Handballer Jícha: Wechsel nach Barcelona ist auch Wertschätzung meiner Leistungen

Filip Jícha (Foto: Armin Kuebelbeck, Wikimedia CC-BY-SA 3.0)

Ähnlich wie der Deutsche Dirk Nowitzki im Basketball, so ist im Handball der Tscheche Filip Jícha ein internationales Aushängeschild. Der 33-Jährige ist mit dem THW Kiel siebenmal deutscher Meister und fünfmal Pokalsieger geworden. Er ist der Welthandballer des Jahres 2010 und hat mit den Norddeutschen zudem noch zweimal die Champions League und fünfmal den Supercup gewonnen. In Deutschland spielte er zwei Jahre für den TBV Lemgo (2005-2007) und acht Jahre (2007-2015) für die Kieler. Vor der neuen Saison wechselte er indes für viele überraschend zum neunmaligen Champions-League-Sieger FC Barcelona. Radio Prag hat darüber mit dem Zwei-Meter-Mann gesprochen.

Filip Jícha  (Foto: Florian Koppe,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Filip, nach zehn Jahren verlassen Sie die Bundesliga. Wie schwer fällt Ihnen dieser Abschied?

„Es fiel mir wirklich sehr schwer, die deutsche Bundesliga zu verlassen. Aber man kann die Zeit nicht mit den Händen festhalten. Und für einen Wechsel war die Zeit reif. Im Mai 2014 erlitt ich eine Sprunggelenkverletzung, konnte sie seitdem aber nie so richtig auskurieren. Denn in der starken Bundesliga muss man jeden Tag dabei sein, um mithalten zu können. Deshalb habe ich jetzt die Entscheidung getroffen, die neue Herausforderung mit dem Wechsel nach Spanien anzunehmen.“

Nach acht Jahren in Kiel ist es sicher auch nicht einfach für Ihre Familie, die gewohnte Umgebung zu verlassen. War es für Sie eigentlich ein Problem, die Frau davon zu überzeugen, dass Sie jetzt wechseln müssen?

„Nein, überhaupt nicht. Meine Familie steht ganz fest hinter mir. Meine Frau ist natürlich in dem kleinen Dorf bei Kiel, in dem wir gelebt haben, noch viel mehr verwurzelt als ich. Aber sie gesagt, das sei mein Job und ich dürfe die letzten Jahre meiner Karriere nicht verschenken, ohne irgendwie darunter zu leiden. Die spanische Liga werde meinem Körper guttun, das Angebot müssen wir einfach wahrnehmen. Sie stand da voll hinter mir und freut sich auch auf Barcelona.“

Kiel  (Foto: Klaas Ole Kürtz,  Wikimedia CC BY-SA 2.5)
Sind aber nicht die Kinder traurig, dass sie die Schulfreunde verlassen müssen? Oder sind sie froh, dass sie jetzt in die warme Sonne kommen, im Gegensatz zu Kiel, wo es häufiger regnet?

„Meine beiden Kinder sind in Kiel geboren, die kennen nur Kiel. Deshalb ist der Regen für sie kein großes Problem. Andererseits sind sie ganz fest in der Familie verankert, von daher glaube ich, es ist relativ egal, ob sie in Kiel oder Barcelona wohnen. Aber das wird man noch sehen. Der erste Besuch in Barcelona hat gezeigt, dass die Kinder glücklich sind, solange die Familie zusammenhält.“

Filip Jícha wurde 2010 zum Welthandballer des Jahres gekürt  (Foto: Archiv IHF)
Während Ihrer Zeit in Lemgo sind Sie einem Anlagenberater aufgesessen und dadurch etwas in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Gegenüber den ´Kieler Nachrichten´ haben Sie gesagt, dass Sie in eine tiefe Falle getappt seien. Das hätte sich aber erst nach vier Jahren bemerkbar gemacht, also 2010. Da standen Sie auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere und wurden unter anderem zum Welthandballer des Jahres gekürt. War die Nachricht über Ihre Verluste im Immobiliengeschäft für Sie ein Schock? Und sind Sie danach in jedes Spiel gegangen nach dem Motto: ´Jetzt muss ich jeden Tag hart arbeiten, um Zinsen und Schulden abzubauen´?

„Als Profi-Handballer werden wir ganz ordentlich bezahlt, und wenn man wie ich einer der weltweit besten ist, wird das umso mehr honoriert. Das wäre einfach falsch und verkehrt, bei mir von einer finanziellen Krise zu sprechen.“

„Es war anders, als ich das Unheil festgestellt habe. Ich wusste immer, dass ich das überlebe. Ich hatte auf einmal Verbindlichkeiten, doch es waren weiterhin auch gute Immobilienanlagen dabei. Von den schlechten musste ich mich trennen, das hat mir wirtschaftliche Verluste eingebracht. Das ist alles, was mir da passiert ist. Aber es ist nicht so, dass ich in eine finanzielle Krise geraten wäre. Dieses Wort habe ich nie in den Mund genommen, weil das einfach unfair wäre. Als Profi-Handballer werden wir ganz ordentlich bezahlt, und wenn man wie ich einer der weltweit besten ist, wird das umso mehr honoriert. Das wäre einfach falsch und verkehrt, von einer Krise zu sprechen, und so habe ich das auch nicht interpretiert. Ich habe immer nur gesagt, dass ich Verbindlichkeiten habe und dass ich in eine tiefe Falle getappt bin. Das stimmt. Aber das bedeutet doch nicht automatisch, dass ich in finanzieller Not bin. Mein Wechsel nach Barcelona hat ganz andere Gründe. Erstens ist es die Belastung für meinen Körper, die in der Bundesliga extrem hoch ist. Zum Zweiten sind es die hohen Ansprüche und Ziele, die Barcelona ständig hat. Und natürlich hat auch der finanzielle Aspekt gepasst. So wie bei jedem anderen Job auch. Das musste alles passen, und es hat auch alles gepasst.“

Filip Jícha  (Foto: Armin Kuebelbeck,  Wikimedia CC-BY-SA 3.0)
Dennoch war zu lesen, Sie hätten auch schlaflose Nächte gehabt. Konnten Sie sich jemandem anvertrauen? Haben Sie mit jemandem im Verein über ihr Problem sprechen können?

„Genau das ist die falsche Interpretation. Schlaflose Nächte hatte ich, sicher, aber aus einem ganz anderen Grund. Ich hatte sie, weil ich die Entscheidung treffen musste, ob ich Kiel verlasse oder dort bleiben werde. Das war der einzige Grund, warum ich schlaflose Nächte hatte. Das stand auch genauso in dem Interview (mit den ´Kieler Nachrichten, Anm. d. Red.) drin. Aber wenn man das anders sehen möchte, dann sieht man das auch anders. Und das finde ich relativ unfair. Denn ich habe noch immer vor Augen, was ich gesagt habe, und alle wissen, was Sache ist. Fazit: Meine finanzielle Situation ist nicht so, wie sie gelegentlich interpretiert wird. Ich stecke nicht in einer finanziellen Krise. Ich wurde betrogen, doch das überstehe ich, und zwar ganz normal. Und das ist auch nicht der Hauptgrund für meinen Wechsel von Kiel nach Barcelona.“

Filip Jícha  (Foto: Armin Kuebelbeck,  Wikimedia CC-BY-SA 3.0)
Kam der Wechsel zur rechten Zeit? Und warum?

„Weil Barcelona einen unglaublichen Willen gezeigt hat, mich zu engagieren. Zudem war man sich in Kiel bewusst, dass die Belastung der Bundesliga für einen Spieler, der 33 Jahre alt ist, vielleicht zu hoch wird und er keine weiteren vier Jahre mehr wird Top-Leistungen bringen können. Da wollte der THW auch nicht so viel in mich investieren, das kann ich begreifen. Bei diesem Geschäft sind Emotionen fehl am Platz. Obwohl ich schon vieles geleistet habe, müssen die Verantwortlichen in Kiel natürlich darauf schauen, was ich noch imstande bin, zu leisten. Barcelona hingegen ist ganz fest von meinen Fähigkeiten überzeugt, und so ist der Wechsel zustande gekommen.“

Filip Jícha  (Foto: Steindy,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Kiel hat Ihnen dann auch die Möglichkeit zum Wechsel gegeben. Es gab also keinen Abschied im Zorn, oder?

„Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr dankbar, dass ich für die Kieler spielen durfte. Es war das beste Kapitel meines Lebens. Und wir sind nur mit den besten Erinnerungen auseinander gegangen. Ich glaube, das war eine Win-win-Situation für beide Seiten. Ich habe jetzt einen Verein, bei dem ich wegen der geringeren Belastung in der spanischen Liga mehr auf meinen Körper achten kann. Und bei dem ich auch die Sonne mehr genießen kann. Kiel wiederum hat einen Spieler verkaufen und dabei eine horrende Summe erzielen können, die in der Handball-Branche nicht jedes Jahr fließt. Und für einen Spieler, der 33 Jahre alt ist, war es meiner Meinung nach auch ein sehr gutes Geschäft.“

FC Barcelona  (Foto: Archiv TV Barca)
Einige konkrete Fragen: Wann beginnen Sie in Barcelona mit dem Training? Wie viele Mannschaften gibt es in der spanischen Liga? Und hat Barcelona überhaupt Konkurrenz?

„In Spanien ist Barcelona gewiss ein Serienmeister. Das muss man sich vor Augen halten, und das wird auch so bleiben. Wenn die Liga ebenso stark wie die Bundesliga wäre, hätte sich der Wechsel für mich nicht gelohnt. Dann wäre die Belastung die gleiche geblieben. Die Bundesliga ist schon die stärkste Liga der Welt, ohne Frage. Aber ich möchte mich dennoch mit den Besten in Europa messen, von daher spiele ich sehr gern in der Champions League. Dass ich diesen Wettbewerb mit Kiel zweimal gewinnen konnte, andererseits aber auch dreimal im Finale gescheitert bin, ist schon verrückt. Wenn ich dann am Ende meiner Karriere sagen kann, dass ich zwölf Jahre lang für Kiel und Barcelona – die zwei Top-Mannschaften in der Welt – gespielt habe, dann ist das eine gewaltige Sache. Wer kann das schon von sich behaupten? Ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist.“

Wann beginnt die spanische Liga?

„Das ist eine gute Frage. Barcelona hat schon ein offizielles Spiel ausgetragen, und zwar das Halbfinale der Copa Catalunya. Die Liga beginnt glaube ich am ersten September-Wochenende. Aber an dem sind wir mit Barcelona beim Super Globe in Katar. Ehrlich gesagt, den genauen Spielplan der Liga hatte ich noch nicht vor Augen.“

Sie haben es selbst gesagt: Wenn man acht Jahre in Kiel und dann noch vier Jahre in Barcelona spielt, hat man bei den zwei Top-Teams in Europa gespielt. Macht es Sie auch ein bisschen stolz, dass dieser Vertrag zustande gekommen ist? Denn es ist ja auch auf Ihre vorherigen Leistungen zurückzuführen, dass Barcelona Ihnen so ein Angebot gemacht hat…

„Auf jeden Fall. Das zeigt eine gewisse Wertschätzung, die mir in der Handball-Welt entgegengebracht wird. Das macht mich auch sehr stolz, da komme ich nicht drum herum. Es ist wirklich eine ganz schöne Sache für mich. Und dieses Interesse von Barcelona genieße ich einfach.“

„All die tollen Leute, die ich während meiner Zeit in Deutschland kennenlernen durfte, die werden mir fehlen. Des Weiteren die Fans, das Interesse der Zuschauer, das wird mir fehlen.“

Was wird Ihnen fehlen nach zehn Jahren Bundesliga? Woran erinnern Sie sich besonders gern?

„Das Leben in Deutschland ist natürlich schon sehr klar strukturiert. Mir werden mehrere Faktoren fehlen. Natürlich mein Umfeld, also all die tollen Leute, die ich während meiner Zeit in Deutschland kennenlernen durfte, das wird mir fehlen. Des Weiteren die Fans, das Interesse der Zuschauer, die werden mir fehlen. Und vielleicht werde ich an ganz heißen Tagen auch schon einmal den Kieler Regen vermissen.“

Können Sie sich vorstellen, nach der aktiven Karriere vielleicht mal im Handball in Deutschland zu arbeiten?

Foto: Till Achinger,  Free Images
„Ja, das wäre eine Option. Wenn es so kommen sollte, dann ist es auf jeden Fall hilfreich, dass ich jetzt nach Spanien gehe, eine neue Sprache lerne und Erfahrungen sammle. Also dass ich nicht nur in das deutsche Handballsystem involviert bin, sondern auch Vergleiche zu anderen Ligen ziehen kann. Ich glaube, das wird mich weiterbilden und weiterbringen können.“

Autor: Lothar Martin
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