„Große Euphorie“ – Viktoria Pilsens Weg in die Champions League
Als Viktoria Pilsen im Mai neuer tschechischer Fußballmeister wurde, war dies eine Überraschung. Nun haben die Westböhmen dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt: mit dem Einzug in die Champions League, wo unter anderem Bayern München und der FC Barcelona warten.
Als es am Mittwoch vergangener Woche vollbracht war, erbebte das kleine Stadion „Doosan Arena“ in seinen Grundfesten – so laut war der Jubel. Viktoria Pilsen siegte im Playoff-Rückspiel zur Champions League mit 2:1 gegen Qarabag Agdam aus Aserbaidschan. Nach dem 0:0 im Hinspiel war damit der Einzug in die Meisterliga perfekt. In Plzeň / Pilsen war man sich sofort einig über den Stellenwert dieses Erfolges – obwohl Viktoria insgesamt zum vierten Mal die Gruppenphase der Champions League erreicht hat. Mittelfeldspieler Jan Kopic war auch schon 2018/19 dabei, als der Verein zuletzt den prestigeträchtigsten europäischen Klubwettbewerb bestreiten durfte, und kann vergleichen:
„Die Euphorie ist so viel größer als damals, als wir zum letzten Mal in die Champions League eingezogen sind. Damals waren wir direkt für die Gruppenphase qualifiziert. Diesmal haben wir uns die Teilnahme erkämpft, wir mussten drei Vorrunden überstehen. Das waren sechs schwere Spiele, die wir alle gemeistert haben. Deswegen sind wir zu Recht in dieser Liga. Ich hoffe, dass wir in dem Wettbewerb auch noch den ein oder anderen Erfolg feiern können.“
Obwohl Viktoria Pilsen tschechischer Meister ist, musste das Team bereits in der zweiten Qualifikationsrunde einsteigen. Dort stellte der HJK Helsinki allerdings noch keine wirkliche Hürde dar. Beide Begegnungen mit dem finnischen Meister gewann man, das Rückspiel zu Hause sogar mit 5:0.
Sheriff Tiraspol in der dritten Runde war da schon ein härterer Brocken, immerhin hat die Mannschaft aus der Republik Moldau bereits in der vergangenen Saison Erfahrungen in der Champions League sammeln können. Doch Pilsen siegte zweimal mit 2:1. Und als Letztes schalteten die Schützlinge von Trainer Michal Bílek dann Qarabag Agdam aus. Das Team aus Aserbaidschan spielt fast jede Saison auf internationalem Parkett, hat also in diesem Bereich viel Erfahrung, auch wenn es bisher nur einmal zur Champions League gereicht hat. Allerdings ist die tschechische Liga sicher höher anzusiedeln als jene in dem Land am Kaspischen Meer. Dennoch war es am Mittwoch ein schwerer Kampf, bis der Sieg eingetütet war.
„Entscheidend war die zweite Halbzeit. In der ersten Hälfte bekamen wir ein etwas unglückliches Gegentor, als wir in einer Situation nicht aufmerksam genug waren. Dabei hatten wir gut begonnen, zahlreiche Standardsituationen gehabt, nur haben wir daraus kein Kapital geschlagen. In der zweiten Hälfte haben wir dann einen großen Willen gezeigt, das Spiel noch zu drehen und uns für die Champions League zu qualifizieren“, bekannte Kapitän und Abwehrchef Luděk Pernica nach dem Schlusspfiff.
Geldsegen gegen die Schuldenspirale
Für den Verein ist der Einzug in die Meisterliga existenziell. Der FC Viktoria Pilsen hat keinen finanzstarken Investor im Rücken und drohte zuletzt in eine Schuldenspirale zu geraten. Allein mit der Qualifikation zur Gruppenphase der Champions League sind dem Klub schon 15,6 Millionen Euro sicher. Weitere Millionen kommen durch die Übertragungsrechte im Fernsehen hinzu. Außerdem stellen sich die Spieler ins internationale Schaufenster. Für einige von ihnen ist es schon jetzt das bisher größte Erlebnis ihrer Karriere.
Aber der Erfolg ist auch eine Genugtuung für den Coach. Michal Bílek war von 2009 bis 2013 tschechischer Nationaltrainer. Sein Abgang war eher unschön, denn damals wurde er vom Fachpublikum kritisiert und von den Fans ausgepfiffen. Am Mittwoch aber klatschten sogar die Sportjournalisten, als er zur Pressekonferenz nach dem Spiel kam. Und der 57-Jährige bekannte:
„Nach meinem Engagement beim Nationalteam habe ich nicht gerade eine gute Zeit erlebt. Teils war das auch schon in meiner Zeit als Nationalcoach so. Danach habe ich sogar daran gezweifelt, ob der Trainerberuf für mich noch Sinn hat. Die Stimmung war damals sehr stark gegen mich gerichtet.“
Danach ging Bílek erst einmal ins Ausland, zu Dynamo Tiflis. Zurück in die erste tschechische Liga wagte sich der frühere Nationalspieler erst, als ihm der ostmährische Verein FC Fastav Zlín ein Engagement anbot. Nach einem weiteren Gastspiel im Ausland, konkret in Kasachstan, wechselte Michal Bílek im Mai 2021 nach Pilsen. Der Verein befand sich zu Ende der damaligen Saison nur auf dem fünften Platz in der tschechischen Liga, und der Start des neuen Trainers verlief nicht gerade optimal…
„Als ich hierher kam, verloren wir zunächst bei Sparta. Dann haben uns Bohemians Prag und Pardubice jeweils drei Tore eingeschenkt. Von diesen Niederlagen haben wir uns aber erholt und konnten uns schon in der damaligen Saison verbessern. Die vergangene Spielzeit war dann fantastisch. Und jetzt dürfen wir sogar die Champions League erleben. Das übertrifft bei Weitem meine Erwartungen“, so Bílek.
Doch einen Tag später kam es noch besser. Da wurden nämlich die Gruppen der neuen Champions-League-Saison ausgelost. Für Viktoria Pilsen sprang eine Hammergruppe heraus. Die Gegner heißen FC Bayern München, FC Barcelona und Inter Mailand. Schwerer und zugleich attraktiver konnte es für den tschechischen Verein nicht kommen. Oder? Václav Pilař gehörte von 2012 bis 2014 zum Kader des VfL Wolfsburg, absolvierte aber nur sieben Bundesligaspiele auf Leihbasis für den SC Freiburg. Danach wechselte der offensive Mittelfeldspieler zurück in seine Heimat zu Pilsen. Zu dem Champions-League-Los sagte er:
„Es ist sehr schön. Ich glaube, eine Hälfte von uns Spielern hat sich die Gruppe H mit Paris St. Germain gewünscht, die andere Hälfte unsere jetzige Gruppe C mit Bayern, Barcelona und Inter. Weil es ein Traumlos ist, war die Stimmung in der Kabine ausgelassen. Und ich muss einfach noch einmal betonen, dass wir enorm glücklich sind, uns für den Wettbewerb qualifiziert zu haben.“
Bayern und Barcelona
Bereits kommende Woche startet für Pilař und seine Mitstreiter das Europa-Abenteuer. Als Erstes geht am Mittwoch die Reise ins Stadion Camp Nou nach Barcelona. Sechs Tage später empfangen die Westböhmen dann Inter Mailand vor eigenem Publikum. Erst am 4. und 12. Oktober stehen die beiden Begegnungen mit dem FC Bayern München an – zunächst auswärts in der Allianz Arena und dann im nur 11.500 Zuschauer fassenden eigenen Stadion. In allen Spielen ist Viktoria Pilsen nur Außenseiter. Aber welcher der Gegner flößt am meisten Respekt ein?
„Das lässt sich schwer beurteilen. Wenn ich mir die Kader anschaue, dann haben alle drei Vereine unglaubliche Spieler in ihren Reihen. Bei der Frage nach Bayern oder Barcelona würde ich den spanischen Klub ein bisschen höher ansiedeln. Aber auch nur deswegen, weil ich als kleiner Junge mal ein Fan von ihnen war. Doch insgesamt erwarten uns keine leichten Begegnungen“, so der Abwehrspieler Milan Havel.
Mit Bayern und Barcelona hat Pilsen übrigens bereits vor einigen Jahren schon Bekanntschaft gemacht. Doch weder gegen den einen europäischen Spitzenverein noch gegen den anderen gelang jeweils ein Tor, geschweige denn etwas Zählbares zu erkämpfen. Im Herbst 2011 verlor man 0:2 auswärts und 0:4 zu Hause gegen den FC Barcelona. Und 2013 waren es 0:5 in München und 0:1 vor eigenem Publikum gegen den FC Bayern. Dieses Mal darf sogar überhaupt jeglicher Punktgewinn in der Gruppe als Erfolg für die Pilsner gewertet werden. Aber vielleicht wachsen sie ja wieder über sich hinaus…