Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in einem Krematorium

Krematorium im Ostrava/Ostrau (Foto: www.pohrebnictvi.cz)

Tschechien war in seiner modernen Geschichte ein mehrheitlich atheistisch geprägtes Land, und dies hat sich wohl auch darin niedergeschlagen, dass hier das Krematorium mittlerweile als ein breit akzeptiertes Symbol des technisierten Umgangs mit dem Tod gilt. Der Staatssozialismus hatte schon immer aus ideologischen Gründen die Feuerbestattung stark gefördert, so dass heute der Anteil der Einäscherungen an den Gesamtbestattungen durchschnittlich etwa 80 Prozent beträgt. Nur die wenigen katholischen Regionen weisen niedrigere Quoten auf. Das Resultat dieser Entwicklung ist eine relativ liberale Bestattungskultur. Das erst im Jahr 2001 gebilligte neue Bestattungsgesetz erlaubt z.B. das private Aufbewahren von Urnen bzw. die private Urnenbeisetzung. Doch auch aus anderen Gründen ist die Bestattung mit Kranzniederlegung und feierlichem Zeremoniell in den letzten sieben bis zehn Jahren stark zurückgegangen. Eine Einäscherung kostet die Hinterbliebenen zum Beispiel maximal 10.000 Kronen (ca. 310 Euro), während man für eine Beerdigung mit Zeremoniell und Kränzen schon zwischen 50.000 bis 70.000 Kronen (ca. 1600 bis 2.200 Euro) berappen muss. Daher hat besonders in Großstädten die wegen der dort vorherrschenden Anonymität gern genutzte Einäscherung immer mehr zugenommen. In Prag beträgt ihr Anteil an den Bestattungen bereits über 50 Prozent. Wie sich das Bestattungswesen in Tschechien nach der Wende generell verändert hat, dazu nun der folgende Beitrag von Jitka Mládková.

Mit dem politischen Umbruch von 1989 wurde ein enormes Engagement der privatwirtschaftlichen Unternehmen im Bestattungssektor ermöglicht, der sich in wenigen Jahren zu einem lukrativen Markt entwickelte. Gab es vor der Wende eine einzige staatliche Firma, die mittels ihres Filialennetzes landesweit die Bestattungen organisierte, so gibt es heute zwischen 350 und 400 solcher Bestattungsunternehmen im Lande. Ihre genaue Zahl kennt nicht einmal der Verein für Bestattungswesen in der Tschechischen Republik. Der Konkurrenzkampf ist groß. Doch nicht nur die Bestattungsfirmen, sondern auch andere in diesem Bereich tätige Einrichtungen müssen nach neuen Kunden Ausschau halten. Eine kleine Marktlücke hat das Krematorium im nordmährischen Ostrava/Ostrau im Rahmen einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für sich entdeckt und zu nutzen gewusst. Gegen jede andere Bezeichnung als "Zusammenarbeit" - etwa "Geschäft" oder gar "Business" - wehrt sich in diesem Kontext entschieden Krematoriumsleiter Pavel Lacina. Vor acht Jahren hat sich das Ostrauer Krematorium jenseits der etwa eine Autostunde entfernten polnischen Grenze nach Geschäftspartnern umgesehen und mehreren polnischen Bestattungsunternehmen in der benachbarten Grenzregion die - wie Lacina sagt - Zusammenarbeit angeboten. Nach vorangegangenen Verhandlungen zwischen den zuständigen Ämtern wurden Ende 1995 die ersten drei Einäscherungen polnischer Verstorbener in Ostrava verwirklicht, voriges Jahr waren es bereits 120. Den reibungslosen Ablauf dieser Zusammenarbeit schildert Lacina wie folgt:

"Gegenwärtig sieht es so aus, dass das polnische Bestattungsunternehmen vor dem Transport des Verstorbenen nach Ostrava die notwendigen Formalitäten beim zuständigen Amt für Hygiene, dem sog. Sanepit, erledigt. Am Grenzübergang in Cesky Tesin/Teschen werden die Dokumente wie auch der PKW mit dem Sarg von Zollbeamten beider Länder kontrolliert."

Alles laufe mittlerweile schnell, sagt Lacina pragmatisch. Auch die anfänglichen Verlegenheitsäußerungen der Zöllner seien mit der Zeit verschwunden. Ähnlich geregelt und problemlos sei es im Krematorium:

"Eine polnische Bestattungsfirma ruft an und gemeinsam wird ein Termin vereinbart - der Tag und die Stunde, für die wir einen Verbrennungsofen bereithalten. Unsere Technologie macht es möglich, die Urne innerhalb von 150 Minuten zu übergeben."

Manchmal wird der Verstorbene von seinen Familienangehörigen nach Ostrava begleitet. Diesen wird die Möglichkeit gegeben, sich ganz privat und still in einem dazu bestimmten Raum von dem Toten zu verabschieden. Der technische Trakt gilt hier dabei nicht als eine Tabuzone, und so können sie bei Wunsch das Einfahren des Sarges in den Verbrennungsofen durch eine Glaswand verfolgen. Andernfalls wird dezent ein Vorhang zugezogen. Gegenwärtig handelt es sich hierbei immer noch um eine bescheidene Zahl polnischer Verstorbener, die im Ostrauer Krematorium eingeäschert werden. Lacina weiß aber, dass diese Bestattungsart erst vor ca. 10 Jahren von dem polnischen Papst genehmigt wurde, und so kann sich daran im Laufe der Zeit vieles ändern. Schließlich werden Tschechien und Polen schon im Mai 2004 Partner in der EU sein!