„20 Prozent der Lehrer kommen im Unterricht bis zu den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, und nur 14 Prozent gelangen bis ins Heute. Der Lehrplan gibt aber vor, dass die Schüler mit der Neuesten Geschichte bis in die Gegenwart bekanntgemacht werden sollen. Das passiert nicht.“

Auch dies sei schon 2015 bekannt gewesen, kritisiert Tomáš Feřtek:

„Die Geschichtsepochen sind im Unterricht nicht vernünftig aufgeteilt. Meistens führt das dazu, dass der Lehrer nur über die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg informiert. Das wurde von der Wissenschaft seitdem leider nicht geändert. Also sind die Lehrenden aufgefordert, ihren Stoff gut durchzuplanen. Offenbar hat die Zeitgeschichte dabei für die Mehrheit aber keine Priorität.“

Etwa die Hälfte der befragten Lehrer hätte allerdings auch den Wunsch nach mehr Zeit für den Lehrstoff geäußert, heißt es in dem ČŠI-Bericht weiter. So empfänden es aber die meisten Pädagogen aller Fachrichtungen, räumt Feřtek ein. Darum sei eine zeitliche Ausweitung des Geschichtsunterrichtes in Tschechien sehr unwahrscheinlich, so der Experte.

Autoren: Daniela Honigmann , Eva Mikulka Šelepová | Quelle: Český rozhlas Plus
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