Handelsketten wollen mit Politik und Wirtschaft einen besseren Konsens finden
Schon mehrfach haben wir in den verschiedensten Rubriken unserer Sendungen über das neue Einkaufsverhalten der Tschechen, über die wie Pilze aus dem Boden geschossenen Discounter, Super- und so genannten Hypermärkte berichtet. Zumeist jedoch aus der Sicht der in der Mehrzahl Zufriedenheit ausstrahlenden Kunden. Die flächendeckend weiter voranschreitende Entstehung der Einkaufscenter hat jedoch auch ihre Schattenseiten.
In gewisser Weise sollte Camplik Recht behalten, denn mehr als eine erste persönliche Kontaktaufnahme und den Austausch von Meinungen und Ansichten hatte das als Arbeitsessen deklarierte Treffen (noch) nicht zu bieten. Doch gegenüber dem kläglich gescheiterten Versuch des Landwirtschaftsministeriums, eine ähnliche Gesprächsrunde bereits im Dezember vergangenen Jahres zu organisieren, hat die Zusammenkunft ganz sicher ihren Zweck erfüllt. So sah es jedenfalls der Vizepräsident des Verbandes für Handel und Reiseverkehr, Zdenek Juracka:
"Ich meine, dass diese Verhandlung sich von der im Dezember geplanten völlig diametral unterschieden hat. Sie war gut vorbereitet, konstruktiv, sie hatte ein Programm und fand eine breite Besetzung. Das heißt, nicht nur die Vertreter aller eingeladenen Handelsketten, sondern auch die der Handelsverbände, der Gewerkschaften sowie der Agrar- und der Lebensmittelkammer waren zugegen. Und in diesem großen Kreis wurde damit begonnen, einen pragmatischen und effektiven Weg bei der Lösung der aufgetretenen Problemfragen zu suchen."
Im weiten Feld der mit den Discountern, Super- und Hypermärkten in Zusammenhang stehenden arbeits- und handelsrechtlichen Beziehungen hat sich in der Tat ein kleiner Berg an Problemfragen aufgestaut. "Die Regierung hat zum Beispiel daran appelliert, dass das geltende Arbeitsrecht gegenüber den Arbeitnehmern voll und ganz einzuhalten sei", erklärte Vizepremier Jahn nach dem Treffen vor Journalisten. Die Politiker und die Vertreter der Handelsorganisationen hätten während der Gesprächsrunde auch das Verhalten der Ketten gegenüber den Zulieferern sowie den Warenverkauf zu Dumpingpreisen thematisiert. Detaillierter und tiefgründiger mit diesen heiklen Themen wolle man sich aber erst bei der nächste Runde befassen, hieß es. Vizepremier Martin Jahn gibt sich jedoch optimistisch, dass dies schon bald der Fall sein dürfte:"Ich gehe davon aus, dass es zu einer ersten Runde der Tischgespräche innerhalb von 14 Tagen kommen wird."
Nun, eine Woche ist bereits vergangen, doch das erste richtige Arbeitstreffen ist noch nicht in Sicht. Dabei gebe es viel zu diskutieren. So zum Beispiel über die Fülle an Gebühren, die Lebensmittelproduzenten und -verarbeiter an die großen Handelsketten zu zahlen haben, um überhaupt eine Chance zu erhalten, ihre Waren dort absetzen zu können. Die Skala der offenbar unausweichlichen Aufwendungen reiche dabei von Werbe- und Regalgebühren, über so genannte Partnerschaftsbeiträge und Hilfsgebühren, bis hin zu Zeit- und Leistungsbonussen, Kompensationszahlungen bei Verlustgeschäften und vielem anderem mehr. Aber die meisten Hersteller und Zulieferer scheinen sich über diese Kosten nicht sonderlich zu beklagen. "Sicher drücken uns die Ketten die Preise nach unten, wir zahlen für die Auslieferung des Weines, die Werbeblätter und sonstiges, aber wir haben keine andere Wahl. Der Verkauf unserer Weine über Tesco macht ein Drittel unserer Erträge aus", erläutert Ivan Vana, der Besitzer der Tschechischen Winzerei Chramce, die inzwischen vorherrschende Erfolgsabhängigkeit zwischen den Produzenten und den Großverkäufern. Dominique Clauet, der Chef der Handelskette Carrefour, hat diese Verflechtung auf die einfache Formel gebracht: "Nichts ist umsonst. Das Ziel der Hersteller ist, dass sie ihre Produkte in einem guten Geschäft zu guten Preisen anbieten können. Und das ist auch unser Ziel."
Bleibt also festzuhalten, dass sich trotz der vielen Reibungspunkte, die zwischen den landwirtschaftlichen Grundnahrungserzeugern, den Lebensmittelverarbeitern und den Handelsketten bestehen, ein gewisses Strickmuster entwickelt hat, dem alle ihren relativen Erfolg zu verdanken haben. Dennoch wolle man untereinander über die von Vizepremier Jahn initiierten Gesprächsrunden einen noch besseren Konsens finden, sagte Vesselin Barliev von der Gesellschaft Tesco Stores gegenüber der Nachrichtenagentur CTK. Wie dieser Konsens aussehen soll, darüber darf man also gespannt sein. Fest steht jedoch bereits, dass die in Tschechien groß im Geschäft stehenden Gesellschaften wie Ahold, Carrefour, Globus, Tesco, Makro oder Lidl auch in diesem Jahr die Anzahl ihrer Einrichtungen und damit ihre Verkaufsflächen erweitern werden. Die Gesamtfläche aller hierzulande existierenden Einkaufscenter wird sich dadurch von gegenwärtig 1,1 Millionen Quadratmetern auf knapp 1,3 Millionen Quadratmeter ausdehnen. Mit diesem Ausmaß liegt die Tschechische Republik jedoch noch um einiges hinter der in den westeuropäischen Staaten zur Verfügung stehenden Einkaufsfläche zurück.