Glücksspielverbot und Korruptionsbekämpfung vs. Radeln um die Wählergunst

Die Parteien veröffentlichen nach und nach einzelne Punkte ihrer Wahlprogramme. Nicht so die Bürgerdemokraten. Deren Spitzenkandidat Mirek Topolánek versucht gerade, sich die Gunst der Wähler in Südböhmen zu „erradeln“. Die sogenannte Toskana-Affäre, der neuerliche Urlaubsskandal, steckt ihm aber noch in den Knochen. Außerdem: Der Leitzins der tschechischen Nationalbank auf historischem Minimum. Heiß diskutiert wurde ferner die Rolle Bill Clintons bei der Befreiung zweier US-amerikanischer Geiseln aus Nordkorea.

Moderator: Du hast es schon angekündigt, Katrin, trotz des Sommerlochs gibt es etwas aus der Politik zu berichten. Die Parteien rüsten sich offenbar ganz allmählich für den bevorstehenden Wahlkampf. Welche Inhalte zeichnen sich da ab?

Katrin: Die Christdemokraten von der KDU-ČSL wollen dem Glücksspiel den Garaus machen und Entlastungen für Familien mit Kindern einführen. Die Sozialdemokraten wiederum haben einen Plan zur Bekämpfung der Korruption im Lande vorgelegt. Dieser sieht unter anderem vor, Auslandskonten in Liechtenstein und der Schweiz zu überprüfen, eine schwarze Liste von Unternehmen einzuführen, die gegen Gesetze verstoßen, damit sie bei öffentlichen Ausschreibungen automatisch aussortiert werden können. Außerdem schlagen die Sozialdemokraten vor, ein Gesetz zu verabschieden, das den Lobbyismus hierzulande regelt. Zbyněk Klíč bewertet die Vorschläge in der Tageszeitung Hospodářské Noviny und kommt dabei zu folgendem Schluss: „Bis auf die schwarze Liste unsolider Firmen handelt es sich leider um eine Mischung aus Argwohn, Populismus und Scheinheiligkeit, die nicht zum Kern des jeweiligen Problems vordringt, sondern Pauschallösungen bietet.“ Besonders kritisch geht der Autor mit dem Gesetz zum Lobbyismus zu Gericht. „Hätte sich der Vorsitzende der Sozialdemokraten keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um dieses Gesetz vorzustellen? Schließlich ist es erst wenige Tage her, seit bekannt wurde, dass sein Vize Milan Urban und eine Reihe anderer Spitzenpolitiker einen Luxusurlaub mit tschechischen Lobbyisten und Vertretern des Energiekonzerns ČEZ verbracht hat. Urban ist der einzige dieser Politiker, bei dem eine Verbindung zwischen seinen privaten Aktivitäten und seinem Abstimmungsverhalten erwiesen ist. Er war es, der sich aktiv für die Annahme des Verbrauchssteuergesetzes eingesetzt hatte, das dem Energiegiganten ČEZ Emissionsrechte in Höhe von 60 Milliarden Kronen bescherte. Dieses Geschenk hat er vorgeschlagen.“

Chef der Bürgerdemokraten Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
M: Die sogenannte Toskana-Affäre ist also die zweite Woche in Folge Thema. Und sie betrifft ja nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch den Spitzenkandidaten der Bürgerdemokraten Mirek Topolánek.

K: Milan Znoj geht in der Tageszeitung Pravo der Frage nach, ob die Wähler Konsequenzen aus diesem Urlaubsskandal ziehen werden. Ihm zufolge hat diese Affäre nur aufgezeigt, was eigentlich alle längst wussten: "Die Politik ist ein Moloch – so lautet auch eine tschechische Redensart. Diejenigen, die auf die Politik schimpfen, fühlen sich nun bestätigt. Unglücklicherweise führen derartige Skandale aber zur Demoralisierung der Bürger. Die Folge: Dem Eigennutz der Politiker wird letztlich freie Hand gelassen. Die Bürger sind aber die einzigen Hüter der Demokratie. Sie sind es, die etwas bewirken können, wenn sie nur wollen. Nur zu schimpfen und zu moralisieren ist kein politisches Programm."

Foto: ČTK
M: Wähler wehrt euch - das ist also der Schluss dieses Kommentators. Gelegenheit dazu werden sie ja bereits im Oktober haben, denn dann sind Neuwahlen angesagt. Während sich also bei einigen Parteien bereits Inhalte abzeichnen, mit denen sie in den Kampf um die Wählergunst einziehen wollen, fährt der Chef der Bürgerdemokraten Mirek Topolánek vorerst Rad in Südböhmen.

K: Die Bewohner Südböhmens können Topolánek auf seiner Sommertour treffen und interaktiv das Wahlprogramm der ODS mitgestalten. Das jedenfalls ist erklärtes Ziel dieser Aktion. Da er selbst nicht aus dieser Gegend stammt, will der Politiker auf Tuchfühlung gehen mit den Leuten, die ihn im Oktober wählen sollen. Miloš Šenkýř von der Tageszeitung Lidové Noviny zufolge weiß Topolánek nur zu gut, dass es nicht nur politische Ansichten sind, die ihn von seinen Konkurrenten trennen. „An die Position des Grünenkandidaten Ondřej Liška und des Sozialdemokraten Bohuslav Sobotka kommt er nicht heran, denn die haben in dieser Region Heimspiel. Topolánek hingegen muss auf seine Überzeugungskraft setzen - in Kneipen, Kirchen, Freibädern und Weinkellern. Das sind Orte, an denen die Leute offener sind. Für Topolánek ist das die Chance den Leuten zu beweisen, dass seine Aktivitäten nicht enden, sobald er sein Abgeordnetenbüro bezogen hat." In einem entsprechenden Artikel in der Zeitung Právo heißt es dazu: "Er ist nicht der erste uns wird nicht der letzte Politiker sein, der im Schafspelz daherkommt, wenn er auf Stimmenfang ist", schreibt Alexandr Mitrofanov und zählt gleich eine ganze Reihe von ihnen auf - angefangen beim ehemaligen russischen Staatsoberhaupt Boris Jelzin bis hin zu Tschechiens Präsident Václav Klaus. "Die Gegener Topolaneks in Südböhmen kommen nicht wie Spaßvögel daher. Mit Fotos in Badehosen ist da nicht zu rechnen. Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka, lehnt es gar ab die traditionelle Tracht anzulegen, um den Leuten zu zeigen, dass er einer von ihnen ist. Stattdessen langweilt er sie mit Wahlversprechen. Die Sozialdemokraten haben nämlich bereits ein Wahlprogramm. Echte Langweiler. Und wer weiß, ob einer wie Sobotka überhaupt Radfahren kann."


M: Sie hören weiterhin den Medienspiegel, die Presseschau von Radio Prag. Diese Woche zusammengestellt von Katrin Materna. Katrin, kommen wir nun von der Politik zur Wirtschaft. Die tschechische Zentralbank hat den Leitzins auf 1,25 Prozent gesenkt. Das ist Rekord. Gab es dazu Pressestimmen?

Bill Clinton und die Journalistin Laura Ling  (Foto: ČTK)
K: Ja, die Tageszeitung Hospodářské Noviny beschäftigt sich mit diesem Thema. Die Autorin Lenka Zlámalová begrüßt diesen Schritt gleich aus mehreren Gründen. Als wichtigsten nennt sie die aktuelle Wirtschaftsprognose für Tschechien, die noch schlechter ist als bislang erwartet. Die Nationalbank geht von einem Wirtschaftsrückgang von 3,8 Prozent aus, das Finanzministerium gar von 4,5 Prozent. „Die Zinssenkung ist außerdem eine gute Möglichkeit zu testen, wie es um die Bereitschaft der Banken bestellt ist, Geld zu verleihen. Mit günstigen Krediten ist dabei jedoch nicht zu rechnen. Für die Banken wird es sehr viel günstiger sein, Staatsanleihen zu kaufen, die es wie demnächst wie Sand am Meer geben wird, als sich mit Unternehmenskrediten und Kreditkarten abzugeben.“

M: Keine Schnäppchen also. Was gab es sonst noch in dieser Woche?

K: Die Kommentatoren haben sich ausgiebig mit der Befreiung zweier amerikanischer Journalistinnen aus Nordkorea beschäftigt, bzw. mit der Vermittlungsreise Bill Clintons dorthin. Zbyněk Petráček schreibt in der Zeitung Lidové Noviny dazu: Die CIA ist 1997 zu dem Schluss gekommen, dass Nordkoreas Reagime innerhalb von 5 Jahren dem Untergang geweiht ist. Das ist nicht geschehen. „Clinton rettet dort persönlich amerikanische Geiseln und Diktator Kim Jong Il kann sich die Hände reiben und denken: Seht ihr, der Ex-Präsident des Staates, das nur Geringschätzung für uns übrig hat, verhandelt mit mir wie mit seinesgleichen. Ähnlich freuen kann sich auch Irans Präsident Ahmadinedschad beim Gedanken an die drei amerikanischen Unglücksraben, die ihm in die Fänge geraten sind. Wenn es um Geiseln geht, hat der Grundsatz ‚Mit Terroristen verhandelt man nicht‘ plötzlich keine Geltung mehr.“ Einig scheinen sich die Autoren darin zu sein, dass der Versuch von Clintons Gattin Hillary, diese Reise als private Initiative des Ex-Präsidenten zu deklarieren, nicht ernst zu nehmen ist. „Das Weiße Haus behauptet nun, Clinton sei als Privatperson nach Nordkorea gereist. Nun davon gibt es mehr als sechs Milliarden, aber ein Ex-Präsident und Ehemann der gegenwärtigen Außenministerin der USA gehört nicht dazu. Kim ist nicht Clinton entgegen gekommen, sondern den USA“, schreibt beispielsweise Milan Vodička in der Mladá Fronta Dnes.