“Hic sunt (domini) canes”: Zu Besuch bei den Dominikanern in St. Aegidius (II)
Die Dominikaner ließen sich beim St. Aegidius nach 1625 nieder. Anstelle der älteren Bürgerhäuser und Gebäude des Aegidius-Kapitels bauten sie allmählich ein großes Klosterareal auf. Den größten Aufschwung erlebte das Kloster in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
„Denn zu der Zeit war hier das so genannte ´Generalstudium´ untergebracht. Das war ein Bildungszentrum für die künftigen Dominikanerprediger. Die Bibliothek umfasst einige Tausend Bände. Diese sind nach den Theologiefächern geordnet. Dank der Arbeit der Dominikaner in den vergangenen Jahrhunderten ist der Großteil der historischen Bibliothek katalogisiert. Wir arbeiten momentan am Katalog unserer gegenwärtigen Bibliothek. In der historischen Bibliothek gibt es mehrere wertvolle Werke aus dem Bereich der katholischen Exegese, also der Bibeldeutung. Die Exegese erlebte im 17. Jahrhundert einen besonderen Aufschwung. In der Bibliothek gibt es Bücher aus dieser Zeit in Latein und in Deutsch, die noch erforscht werden sollen.“
Die Dominikaner sind einst als Prediger bekannt geworden. Ist diese Vorstellung von einem Dominikanerbruder überholt oder gilt sie heute noch? Bruder Lukáš:„Die Dominikaner wären gern gute Prediger. Es gibt aber bestimmt auch andere, die vielleicht bessere Prediger sind. Wir verstehen das Predigen heutzutage in einem breiteren Kontext, nicht nur als eine liturgische Predigt, sondern auch als Unterricht oder Bildung. In der Zeit, als der Orden entstanden ist, gab es nicht viele Leute, die predigten. Denn das durften ursprünglich nur Bischöfe. Die Leute waren im Mittelalter weniger gebildet und hörten gern den Wanderpredigern zu, die ihnen etwas erzählten. Heutzutage ist es notwendig, eine andere Art des Predigens zu nutzen – in den Medien, im Internet oder auch durch das Vermitteln der Kunst.“
Nach dem Besuch der Ausstellung mit dem Titel „Hic sunt (domini) canes“ kann man auch die Aegidiuskirche besichtigen. Der Haupteingang in die gotische Kirche befindet sich in der Husova-Straße. Man kann die Kirche aber auch von der anderen Seite, vom Paradiesgarten her betreten. St. Aegidius ist ein imposanter gotischer Bau. Er habe jedoch einen romanischen Vorgänger gehabt, erzählt Bruder Lukáš:„Die erste Erwähnung der Kirche stammt vom Ende des 13. Jahrhunderts. Zu der Zeit hatte hier das so genannte ´Kollegiatkapitel´, also eine Priestergemeinschaft, seinen Sitz. An der Weihe der gotischen Kirche St. Aegidius im Jahre 1371 nahm Kaiser Karl IV. teil. Aus der Zeit der Gotik stammen die Säulen, die später im Barockstil umgestaltet wurden, sowie die Fenster. Aus der Gotik sind auch zwei Fresken erhalten geblieben. Aus der spätgotischen Zeit, als die Kirche von den Utraquisten verwaltet wurde, stammt das Kreuz vom Meister der Theyner Kalvarie, das sich links auf einem Nebenaltar befindet.“
Der Eindruck der Festlichkeit wird in der großen Hallenkirche durch die Gewölbefresken unterstrichen. Sie stammen vom Barockmaler Václav Vavřinec Reiner. Bruder Lukáš:
„Die Fresken stellen Motive sowohl aus der Geschichte als auch der Gegenwart des Dominikanerordens dar. Auf zwei Wandmalereien zu den beiden Seiten der Orgel sind Ereignisse dargestellt, die sich in Prag abspielten. Auf einer der Seiten ist es der Tod des Inquisitors Schwankenfeld, der auf dem Weg zum Beichtstuhl ermordet wurde. Im Februar wird man der Ereignisse von 1611 gedenken, als einige Klöster in Prag überfallen wurden. Bei den Franziskanern in der Maria-Schnee-Kirche wurden 15 Menschen ermordet. Die Dominikaner lebten damals noch nicht beim St. Aegidius, sondern im Agneskloster. Das wurde auch überfallen. Die Hauptfreske an der Decke soll die Dominikaner als Beschützer des Glaubens darstellen. Die Ausschmückung der Kirche wurde 1734 beendet.“
Im rechten und linken Seitenschiff schuf Reiner Szenen aus dem Leben des heiligen Dominik und des heiligen Thomas von Aquin. In der Kirche wurden nicht nur Ordensmitglieder, sondern auch einige bekannte Persönlichkeiten bestattet – wie beispielsweise der Barockmaler Václav Vavřinec Reiner oder die Ehefrau und die Kinder von Johannes Kepler, der eine Zeit lang in Prag lebte.In der Kirche werden regelmäßig Gottesdienste zelebriert. Während der Woche, wenn nicht so viele Menschen zum Gottesdienst kommen, wird die Messe in der Kapelle der Heiligen Zdislava gelesen. Der Eingang in die Kapelle befindet sich auf der linken Seite der Hauptkirche. Der kleinere Sakralraum sei im 19. Jahrhundert entstanden, erzählt Bruder Lukáš:
„Die Kapelle wurde der Schirmherrin des dritten Dominikanerordens, der damals nur seligen Zdislava geweiht. Erst 1990 wurde Zdislava heilig gesprochen. Zdislava wollte schon als Kind ins Kloster gehen. Sie heiratete schließlich aber den Adeligen Havel von Lemberg. In Nordböhmen gründete Zdislava gemeinsam mit ihrem Mann zwei Klöster: in Jablonné v Podještědí und in Turnov. Auf einem Mosaik hinter dem Altar ist die Schutzpatronin der Kranken, Zdislava, als Mutter mit Kindern abgebildet. Auffallend ist, dass Zdislavas Mann, Havel von Lemberg, auf dem Mosaik von Jaroslav Šerých dem Ex-Präsidenten Václav Havel sehr ähnlich ist.“
„Die Besucher der Kirche finden hier erstaunlicherweise keinen Kreuzweg, den es sonst fast in jeder Kapelle gibt. Dies hängt vielleicht damit zusammen, dass der Kreuzweg traditionell mehr mit der Franziskanerfrömmigkeit verbunden ist. Für die Dominikaner sind eher das Rosenkranzgebet und die Betonung der Eucharistie typisch.“
Die Ausstellung „Hic sunt (domini) canes“ ist im St. Aegidius-Kloster täglich vom April bis Oktober von 9 bis 18 Uhr und vom November bis zum März von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eingang in die Ausstellung ist in der Jilská-Straße. Führungen durch die Aegidius-Kirche und das Klosterareal werden in der Regel jeden Samstag angeboten.