Präsident Havel gewinnt Kampf um das Wahlgesetz

Vaclav Havel

"Havel besiegte Zeman und Klaus" und "Havel gewann den Kampf um das Wahlgesetz", hieß es auf den Titelseiten der tschechischen Tageszeitungen am Donnerstag. Denn das Verfassungsgericht hat am Mittwoch einen der wichtigsten Meilensteine des sog. Oppositionsvertrags aufgehoben. Martina Schneibergova berichtet:

Die grundlegende Rechtsnorm, an der Experten sowie Politiker der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) und der Sozialdemokraten (CSSD) zwei Jahre lang gearbeitet haben - das Wahlgesetz - wurde vom Verfassungsgericht aufgehoben. Damit haben die beiden durch das Tolerierungsabkommen miteinander verbündeten Parteien - ODS und CSSD - eine weitere Niederlage erlitten, nachdem sie im November um die Stimmenmehrheit im Senat gekommen waren. Das von der ODS und der CSSD voriges Jahr in beiden Parlamentskammern durchgesetzte novellierte Wahlgesetz sollte den großen politischen Parteien künftig mehr Macht sichern. Die Verfassungsrichter haben auf Anregung von Präsident Vaclav Havel und einer Gruppe von Senatoren der oppositionellen Viererkoalition entschieden, dass fünf der insgesamt sechs Eckpfeiler des Gesetzes verfassungswidrig sind und haben diese mit sofortiger Gültigkeit aufgehoben.

Konkret beschloss das Verfassungsgericht, folgende Bestimmungen aufzuheben: die Erhöhung der Zahl der Wahlbezirke von 8 auf 35; die neue Art der Umrechnung von Wählerstimmen auf Abgeordnetenmandate, durch welche die stärkeren Parteien begünstigt wurden; die Begrenzung der Mindestzahl an Mandaten in einem Wahlbezirk auf vier; die obligatorische Kaution bei den Wahlen ins Abgeordnetenhaus; die Reduzierung des staatlichen Zuschusses für eine Stimme von 90 auf 30 Kronen. Das Verfassungsgericht ließ jedoch die Regel für den Eintritt einer Koalition ins Parlament gelten - eine Viererkoalition muss dementsprechend beispielsweise mindestens 20% der Stimmen bekommen, um ins Parlament zu gelangen.

Der Beschluss des Verfassungsgerichtes hat zur Folge, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch ungeklärt ist, wie sich in 17 Monaten die Wahl der Abgeordneten in Tschechien gestalten wird. Die Art der Parlamentswahlen ist durch kein Gesetz geregelt, was auch die eventuelle Durchführung vorgezogener Wahlen verhindert.

Präsident Vaclav Havel stellte nach der Veröffentlichung des Richterspruchs durch das Verfassungsgericht fest: "Ich bin sehr froh, dass es so ausgegangen ist. Es ist ein Ereignis, das für das politische System sowie für die Entwicklung in unserer Republik sehr wichtig ist. Ich hoffe sehr, dass die Parlamentsparteien möglichst bald zusammenkommen und beginnen sachlich darüber zu beraten, wie Parlamentswahlen im Einklang mit dem Richterspruch des Verfassungsgerichts durchzuführen sind."

Der sozialdemokratische Vizevorsitzende des Abgeordnetenhauses Frantisek Brozik kommentierte die Entscheidung des Verfassungsgerichts wie folgt:

"Ich bin nicht enttäuscht darüber, denn ich gehöre zu den Bürgern, die den Beschluss des Verfassungsgerichts respektieren. Die Streichung des Absatzes über die 35 Wahlbezirke hängt mit der Aufhebung einiger weiterer Absätze zusammen. Die vorgeschlagene Prozentzahl, die für den Wahlerfolg einer Koalition notwendig ist, wurde beibehalten, sodass ich eigentlich zufrieden bin."