Hin- und hergeschoben – Tausende deutscher Soldaten endlich in Cheb bestattet
An die 180.000 von ihnen sind noch in den letzten Tages des Zweiten Weltkrieges auf dem Boden der besetzten Tschechoslowakei gewaltsam zu Tode gekommen. Soldaten der deutschen Wehrmacht. Ihre sterblichen Überreste wurden in Massen- Kameraden- oder Einzelgräbern beerdigt oder verscharrt. Der Volksbund deutsche Kriegsgräber Fürsorge hatte sie zumeist schon in den 90er Jahren exhumiert, um ihnen auf einem Soldatenfriedhof die letzte Ruhe zu geben. In Tschechien Friedhöfe für deutsche Soldaten zu errichten, erwies sich aber nicht immer als leicht. Eine deutsche Kriegsgräberstätte kann zu einem Politikum werden. 5000 exhumierte Soldaten wurden so jahrelang hin- und hergeschoben und zwischengelagert. Teilweise unter unwürdigen Bedingungen. Die Lösung des Problems – wenn auch keine einfache - lag im nordwestböhmischen Cheb / Eger. 1,7 Millionen Euro kostet der Umbau des Friedhofs und die Bestattung der Soldaten. Die Bestattungen stehen kurz vor dem Abschluss.
„Eine Reihe lang hoch, eine Reihe lang runter. Die Toten sind nummeriert, dass man sie auch wiederfinden kann. Ein Beispiel: Reihe eins Grab zehn. Oder nehmen wir die sechs. Das ist dann die Nummer sechs bis 57. Das war ein Kameradengrab. Und hier sehen Sie Einzeltote. Da kann man eindeutig nachvollziehen auf den Zentimeter genau, wo ist das Grab meines Angehörigen.“
Dietrich erklärt, wie der Soldatenfriedhof am Ende aussehen soll:„Sie sehen hier die Grabreihen. In die Mitte kommen die Grabkreuze für jeweils Vorderseite vier Tote, Rückseite vier Tote. Also ein Granitkreuz für jeweils acht Tote. So, und dann kommen die Namen darauf, wenn sie bekannt sind, oder eben ´Unbekannter deutscher Soldat´.“
Die Deutsche Kriegsgräberfürsorge hatte Anfang der 90er Jahre begonnen, die sterblichen Überreste der Soldaten an verschiedenen Orten in der Tschechischen Republik zu exhumieren, um sie würdig zu bestatten. Das ging einige Zeit lang gut, denn es war die tschechische Regierung, welche die Errichtung eines Soldatenfriedhofs anordnen konnte. Aber dann kamen die Probleme, wie Reinhard Führer, der Präsident des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge, berichtet:
„Dann ist die Zuständigkeit auf die örtlichen Behörden übergegangen, so dass die Regierung nicht mehr einfach anordnen konnte, wo ein Soldatenfriedhof entstehen soll. Dies führte dazu, dass die Diskussionen nun auch in der Bevölkerung stattfinden, was unter anderem auch sehr positiv ist, denn man setzt sich somit mit dem Thema auseinander. Allerdings kam es auch zu langwierigen Prozessen.“
...langwierige Prozesse, die dazu führten, dass die Särge mehrere Jahre zwischengelagert werden mussten. Unter anderem in einer stillgelegten Fabrikhalle im nordböhmischen Ustí nad labem / Aussig, wo sie auch vor zweieinhalb Jahren von Journalisten einer tschechischen Tageszeitung gefunden wurden. Ein Skandal, wie man auf beiden Seiten der Grenze fand. Nach vielen gescheiterten Versuchen, einen geeigneten Platz für einen deutschen Soldatenfriedhof zu finden, wurden in diesem Jahr die Verhandlungen mit der Stadt Cheb immer konkreter und fanden schließlich zu einem Abschluss. Eine Erleichterung auch für den deutschen Botschafter in Prag, Helmut Elfenkämper.„Ich bin dankbar dafür, dass diese Toten, die noch lange nach ihrem Tode eine Odyssee mitmachen mussten, jetzt auf diesem Friedhof nahe unserer gemeinsamen Grenze ihre letzte Ruhe finden, in dieser Stadt Cheb / Eger, deren Schicksal über die Jahrhunderte hinweg eng mit dem Schicksal Böhmens und des benachbarten Deutschlands verbunden war.“
Aber auch in Cheb stieß die Errichtung eines Friedhofs für deutsche Soldaten auf Widerstand. Bürgermeister Jan Svoboda konnte jedoch nach langen Verhandlungen eine Einigung erzielen, ist sich aber bewusst, dass das Eisen immer noch heiß ist.
„Ich bin auf meine eigene Weise froh, dass wir die deutschen Soldaten bestatten können, damit sie nach 63 Jahren endlich ihren Frieden finden. Ich bin mir aber bewusst, dass diese Bestattung deutscher Soldaten eine sehr sensible Angelegenheit ist für alle, welche die Zeiten damals noch erlebt haben. Nicht jeder kann sich damit abfinden. Diese Menschen möchte ich bitten, tolerant zu sein, damit wir den gefallenen Soldaten ihre letzte Ruhe geben können.“
Die Meinungen der Bürger auf dem Marktplatz in Cheb ist auch am Tag der Beerdigung noch geteilt. Eine ältere Frau um die 70 Jahre: „Ich bin nicht zufrieden mit der Situation. Warum bringen sie die Soldaten nicht nach Hause, nach Deutschland. Niemand hat sie hierher eingeladen.“„Mir persönlich macht das nichts aus,“ meint ein älterer Mann und macht sich nur Sorgen, ob auf dem Friedhof noch genug Platz für die Bürger von Cheb bleibt. Einen Mittvierziger scheint das Thema kaum zu interessieren: „Ich habe so viel Arbeit, dass ich das kaum verfolgt habe. Aber mir macht das nichts aus. Meine Eltern haben sich mit den vertriebenen Deutschen getroffen und jetzt sind sie die besten Freunde.“ Gleichgültigkeit, aber auch Widerstand finden sich in der Bevölkerung. Widerstände kamen aber auch aus der Politik. Die oppositionellen Sozialdemokraten im Gemeinderat sprachen sich gegen den Soldatenfriedhof aus. Die Kommunisten befüchteten einen Aufmarschplatz für Neonazis.Wegen dieser Widerstände gilt dem Bürgermeister Svoboda ein besonderes Lob, meint Tomáš Kosta, Berater des tschechischen Außenministeriums, das ebenso bei der Einigung vermittelt hat:
„Er hat eine viel schwierigere Aufgabe gehabt als wir, hier an der Grenzlinie das zu machen. Und ich glaube, er ist ein mutiger Mann.“
Mutig war aber auch Tomáš Kosta selbst. Der Großteil seiner Freunde und Familie ist in Auschwitz ermordet worden. Die Soldaten gehören zu seiner Generation. Er und sie haben unweit von Cheb das Ende des Krieges gemeinsam erlebt. Kosta als Gefangener in einem Konzentrationslager; sie als junge Menschen, die für eine grauenhafte Sache starben, sagt Kosta und steht vor den Särgen der toten Soldaten.
„Ich wünsche den Männern in den Särgen, dass sie ewige Ruhe auf diesem Friedhof finden. Sie sind auf einem tschechischen Gebiet, das auch so bleibt. - Und dass die Freundschaft der jungen Generationen alles vergessen lässt, was zwischen uns war.“