Clinton: „Wir brauchen Havels auf der ganzen Welt“
Es war wohl eines der ungewöhnlichsten Treffen zweier Präsidenten: Als Bill Clinton 1994 zu Besuch bei Václav Havel in Prag war, menschelte es durch und durch. Die Korrespondentin des Tschechische Rundfunks in Washington, Lenka Kabrhelová, hat nun ein Exklusivinterview mit dem ehemaligen US-Präsidenten geführt. Große Teile des Gesprächs drehen sich um Clintons Beziehung zu dem bereits verstorbenen früheren tschechischen Staatsoberhaupt Havel. Wir haben die interessantesten Passagen zusammengestellt.
„Ich bin noch als junger Mann in der ersten Woche des Jahres 1970 in die Tschechoslowakei gereist. Das waren genau 24 Jahre vor meinem ersten Besuch als amerikanischer Präsident. In Oxford hatte ich einen Freund, mit dem ich zusammen Basketball gespielt habe. Seine Eltern unterstützten den Prager Frühling. Ich war also immer interessiert an der Tschechoslowakei. Ich habe auch Havel immer aus der Ferne genau beobachtet. Da hatte ich auch das Gefühl, wir könnten sofort Freunde werden. Und ich wusste, warum man ihn bewundern muss.“
Ein erstes Treffen mit dem ehemaligen Dissidenten und neuen tschechischen Präsidenten findet 1993 auf Initiative von Madeleine Albright statt. Die spätere amerikanische Außenministerin stammt aus Prag und war eine gute Freundin Havels. Beim Tschechien-Besuch Clintons zu Anfangt des Januars 1994 kennen sich beide Staatsoberhäupter also schon. Und sie verstehen sich auch, weil sie ähnlich denken.
„Havel war der Meinung, dass ein Fortschritt möglich ist, solange die Menschen frei sind. So ähnlich habe ich auch gedacht, deswegen mochte ich ihn. Und er hat immer versucht, jeden einzelnen Tag zu genießen. Das ist eine wichtige Lektion für die Menschen, die glauben, dass sich alles um Macht, Geld und solche Dinge dreht“, so Clinton.
Beide Präsidenten verband aber auch die Liebe zur Musik. 1994 lud Václav Havel seinen amerikanischen Amtskollegen in den Prager Jazz-Club Reduta ein, drückte ihm ein Saxophon in die Hand – und es kam zu dem denkwürdigen Auftritt Bill Clintons mit tschechischen Musikern. 1998 war dann Václav Havel zu Besuch in Washington. Bill Clinton:„Als ich ihn zum Staatsempfang ins Weiße Haus einlud, fragte ich ihn, wen er gerne nach dem Dinner zur Unterhaltung hören würde. Er sagte: Lou Reed, weil er der Samtenen Revolution geholfen hat. Also haben wir Lou Reed kontaktiert, er hat extra seine Musiker-Rente unterbrochen und für Havel gespielt. Es war ein toller Auftritt.“
Dass tschechische Präsident unkonventionell dachte und auch so handelte – das habe ihm besonders an ihm gefallen, sagt Clinton. Und der 71-jährige Politiker fügt hinzu:
„In bestimmter Hinsicht ist Havel heute wichtiger, als er es damals als Held der neuen Freiheit in der Tschechischen Republik war. Wir bräuchten Havels auf der ganzen Welt. Menschen, die so leben, wie er es getan hat. Als er aus dem Gefängnis kam, schrieb er die ganzen 1980er Jahre hindurch Theaterstücke und erinnerte die Leute daran, dass sie es nicht verdient hätten, wie Sklaven behandelt zu werden. Dass sie es nicht verdient hätten, seelenlos den dunkelsten Instinkten zu folgen, sondern für einen helleren Morgen zu leben. Das Leben, das Havel gelebt hat und das ihn bis ins Präsidentenamt geführt hat – das sollten wir heute versuchen nachzuahmen.“
Er kenne nur drei Persönlichkeiten in der Menschheitsgeschichte, die ihr Land ohne einen einzigen Schuss befreit hätten, so Clinton zum Schluss: Die seien Mahatma Gandhi, Nelson Mandela – und eben Václav Havel.