Havel vor dem Europäischen Parlament – Ein Plädoyer für Europa
Vor 20 Jahren beendete die politische Wende in Ost- und Mitteleuropa die Bipolarität der damaligen Welt. Nach dem Fall der kommunistischen Diktaturen war der Weg frei für eine neue Phase der europäischen Integration. Der Ereignisse des Jahres 1989 gedachte am Mittwoch in Brüssel auch das Europäische Parlament. Festredner war der frühere Dissident und spätere tschechische Präsident Václav Havel.
„Die Geschichte ist natürlich nicht stehen geblieben. Umso wichtiger ist es, den Jahrestag nicht nur zu einer Reflexion der Gegenwart zu nutzen, sondern auch zu einem Nachdenken über die Zukunft.“
Gerade die Frage des Verhältnisses zwischen nationaler Souveränität und europäischer Integration habe bei den jüngsten Debatten über den Lissabon-Vertrag eine große Rolle gespielt, sagte Havel. Dabei sollten sich beide vielmehr gegenseitig ergänzen:
„Wenn ich mich als Europäer fühle, dann heißt das doch nicht, dass ich aufhöre Tscheche zu sein. Im Gegenteil: Als Tscheche bin ich auch Europäer. Etwas poetisch würde ich sagen, dass Europa die Heimat unserer Vaterländer ist.“Dies darf man wohl auch als Spitze gegen Václav Klaus, seinen Amtsnachfolger auf der Prager Burg, verstehen. Der giftet bekanntlich seit längerem, mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags verliere die Tschechische Republik ihre Souveränität. Ganz anders dagegen Havel, der die Stärkung europäischer Souveränität für alternativlos hält. Darüber hinaus könne das Erfolgsmodell Europa zum Exportschlager werden:
„Die Europäische Union hat die Chance, den Rest der Welt mit etwas noch Tieferem zu inspirieren als nur mit ihrem Modell der Zusammenarbeit von Nationalstaaten. Auch mit dem nachhaltigen Bemühen um eine Beilegung sämtlicher Konflikte hat Europa den Charakter der gegenwärtigen Zivilisation vorbestimmt und beeinflusst.“Europa selbst werde seinen Weg weiter gehen, glaubt Havel:
„Seit 20 Jahren ist Europa nicht mehr entzweit. Ich glaube fest daran, dass es sich nie mehr teilen lässt. Im Gegenteil: Es wird Raum und Initiator für immer tiefer gehende Solidarität und Zusammenarbeit sein.“