Havel legte Beschwerde beim Verfassungsgericht ein
Nachdem die Jahrestagung von IWF und Weltbank sowie das Dauerthema Temelin die Tschechische Republik zuletzt vor allem außenpolitisch ins Gespräch gebracht haben, sorgte Staatspräsident Vaclav Havel diese Woche auch innenpolitisch wieder für Zündstoff. Erst fühlten sich die großen politischen Parteien verärgert, als er bei der Neubesetzung des Postens des Zentralbankchefs nach vorn preschte. Und am Donnerstag legte das Staatsoberhaupt zudem eine Beschwerde beim Verfassungsgericht über das neuen Parteiengesetz ein. Näheres zu diesen Entwicklungen von Lothar Martin.
Präsident Vaclav Havel hält sich seit Dienstag mit seiner Frau zum Erholungsurlaub in Portugal auf. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, am Donnerstag über die Präsidialkanzlei eine Verfassungsbeschwerde zum Gesetz über die Vereinigung in politischen Parteien beim hiesigen Verfassungsgericht in Brno/Brünn einzureichen. Das Gesetz sieht in seiner Neufassung u.a. die Erhöhung der staatlichen Zuschüsse für die großen Parteien von einer halben Million auf eine Million Kronen für jeden Abgeordneten und Senator vor. Die kleinen Parteien hingegen, die zum wiederholten Male bei Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, sollen laut dem Gesetz leer ausgehen. Hinter dieser Regelung wittert Havel einen Verfassungswiderspruch hinsichtlich des freien Wettstreits der politischen Parteien, weshalb er das Verfassungsgericht ersuchte zu prüfen, ob nicht gerade diese Passage im Gesetz zu streichen wäre.
Präsident Havel hatte bereits im Juli eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Wahlgesetz eingereicht, das seiner Meinung nach auch wieder nur die großen Parteien begünstige. Doch das Veto des Präsidenten wurde im Abgeordnetenhaus überstimmt.
Das erneute Einschreiten des Staatsoberhauptes gegen ein verabschiedetes Gesetz veranlasste den Abgeordnetenchef Vaclav Klaus zu harscher Kritik: "Ich werte das als einen heiligen Schachzug des Präsidenten, der sich in einer dramatischen Art und Weise in den letzten Stunden und Tagen in einen von ihm geführten Zweikampf mit unserer politischen Szene hineingesteigert hat. Es gibt ganz einfach standardisierte Mechanismen, und wenn der Herr Präsident sich nun dazu entschieden hat, jedes zweite Gesetz nicht zu unterschreiben und Verfassungsbeschwerde einzureichen, obwohl er überstimmt worden ist, dann denke ich, dass wir in diesem Land nicht sehr weit kommen werden."
Dass ODS-Chef Vaclav Klaus mit seiner kritischen Ansicht nicht allein steht, belegen auch Aussagen von Politikern anderer Parteien. "Ich denke, dass dieses Gesetz weit mehr in Ordnung geht als das Wahlgesetz. Das Verfassungsgericht wird es daher sehr schwierig haben, Einwände dagegen vorzubringen," erklärte der Vorsitzende der Christdemokratischen Volksunion (KDU-CSL), Jan Kasal, womit er die Chancen auf eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde des Präsidenten sehr niedrig einschätzte.