Radikaler Eingriff in den barocken Raum
In Klöstern wurde nicht nur gebetet, es gab in den Gemäuern schon immer viel Platz für Kultur und Bildung. Dies gilt auch für das Dominikanerkloster in der Prager Altstadt mit seiner gotischen St. Ägidius-Kirche. Nach der Wende von 1989 bekamen die Brüder ihren Bau wieder und hauchten ihm neues Leben ein. In den letzten Jahren haben die Mönche das Kloster sogar für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht – und so entstand im Prager Stadtzentrum schrittweise ein neues Kulturzentrum. Zurzeit ist im Kloster eine sogenannte künstlerische Intervention von Christian Helwing aus Deutschland zu sehen. Nach der Vernissage hat Martina Schneibergová mit dem Architekten Norbert Schmidt von der Karlsuniversität und mit Christian Helwing gesprochen.
„Wir arbeiten schon seit zehn Jahren mit dem Architekten Josef Pleskot an der Umgestaltung des Dominikanerklosters. Wir haben erstmal das neue Foyer gemacht mit dem großen weißen Lichtauge. Und dann wurde vor einem Monat der neue Eingang eröffnet. Es gibt natürlich weitere Pläne. Mit der langsamen Renovierung kam auch die Idee mit den Programmen, die hier stattfinden: Musik, Poesie, Debatten über verschiedenste Themen. Wir wollten hier von Anfang an direkt mit der Kunst arbeiten. Ausgangspunkt war zunächst eine Nische, die ursprünglich zugemauert war. Da hatten wir Künstler wie Jan Merta und Monika Immrová, die darin ihre fertigen Kunstwerke gezeigt haben. Und dann kam es zur richtigen Raumintervention von Christian Helwing. Dies ist, würde ich sagen, die radikalste Arbeit, die wir hier bisher hatten. Wir versuchen bei jeder Vernissage auch Musiker von der Hochschule für Musik in Prag einzuladen.“
Herr Helwing, Sie hatten bereits zum zweiten Mal die Gelegenheit, eine Intervention in einem Sakralraum in Prag zu gestalten. Zuvor war es in der Salvatorkirche, jetzt im Dominikanerkloster. Wir kamen Sie auf die Idee?„Ganz einfach. Das Foyer wurde von Josef Pleskot umgebaut. Doch es gibt in der Nische diesen Sicherungskasten, der gar nicht ins Bild passt. Der Raum ist ansonsten perfekt. Bisher versuchte man, diesen kleinen hässlichen Metallkasten hinter Kunst zu verbergen. Deshalb haben Norbert Schmidt und die Ordensbrüder auch mich gefragt, ob ich etwas für diese Nische machen möchte. So kam es zu dieser Intervention. Ich habe dabei den Sicherungskasten in das Zentrum meiner Arbeit gerückt. Ich habe ihn aber nicht versteckt, sondern sichtbar gemacht. Das mache ich oft, dass ich funktionale Elemente aufgreife und sie in den Mittelpunkt meiner Kunst rücke. Bei meinen Besuchen in Prag ist mir zudem immer eine Nische im Refektorium aufgefallen. Es sind dort drei barocke Fresken durch einen nachträglichen Einbau abgeschnitten worden. Man sieht nur noch zwei Drittel der ursprünglichen Bildfläche – das ist ein ziemlich brutaler Vorgang. Und ich habe sofort gedacht, ich möchte nicht nur die Nische im Foyer bearbeiten sondern auch noch die zweite Nische, weil sie eine gemeinsame Geschichte haben.“
Wie lautet diese denn?„Beide Nischen sind dadurch entstanden, dass man den Wirtschaftsteil des Klosters abgetrennt hat, wodurch die Raumdurchgänge zu Nischen wurden. Die Idee war dann, beide Nischen zu bespielen.“
Können Sie sich vorstellen, eine Intervention in einer Kirche außerhalb von Prag zu machen? Es gibt viele Kirchen die halb verlassen sind, halb zerstört, vor allem im Grenzgebiet.
„Ich bin nicht auf Prag fixiert, das hat sich einfach ergeben. Natürlich kann ich auch außerhalb der Stadt etwas machen, wenn man mich denn einladen würde. Und mein Projekt in Prag kam ja auch nur dadurch zustande, dass ich von Michael Škoda zum House of Art in České Budějovice eingeladen war. Er kennt Norbert Schmidt, die beiden haben sich ausgetauscht, und so bin ich letztlich hierhergekommen. Die Kreise haben sich geschlossen für mich, was eigentlich sehr schön ist. Ich hoffe, dass so noch weitere Projekte entstehen.“
Die Intervention von Christian Helwing ist bis November 2019 im Prager Dominikanerkloster zu sehen.