Havel: Nur Sport treiben und still schweigen hilft Tibet nicht

Protestaktionen (Foto: ČTK)

Am Ostermontag ist in der antiken Stätte von Olympia auf der griechischen Halbinsel Peloponnes das Olympische Feuer für die Spiele in Peking entfacht worden. Die Zeremonie wurde von antichinesischen Protestaktionen begleitet. Auch in Tschechien mehrt sich die Kritik am autoritären Regime in China. Bürgervereinigungen haben die einheimischen Politiker sowie die Vertreter von Staat und Verwaltung dazu aufgerufen, die Teilnahme einer tschechischen Vertretung an den Spielen in Peking „ernsthaft zu überdenken“. Und zwar für den Fall, dass China den Beginn von Friedensverhandlungen mit den Vertretern der tibetischen Exilregierung und das Suchen nach einer Lösung der Situation in Tibet ablehnen sollte.

Das Olympische Feuer geht auf die Reise nach Peking  (Foto: ČTK)
An den Protestaktionen im Hain von Olympia nahmen ca. 25 pro-tibetische Demonstranten teil, darunter auch zwei Tschechen: die Brünner Studentin Klára Vrbová und ihr Ehemann Stanislav Sedláček. Sie hätten versucht, parallel zum Fackellauf mit der tibetischen Flagge einher zu laufen, doch das sei von der Polizei unterbunden worden. Ihr Mann wurde, wie weitere acht Protestteilnehmer, für zwei Stunden eingesperrt, dann aber ohne Zahlung einer Geldbuße wieder auf freien Fuß gesetzt, sagte Klára Vrbová gegenüber Medienvertretern.

In Tschechien selbst sind mehrere Bürgervereinigungen zu der Überzeugung gelangt, dass neben den Politikern vor allem die Sportverbände weit mehr tun müssten, als nur die weltumspannende Bedeutung des Sports zu proklamieren. Vom Tschechischen Olympischen Komitee (ČOV) verlangen sie eine öffentliche Erklärung, in der den tschechischen Sportlern das Recht versichert werde, ihre Meinung zu den Menschenrechtsverletzungen in China und Tibet auch frei äußern zu dürfen. Doch genau das sei ein Problem, da sich dies nicht so ohne weiteres mit Artikel 51 der Olympischen Charta vereinbaren lasse, sagte ČOV-Vorsitzender Milan Jirásek. In diesem Artikel werde jegliche politische Propaganda untersagt, weshalb man die Absicht habe, jedem tschechischen Sportler, der für die Spiele in Peking nominiert werde, diesen Artikel ins Gedächtnis zu rufen, so Jirásek:

Protestaktionen  (Foto: ČTK)
„Eine der Möglichkeiten ist es, ihnen den abgedruckten Artikel 51 als Auszug der Olympischen Charta bei der Übernahme der Olympiakleidung mit an die Hand zu geben. Eine andere Gelegenheit dazu ist die Unterzeichnung der persönlichen Olympiaverträge. Die Sportler unterschreiben nämlich mit uns einen beiderseitigen Vertrag über ihre Olympiateilnahme, in dem Fragen zu Werbung, Marketing und dergleichen geklärt sind. In diesem Rahmen also könnte das geschehen.“

Mit anderen Worten: Die tschechischen Sportler unterliegen nicht der Schweigepflicht, sollten ihre Äußerungen aber möglichst mit Bedacht wählen.

Václav Havel  (Foto: ČTK)
Eine ganz andere Meinung dazu haben Tschechiens Ex-Präsident Václav Havel und Außenminister Karel Schwarzenberg, die im Rahmen der tschechischen Stiftung Forum 2000 gefordert haben, dass auf China wegen der Menschenrechtsverletzungen in Tibet mehr internationaler Druck ausgeübt werde. Das Internationale Olympische Komitee wird von ihnen aufgefordert, die Ausrichtung der Spiele in Peking „ernsthaft zu überdenken“. Während einer tschechischen Fernsehsendung am Ostermontag machte Havel zudem deutlich, was er von dieser Form der „politischen Nichteinmischung“ halte:

„Wenn in Peking zum Beispiel 100 Präsidenten anreisen würden, sich keiner von ihnen aber politisch äußern, sondern nur als Staffage für die olympischen Zeremonien einschließlich der pompösen Eröffnungsfeier dienen würde, dann weiß ich nicht, wie das Tibet helfen sollte. Eher ist das Gegenteil der Fall.“

Autor: Lothar Martin
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