Der Präsident und sein Fotograf: Václav Havel im Fokus von Jiří Jírů
Jiří Jírů war sieben Jahre lang, von 1993 bis 2000, offizieller Fotograf von Staatspräsident Václav Havel. Was in dieser Zeit entstanden ist, zeigt nun eine Ausstellung. 43 Fotografien von Jiří Jírů sind derzeit im Tschechischen Zentrum in Prag zu sehen. Im Tschechischen Rundfunk hat der Fotograph zurückgeblickt auf seine Zeit auf der Prager Burg.
„Am Anfang war ich scheu. Ich konnte es nicht glauben, dass ich dort bin. Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich einen Vertrag bekommen habe. Es wurden Visitenkarten der Präsidialkanzlei für mich gedruckt. Darauf stand, dass ich der Fotograf des Staatspräsidenten bin. Ich war eher zurückhaltend, und auf der Burg liefen so viele Menschen herum, dass es manchmal schwierig war, zu den Veranstaltungen zu kommen. Ich habe überhaupt nichts davon erfahren. Später wurde mir gottseidank das Programm des Präsidenten zur Verfügung gestellt. Ich konnte also auswählen, wohin ich gehe und wohin nicht.“
Als offizieller Fotograf hatte Jírů sein eigenes Büro auf der Prager Burg. Fast jeden Tag stand er im Kontakt mit dem Staatsoberhaupt und begleitete ihn auf den meisten Auslandsreisen. Seine Arbeiten – mehr als 3000 Originale und digitalisierte Negative – werden heute im Archiv der Präsidialkanzlei aufbewahrt. Dass Jírů den Posten als Burgfotograf bekam, war Zufall. Viele Mitarbeiter des neuen Präsidenten waren frühere Freunde von Václav Havel. Das war bei Jiří Jírů nicht der Fall:„Wir haben uns nicht gekannt. Ich kann selbst überhaupt nicht verstehen, wie es dazu kam, dass ich sieben Jahre lang auf der Burg gearbeitet habe. Ich hatte Havel einmal zufällig fotografiert, bevor ich 1968 ins Ausland ging. Für welche Redaktion ich das damals gemacht habe, weiß ich nicht mehr, weil ich für mehrere tschechische Zeitungen gearbeitet habe. Damals schickte mich jemand ins Theater am Geländer. Ich sollte einen Schriftsteller fotografieren, dessen Namen ich nicht kannte. Ich kam also an, und dort saß Václav. Er trug eine Krawatte, das hat mich ziemlich überrascht, und vor ihm lagen zwei Zigarettenschachteln. So habe ich mein Foto gemacht. Als ich zwanzig Jahre später sein Fotograf wurde, fiel mir erst wieder ein, dass ich diesen Menschen irgendwo schon einmal fotografiert hatte. Ich suchte in meinem Archiv und wurde tatsächlich fündig. Auch diese Schwarz-Weiß-Aufnahme habe ich nun in die Ausstellung mitaufgenommen.“
Die ausgestellten Fotografien zeigen die Zusammenkünfte Václav Havels mit den Spitzenpolitikern der Welt und mit Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich. In wenigen Fällen wird auch das Privatleben des Politikers gezeigt. Jiří Jírů beschreibt, wie schwierig es für den Fotografen war, die Treffen zu verewigen:„Ich hatte sozusagen eine Autozensur in mir. Ich wollte bei den Gesprächen nicht stören und sagte mir dann, in drei Minuten muss ich verschwinden, um sie bei ihrem Gespräch nicht aufzuhalten. Andererseits sind die Fotos wichtig. Wenn ich sie nicht gemacht hätte, wären die Treffen nicht dokumentiert worden. Beim Fotografieren musste ich mich mit einem großen Problem auseinandersetzen: Wenn der Herr Präsident gesprochen hat, hat er immer nach unten geschaut. Er hatte keine Augen. Das ist für einen Fotografen eine Tragödie und ich habe das mehrmals erlebt. Havel hat den Menschen, mit dem er sprach, nicht angeschaut. Er dachte über das Gesagte nach und das ging besser, wenn er nach unten schaute und keinen Augenkontakt mit seinem Gesprächspartner hielt. Ich kniete also dort, meine Knie taten weh, und wartete, bis er den Kopf hebt. Manchmal wurde ich schon aufgefordert rauszugehen. Ich wartete dann noch eine Weile, Havel hob den Kopf und ich machte das Foto.“
Der Fotograf hat Václav Havel niemals angewiesen, wie er sich für ein Foto stellen und benehmen soll:„Das habe ich überhaupt nicht gewagt. Aber ich habe eine solche Situation erlebt, als Präsident Clinton in Prag war. Wir waren in der Residenz der US-amerikanischen Botschaft in Bubeneč. Ich schlenderte durch die Räume und auf einmal kam ich in ein Zimmer, in dem Clinton und sein Fotograf standen. Der Fotograf hat dem US-Präsidenten ganz genau gesagt, die Hand müsse so und so, in dieser Höhe gehalten werden und so weiter. Clinton bewegte seine Hände nach den Instruktionen seines Fotografen. Zwischen ihnen herrschte eine professionelle Beziehung. So etwas gab es zwischen Havel und mir nicht.“
Am schwersten sei es gewesen von Havels privaten Terminen zu erfahren, erinnert sich der Fotograf:
„Das kam einige Male vor, dass ich einfach nicht dabei war. Havels Hofleute sagten dann zu mir, warum warst du nicht da? Ich sagte, wie hätte ich das wissen sollen? Ich bin kein Prophet, ich konnte nicht erahnen, dass der Präsident zum Beispiel dem König von Thailand eine Klarinette schenken wird. Wenn mir das nicht gesagt wurde, konnte ich nicht hingehen.“Eine weitere Hürde aus der Sicht des Fotografen waren die Menschen um Havel:
„Es war sehr schwierig. Er war stets von mindestens fünf Menschen umgeben. Sie drängten sich eng an ihn, flüsterten ihm etwas zu. Ich konnte nicht sagen, gehen Sie mal weg, ich brauche den Präsidenten allein oder nur mit zwei, drei Menschen.“
Mit jedem Foto sei eine witzige Entstehungsgeschichte verbunden, sagt der Fotograf:
„Zum Beispiel als wir in der Wohnung von Henry Kissinger in New York waren, habe ich dort fotografiert. Und Herr Kissinger sagte zu mir, Herr Jírů, machen Sie keine Aufnahmen davon, was hier an den Wänden hängt. Die Bilder sind sehr teuer.“Auch in den Vatikan hat Jiří Jírů Havel begleitet. Der Staatspräsident kam dort mit Papst Johannes Paul II. zusammen:
„Es war nicht möglich, nah an sie heranzukommen. Ich saß dort fest unter den anderen Fotografen und Journalisten. Ich muss sagen, dass die Menschen im Ausland anständig sind, es herrscht dort keine Konkurrenz. In der Menge entdeckte mich dann der Fotograf des Papstes. Er merkte, wie verloren ich dort bin. Er nahm meine Hand und führte mich durch den Vatikan, durch die Gänge. Ich kam mir vor wie im Film ‚Der Name der Rose‘. Wir gingen eine schmale Treppe hoch, die nur eine Person passieren konnte. Plötzlich öffnete er eine Tür, und dort saßen Havel und der Papst. Ich war ganz baff. Dann machte ich fünf Fotos, und der Fotograf des Papstes führte mich wieder zurück. Das Foto hat daher einen großen Wert. Es ist eine Aufnahme aus dem privaten Arbeitszimmer des Papstes – so etwas hat kaum jemand.“
Die Fotos sind durch eine spezielle Technik entstanden und teilweise koloriert:„Es waren farbige Negative, aus denen ich schwarz-weiße Fotos entwickelt habe. Die Fotos legte ich in Sepia-Farbe. Danach habe ich nur einige Teile koloriert, um sie hervorzuheben. Ich wollte, dass die Fotos weder farbig noch schwarz-weiß sind. Damit sie nicht allzu dokumentarisch und politisch wirken. Meiner Meinung nach sind es surrealistische Fotografien, und damit Kunstwerke an sich.“
Soweit der Fotograf Jiří Jírů. Die Ausstellung „Václav Havel durch das Objektiv von Jiří Jírů“ ist bis zum 2. Oktober im Tschechischen Zentrum in der Rytířská-Straße in Prag zu sehen.