Grußbotschaft an die Nachfahren im Prager Heinrichtsturm

Heinrichsturm

Am 12. 12., kurz nach 12 Uhr Mittag, im 12. Stockwerk des Prager Heinrichsturms / Jindrisska vez, 120 Tage nach dem Tag des Pegelhöchststandes der Moldau während des diesjährigen Hochwassers, obendrein zwölf Tage vor Heiligabend, fand in Anwesenheit des neuen Oberbürgermeisters von Prag, Pavel Bem, eine kleine Feier aus einem besonderen Anlass statt. Man hat hier einen neuen Turm im Turm eröffnet! Mehr erfahren Sie von Jitka Mladkova im folgenden Beitrag:

Der 65,7 Meter hohe Heinrichsturm, der als der höchste freistehende Glockenturm Prags gilt, ist nur einen Steinwurf vom Wenzelsplatz entfernt und deswegen schon seit Jahrhunderten von der Stadtmitte nicht wegzudenken. Um so mehr, wenn seine Räumlichkeiten auf mehreren Etagen jetzt auch Passanten einen angenehmen Ausstieg aus dem Großstadttrubel bieten. In der von Karl dem Vierten im Jahre 1348 gegründeten Prager Neustadt wurde drei Jahre später auf dem Gelände des heutigen Platzes Senovazne namesti die Kirche des hl. Jindrich/Heinrich und der hl. Kunhuta gegründet. Der erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts fertig gestellte Kirchenturm erwies sich als ungeeignet für die Unterbringung der großen Glocken, deren Anfertigung aus Spenden und Hinterlassenschaften von Gläubigen finanziert wurde. Die Bemühungen, einen entsprechend repräsentativen steinernen Glockenturm zu bauen, wurden erst in den 90er Jahren des 15. Jahhrunderts mit Erfolg gekrönt.

Die Kampanille wurde im Laufe der Jahrhunderte zum Zeugen der hehren wie auch der tragischen Ereignisse in der Stadt und wurde selbst wiederholt von verschiedenen Katastrophen betroffen, z.B. von Kanonenkugeln der preußischen Armee bei der Belagerung Prags 1757 oder aber von starken Stürmen. Ihre äußere Gestalt wurde dann bei Rekonstruktionen, z. T. auch durch architektonische Projekte mehr oder weniger neu geprägt, zuletzt 1879. Beim jüngsten Umbau wurde sozusagen ein neuer Turm in den bestehenden Heinrichtsturm eingebaut. Es geht um eine selbst tragende Eisenbetonkonstruktion, die in keiner Weise das steinerne Mauerwerk des ursprünglichen Glockenturms berührt. Eben dadurch wurde der altneue Turm für die Öffentlichkeit zugänglich. Zu besuchen sind hier z.B. ein Cafe, ein Restaurant, kleine Ausstellungsräume und im 10.Stockwerk gibt es einen wunderschönen Ausblick auf Prag zu genießen.

Die feierliche Eröffnung des sich im Heinrichtsturm befindlichen neuen Turmes wurde von der St.Maria-Glocke, gegossen 1518, buchstäblich eingeläutet. Jedoch nur aus dem Lautsprecher, denn, wie während des Festaktes erläutert wurde, haben die Organisatoren die Inschrift respektiert, die die Glocke trägt. Diese besagt: "Ich, die Glocke, kündige nie Unwichtiges an." Gemessen an historisch bedeutenden Ereignissen war diese Veranstaltung vielleicht nicht relevant. Immerhin, die fast 600 Kg schwere Glocke ist zumindest im Turmrestaurant zu sehen. Bei dieser feierlichen Gelegenheit wurden die während des Turmumbaus gefundenen Urkunden aus dem 19. und 20.Jahundert gemeinsam mit von Präsident Havel und Prager Kardinal Vlk signierten Texten in neue Schutzbüchsen gelegt und als Gruß und Botschaft an die Nachfahren direkt in dem Zwiebelturm deponiert. Unter den darin erwähnten bedeutenden Ereignissen des Jahres 2002 ist auch die Flutkatastrophe in diesem Jahr genannt worden. Dazu sagte der Prager Oberbürgermeister Pavel Bem:

"Dies wird für die kommenden Generationen interessant sein und sie an die unglaubliche Solidarität der Menschen wie auch an das enorme Engagement von ganz Prag und dem ganzen Land bei der Auseinandersetzung mit der verheerenden Hochwasserkatastrophe erinnern. Ich hoffe, unsere Nachfahren werden diese Büchse im Heinrichsturm - sei es in zehn, hundert oder tausend Jahren finden- genauso gespannt darauf, wie die Welt einst aussah, so wie wir es hier vor einigen Monaten erlebt haben."