Im verstaubten Karton: Barockpredigten auf Deutsch

Bibliothek im Prager Dominikanerkloster (Foto: Martina Schneibergová)

Interview mit der Philologin Jana Maroszová über alte Predigten, die im Prager Dominikanerkloster gefunden wurden.

Foto: Verlag Karolinum
Klöster waren von Anfang an nicht nur Gebetshäuser, sondern dienten zudem als Kultur-, Bildungs- oder Wirtschaftszentren. Auch das Prager Dominikanerkloster war früher ein wichtiges Bildungszentrum. Die dortige Bibliothek ist im Unterschied zu vielen anderen Klosterbibliotheken während der kommunistischen Zeit nicht aufgelöst oder beschädigt worden. Sie verbarg noch vor ein paar Jahren einige Geheimnisse. Die Philologin Jana Maroszová hat diese erforscht und ein Buch darüber geschrieben. Martina Schneibergová hat anlässlich der Buchpräsentation mit Jana Maroszová gesprochen.

Frau Maroszová, Sie haben soeben ihr Buch „Vera Mundi Lumina“ im Dominikanerkloster in Prag vorgestellt. Dieser Band enthält einige deutsch geschriebene Predigten aus der Barockzeit. Wie ist dieses Buch entstanden? Was war der Beweggrund?

„Zuerst ging die Initiative von den Dominikanern selbst aus. Ich als Germanistin wurde im Frühling 2013 von ihnen angesprochen, ob ich mir einige Archivkartons in ihrer historischen Bibliothek anschauen könnte. Ich habe zugesagt und dann festgestellt, dass dort 18 Archivkartons mit zahlreichen Einzeldrucken lagerten. Diese enthielten auch Predigten, die ich zuerst nur aufgelistet und katalogisiert habe. Dies tat ich nicht nur für meinen eigenen Bedarf, sondern an erster Stelle auch für die Dominikaner selbst und natürlich auch für mögliche Forscher, die hin und wieder in die Bibliothek kommen. Während dieser Arbeit entstand dann der Gedanke, dass ich etwas darüber verfassen könnte. Ursprünglich dachte ich nicht an ein Buch, sondern an einen wissenschaftlichen Aufsatz in einer Zeitschrift. Da ich jedoch eine Förderung erhielt, konnte das Buch entstehen.“

Jana Maroszová  (Foto: Archiv der Karlsuniversität in Prag)
Es gab in der Barockzeit verschiedene Arten von Predigten zu unterschiedlichen Anlässen. Was sind das genau für Predigten?

„Die Texte entstanden vor allem in der Barockzeit im 18. Jahrhundert. Damals war eine Predigt viel länger als heute. Die mündliche Predigt dauerte gewöhnlich über eine Stunde lang. In der Sammlung, mit der ich mich beschäftigt habe, befinden sich Gelegenheitsdrucke, wie zum Beispiel Predigten zu heiligen Festen, Hochzeiten, Primizen oder zu Begräbnissen. Solche Drucke haben meist einen Umfang von 15 bis 30 Seiten.“

Gab es auch Prediger, die besonders gefragt waren?

„Ja, gerade was diese Gelegenheitspredigten betrifft. Eine solche Predigt war ein gesellschaftliches Ereignis, deshalb wurden auch berühmte Prediger in die Kirche eingeladen. So war das auch der Fall bei den Dominikanern in der Kirche des Ägidius-Klosters. Die vorgetragene Predigt ist dann im Druck veröffentlicht worden. Meist waren die Prediger berühmte Priester, aber auch Gelehrte. Diese Praxis hielt sich sehr lange in der Barockzeit, konkret in katholischen Kreisen.“

Prediger
Wollte der Prediger das Publikum belehren, weil dieses meist nicht so gebildet war wie er?

„Was die Gelegenheitspredigten angeht, war die Belehrung nicht der Hauptzweck. Die Belehrung war vor allem für die Sonntagspredigten typisch. Da konzentrierte man sich hauptsächlich auf die Katechese. In den Gelegenheitspredigten konzentrierte man sich eher auf das Panegyrische, es waren Reden aus festlichem Anlass. Man wollte beispielsweise einen Heiligen besonders loben und auf seine Wunder und Eigenschaften aufmerksam machen.“

Wie haben Sie diese Predigten für das Buch ausgewählt?

„Das Kriterium war für mich vor allem das Dominikanische. In der Ausgabe sind also insgesamt acht Texte enthalten, nicht alle sind allerdings auf Deutsch geschrieben. Die erste Predigt von Hyacint Stixa ist ,Der unschätzbare Verlust eines großen Manns‘ überschrieben und war eine Leichenpredigt. Der Verstorbene war der Provinzial der Dominikaner im 18. Jahrhundert, Thomas Brabant. Daraufhin folgt eine weitere Predigt, die sowohl auf Tschechisch als auch auf Deutsch erschienen ist. Sie wurde von Laurentius Carl Brückner verfasst und ist eine Gelegenheitspredigt, die anlässlich einer Kirchweihe in Ostböhmen vorgetragen wurde. Des Weiteren gibt es vier Predigten auf den bekannten dominikanischen Heiligen Thomas von Aquin. Die letzte Predigt stammt von einem tschechischen Prediger und beschäftigt sich mit dem heiligen Dominikus.“

Bibliothek im Prager Dominikanerkloster  (Foto: Martina Schneibergová)
Kommen wir auf die Bibliothek zurück: Aus welcher Zeit stammt die älteste Erwähnung dieser Bibliothek? Wann erlebte sie den größten Aufschwung?

„Die älteste Erwähnung stammt aus der Mitte des 17.Jahrhunderts. Der Provinzial ordnete damals bei einem Besuch an, dass die Bücher des Konvents in einem Raum aufzufinden sein sollten. Gemäß diesem Ratschlag kamen alle Bücher in die Bibliothek. 1730 wurde dann das ganze Kloster, inklusive Kirche und Bibliothek, im Barockstil umgebaut. Das wird auch als die größte Blütezeit der Dominikaner in der frühen Neuzeit in den Böhmischen Ländern angesehen. Danach folgten der aufgeklärte Absolutismus, die Herrschaft von Maria Theresia und die Josephinischen Reformen. Die Bibliothek verlor zu dieser Zeit einige ihrer ältesten und wertvollsten Drucke. Sie werden seitdem in der heutigen Nationalbibliothek aufbewahrt.“

Bibliothek im Prager Dominikanerkloster  (Foto: Martina Schneibergová)
Wie überlebte die Bibliothek die kommunistische Zeit?

„Die kommunistische Zeit war für diese Bibliothek nicht so vernichtend wie für viele andere Bibliotheken hier in Tschechien. Viele Klosterbibliotheken und private Bibliotheken (zum Beispiel Schlossbibliotheken) wurden aufgelöst und der ganze Buchbestand wurde in größere Bibliotheken in den Großstädten verbracht. In Prag sind diesem Schicksal jedoch fünf historische Bibliotheken entgangen, darunter eben diese. Sie wurde nur der Verwaltung der Nationalbibliothek unterstellt, der Bestand blieb aber vor Ort. Nach 1989 wurde die Bibliothek dem Dominikanerorden zurückgegeben.“

Wie viele Bücher oder Bände umfasst die Bibliothek? Und welche Bereiche sind abgedeckt?

„Es sind ungefähr 9000 Bände. Davon stammt mehr als die Hälfte, 5000 etwa, aus dem 18. Jahrhundert. Zum großen Teil ist die Bibliothek natürlich theologisch orientiert, dennoch findet man benachbarte Fächer: asketische Schriften, Kirchenrechtschriften sowie Schriften, die sich mit der Rhetorik und Homiletik befassen. Es gibt aber auch zum Beispiel astronomische und medizinische Schriften sowie weltliche Literatur und historiographische Werke.“

Ist die Bibliothek auch ansonsten für Forscher zugänglich?

„Für Forscher ist die Bibliothek nur in Einzelfällen offen, da es eigentlich eine Privatbibliothek des Ordens ist. Man muss sich daher mit den Inhabern privat absprechen. Ebenfalls sollte man als Forscher genau wissen, nach was man sucht, da die Suche nicht so einfach ist.“