Historischer Atlas von Prag startet mit Stadtteil Liben
Historische und thematische Karten, aber auch Fotos und Begleittexte findet man in den historischen Atlanten von bislang fünfzehn tschechischen Städten, die in den letzten Jahren erschienen sind. Bis auf eine Ausnahme wurden bisher eher kleinere Städte Tschechiens auf diese Weise dokumentiert. Vor kurzem wurde jedoch der historische Atlas des Prager Stadtteils Liben herausgegeben. Und damit wurde eine Reihe von Atlanten gestartet, die die ganze tschechische Hauptstadt umfassen soll.
In den vergangenen Jahren wurden vom Historischen Institut bereits fünfzehn historische Atlanten herausgegeben, die eher kleinere Städte Tschechiens vorstellen. Die tschechische Hauptstadt Prag war jedoch noch nicht mit dabei. Die Historiker haben beschlossen, die einzelnen Prager Stadtteile in selbständigen Werken zu beschreiben. Nun ist es so weit: Vor kurzem erschien der erste historische Atlas, der Prag betrifft und er befasst sich mit dem Stadtteil Liben. Eva Semotanova dazu:
"Wir haben uns für die Zusammenstellung eines Atlasses von Liben aus dem folgenden Grund entschieden: Die internationale Kommission für die Geschichte von Städten befasste sich mit der Frage, wie man die Geschichte der großen Stadtagglomerationen bearbeiten kann. Es ist klar, dass ein solcher Atlas vielleicht mehr als 200 Landkarten und noch viel mehr Textseiten umfassen müsste. Einen mehrbändigen Atlas gibt es beispielsweise für Wien. Wir haben uns jedoch nicht getraut, mit einem ähnlichen Riesenwerk anzufangen - aus zeitlichen, aber vor allem auch aus finanziellen Gründen. So sind wir auf die Idee gekommen, zuerst in einzelnen Atlanten die einstigen Vorstädte Prags vorzustellen, also die Städte, die um den historischen Stadtkern von Prag herum liegen. Diese früher selbständigen Städte sind dann allmählich eingemeindet worden. Zuerst wurde im Jahre 1901 Liben Prag angeschlossen. Karlin, Smichov und Kralovske Vinohrady, die mit ihrer Größe mit Liben vergleichbar waren, sind bei der Entstehung von Groß-Prag, das heißt 1920, Bestandteil von Prag geworden. In Kraft trat der entsprechende Beschluss 1922."Das historische Stadtzentrum soll der Historikerin zufolge erst nach den erwähnten Stadtteilen an die Reihe kommen. Die Zusammenstellung historischer Atlanten des Prager Stadtkerns wird nach ihrer Meinung am schwierigsten sein.
Im Vergleich mit den anderen Prager Vorstädten nimmt Liben eine besondere Stellung ein. Es war ursprünglich eine auf Landwirtschaft orientierte Gemeinde mit einer Festung. Später ist hier ein Schloss erbaut worden. Im 16. Jahrhundert entstand eine jüdische Stadt in Liben - ähnlich wie sie auch in der Prager Altstadt entstanden ist. Über die Judenstadt von Liben weiß man im Allgemeinen nicht viel. Diese Stadt erlebte einen Aufschwung, aber heutzutage ist fast nichts mehr davon erhalten geblieben. Eva Semotanova hält es für wichtig, dass es im neuen historischen Atlas gelang, die Gründung sowie die Entwicklung dieser wenig bekannten jüdischen Stadt darzustellen. An alten Fotos und weiteren Dokumenten kann man sehen, wie das Gebiet, in dem sich die Juden einst in Liben niedergelassen hatten, von mehreren Überschwemmungen heimgesucht wurde. Eva Semotanova macht noch auf ein weiteres wichtiges Merkmal von Liben aufmerksam:
"Spezifisch an Liben ist des Weiteren noch seine radikale Verwandlung in eine Industrieagglomeration, zu der es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam. Damals entstanden dort die ersten Fabriken, einige sogar noch vor 1850. Liben war jedoch nicht nur ein Industriezentrum. In Liben wurden auch Anwesen erbaut, die reichen Stadtbürgern und Adeligen zur Erholung gedient haben. Von diesen Anwesen ist heute nur wenig erhalten geblieben. Diese einstigen Gehöfte haben wir auch zu dokumentieren versucht. Es gibt außerdem noch eine Reihe von technischen Sehenswürdigkeiten, aber auch Kultur- und anderen Denkmälern, die erwähnenswert sind."
Von den einst als Sommerfrische dienenden Anwesen steht immer noch das Gehöft Namens "Mazanka". Die Historikerin hält jedoch die so genannte "Kolcavka" für den schönsten Bau dieser Art, der noch erhalten geblieben ist. In dem mit einem gelben Turm verzierten Bau hat heute eine Firma ihren Sitz. Mit dem Bus ist sie von der U-Bahnstation Palmovka in einigen Minuten zu erreichen.
"Dieses Anwesen war einst eine große ruhige grüne Oase mit Orangerien. Der Besitzer züchtete dort im 19. Jahrhundert Ziervögel sowie exotische Pflanzen. Eine Zeit lang war der Bau in einem erbärmlichen Zustand. Erst am Ende des 20. Jahrhunderts wurde er gründlich renoviert und wieder belebt."
Der historische Atlas von Liben wurde vor kurzem im Schloss von Liben feierlich vorgestellt, in dem sich das Rathaus des Stadtteils befindet. Noch bis Ende November kann man in den Schlossgängen eine Ausstellung besichtigen, die die Arbeit am Historischen Atlas der tschechischen Städte Nr. 14 - dem Atlas von Liben - beschreibt.