Holpriges erstes Jahr für E-Scooter in Prag

Foto: Lenka Žižková

Seit einem Jahr gibt es sie in Prag: E-Scooter zum Ausleihen. Die grünen Tretroller werden von der US-amerikanischen Firma Lime bereitgestellt. Doch die Beschwerden häufen sich. Es geht um wildes Parken oder Verkehrsverstöße durch die Kunden. Nun ist der Lime-Manager für Tschechien, Ondřej Široký, in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks Rede und Antwort gestanden. Im Folgenden eine Zusammenfassung.

Foto: Barbora Němcová

Foto: Lenka Žižková
Man wird ordentlich durchgerüttelt auf dem kleinen E-Scooter von Lime. Nicht gerade das beste Gefährt fürs Kopfsteinpflaster in Prag. Doch sie sind mittlerweile durchaus beliebt: Insgesamt 1500 der grünen Gefährte sind über die Stadt verteilt. Ondřej Široký ist der Manager der Firma für Tschechien. Er erklärt, wie man die Roller ausleihen kann:

„Das funktioniert so, dass man erst einmal unsere App im Handy braucht. Über diese erfährt man, wo der nächste E-Scooter steht. Mit dem QR-Code entsperrt man den Scooter. Noch bevor man sich die App herunterladen kann, wird man instruiert, wie auf dem Roller gefahren wird. Das heißt, man muss die Straße oder den Radweg nutzen. Man soll mit Rücksicht parken, zum Beispiel bei Radständern. Mit einer Bank- oder Kreditkarte wird die App aktiviert, und dann kann man loslegen. Am Zielort sperrt man den Scooter wieder, und die Gesamtkosten werden von der Karte abgebucht.“

Insgesamt sieben Verkehrsregeln muss man bestätigen, bevor die App läuft. Dort heißt es übrigens auch, dass man mit Helm fahren sollte. Dass dies jemand aber beherzigen würde, lässt sich im Prager Stadtbild nicht erkennen.

Mängel in der Ausstattung

Tatsächlich sind sowohl die Bewohner als auch die Politiker in einigen Stadtteilen ziemlich genervt von den Rollern. Jan Korseska ist stellvertretender Bürgermeister von Prag 2. Der Bürgerdemokrat sagte vor drei Wochen gegenüber der Presseagentur ČTK:

„Würden die E-Scooter auf dem Bürgersteig gefahren, wäre die Sicherheit der Fußgänger bedroht. Auf der anderen Seite reicht die technische Ausstattung der Roller aber nicht für die Straße aus. Denn das Rücklicht ist viel zu tief und das Licht vorne viel zu hoch.“

Ondřej Široký  (Foto: Archiv Lime)
Der zweite Prager Stadtbezirk hat daher Ende September sogar die Nutzung der Gefährte auf seinem gesamten Gebiet verboten. Dies gilt bis auf Weiteres. Ohnehin dürfen die E-Scooter in großen Bereichen des Stadtzentrums nicht genutzt werden, denn dort ist Fußgängerzone.

Ein weiteres Ärgernis ist das Parken. Häufig werden die Roller nach der Nutzung irgendwo auf den Bürgersteig gestellt oder einfach so in eine Ecke geknallt. Außerdem stehen sie äußerst wacklig auf ihren Ständern, sie kippen dann gerne reihenweise um. Diese Probleme jedoch denkt man bei Lime bald schon in den Griff zu bekommen.

„Wir stehen in einem intensiven Kontakt mit dem Prager Magistrat und den Stadtteilen. Auch wir sehen, dass das Parken eines der größten Problemfelder in Prag ist. Unsere Philosophie ist, dass die E-Sccoter auf dem Bürgersteig abgestellt werden sollten. Dafür möchten wir aber die Installierung von Fahrradständern unterstützen. Dazu kommt: Da die Roller laut einer Anordnung des Verkehrsministeriums auf der Straße gefahren werden müssen, würden wir gerne erreichen, dass über den Winter bestimmte Parkflächen am Straßenrand für sie ausgewiesen werden. Dann wissen alle Nutzer, wo die Scooter hinkommen“, so Ondřej Široký.

Eine Million Fahrten

Foto: Archiv Lime
Prag bietet aus mehreren Gründen kein so einfaches Umfeld für E-Scooter. Außer den erwähnten Einschränkungen durch Fußgängerzonen und Holperstrecken aus Kopfsteinpflaster fehlt vor allem ein Netz an Fahrradwegen. Zudem ist die Stadt an der Moldau sehr hügelig, und einige Steigungen schaffen die grünen Stehgefährte nicht mit eigenem Antrieb. Dennoch spricht der Lime-Manager von einem Erfolg nach einem Jahr Betrieb:

„Wir sind sicher zufrieden, auch wenn wir uns dessen bewusst sind, dass sich noch mehr erreichen ließe. In diesem ersten Betriebsjahr haben wir rund eine Million Fahrten registriert. Dabei haben mehrere Hunderttausend Menschen unsere Dienste genutzt. Das ist meiner Meinung nach für eine Stadt wie Prag eine anständige Zahl, wenn man die ungünstigen Bedingungen in Betracht zieht. Damit meine ich die unzureichende Infrastruktur und in gewissem Sinn die schwierigen Beziehungen mit der Stadtverwaltung.“

Foto: Archiv Lime
Laut Široký kommt die Hälfte der Nutzer aus dem Ausland, die andere aus Tschechien.

Für die Firma ist der Betrieb relativ aufwendig. Ein kleiner Blick hinter die Kulissen…

„Die Hauptkosten entstehen für uns bei der Wartung. Wir betreiben dafür eine große Halle, in dieser werden die E-Scooter dann auch aufgeladen. Dies ist in der Regel einmal am Tag nötig, in kälteren Zeiten reicht jeder zweite Tag. Eine andere Sache ist, dass im Stadtzentrum für uns Streifen unterwegs sind. Sie stellen umgestürzte Roller wieder auf und sorgen dafür, dass diese kein Hindernis bilden. Allerdings wollen wir unser Scooter-Modell verbessern. Die überarbeitete Version soll im Laufe des kommenden Jahres nach Prag geliefert werden. Dieser Roller soll dann schneller aufzuladen sein, einen besseren Ständer haben und auch besser austariert sein, so dass er nicht so einfach umfällt.“

Foto: Archiv Lime
Ein weiteres Problem sind Unfälle. Nicht selten handelt es sich dabei um Gäste der Stadt, die nachts aus der Kneipe torkeln. Dabei gilt auf tschechischen Straßen null Promille – auch für Rad- und Rollerfahrer. Am vergangenen Freitag hielt die Polizei in Prag zum Beispiel einen Ausländer an, der in einer Einbahnstraße an einem Müllwagen vorbeigeschrammt war und dabei dessen Seitenspiegel abgerissen hatte. Der Mann hatte zwei Promille Alkohol im Blut. Wenige Tage zuvor war ein Tourist auf dem Wenzelsplatz, ebenfalls betrunken, in eine Besuchergruppe gefahren.

Betrunkene unterwegs

Die ganzen Probleme mit den Rollern haben die Politiker im Magistrat zum Nachdenken gebracht. Verkehrsstadtrat Adam Scheinherr möchte nun mit Lime eine Neuauflage der bestehenden Übereinkunft aushandeln. In der Presse sagte der Politiker von der Wählerinitiative Praha sobě unter anderem:

„Die erste Bedingung, die ich fordern werde, ist eine Haftpflicht, damit bei einem Unfall der Verletzte sofort entschädigt werden kann. Zudem werde ich auf eine Anpassung der E-Scooter für die Fahrt auf der Straße bestehen. Und ich will eine klare Regelung für das Abstellen der Roller.“

Foto: Archiv Lime
Ondřej Široký reagierte im Rundfunkinterview sehr diplomatisch auf diese Initiative:

„Das bedeutet für uns sicher viel Arbeit jetzt im Winter, damit wir eine neue Übereinkunft formulieren. Die derzeit gültige wurde noch von der vorangegangenen Führung der Stadt beschlossen. Dass der neue Magistrat nach einem Betriebsjahr eine eigene Vereinbarung möchte, ist verständlich. Wir respektieren das maximal. Mittlerweile haben wir uns auch schon mit den Zuständigen getroffen. Es werden aber weitere Gespräche folgen, sodass wir eine gemeinsame Regelung finden, die den Betrieb im kommenden Jahr verbessert gegenüber dem aktuellen Stand.“

Foto: Archiv Lime
Aber nicht bei allen Punkten der Kritik ist das einfach. So liegen beim Abstellen der Roller die Kompetenzen jeweils bei den Stadtbezirken. Der siebte Bezirk zum Beispiel ist Lime schon entgegengekommen und hat Fahrradständer aufgestellt. Die anderen haben allerdings weiterhin Vorbehalte. Und wie sollen die Rollerfahrer dazu gebracht werden, die Verkehrsregeln einzuhalten – vor allem wenn sie in ihren Heimatländern vielleicht andere gewöhnt sind? Seit Anfang des Jahres hat die Polizei in Prag weit über 2000 Verstöße durch die Scooter-Piloten aufgenommen. Meist wurde auf dem Bürgersteig gefahren. Laut dem Lime-Manager steht sogar zur Debatte, ob für Wiederholungstäter nicht der Zugriff auf die Roller gesperrt werden könnte.

„Wir denken darüber nach, dass wir Nutzer bei Verstößen gegen die Regeln von unseren Diensten ausschließen. Prinzipiell ist das möglich, aber in Abhängigkeit von der Schwere des Vergehens“, so Široký.

Lime bietet übrigens seine E-Scooter in 120 Städten rund um den Globus an. Begonnen hatte alles im sonnigen Kalifornien, konkret in Santa Monica und in San Francisco.