Homebrewing: Der neue Bier-Trend in Tschechien?
Bier selbst brauen, das ist aktuell ein großer Trend – auch in Tschechien. Immer mehr Menschen besorgen sich hierzulande die Zutaten und stellen in den eigenen vier Wänden kreative Brauerzeugnisse her.
Der Trend des sogenannten Homebrewings, also Bier zuhause selbst brauen, ist aktuell im Kommen. Und auch in der Biernation schlechthin, in Tschechien, finden sich mittlerweile einige Fans.
Auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind Tomáš Hochman und Miroslav Ostrý. Die beiden betreiben in der Prager Innenstadt ein Geschäft, in dem der komplette Bedarf für Heimbrauer angeboten wird. Für Radio Prag International schildert Hochman, wie es dazu kam:
„Mirek und ich haben uns bei einem Bewerbungsgespräch in einem Gourmet-Restaurant kennengelernt. Ich habe Arbeit gesucht und er war dort als Manager angestellt. Während des Gesprächs stellten wir fest, dass wir das gleiche Hobby haben: nämlich selbst Bier zu brauen. Dann kam eines zum anderen. Wir sind Freunde geworden. Und während der Corona-Pandemie, als die Restaurants geschlossen hatten und wir selbst ständig zuhause gebraut haben, fassten wir den Entschluss, dass wir die Prager Homebrewing-Szene unterstützen wollen.“
Das Sortiment: Hefe, Malz, Schläuche, Kühlapparaturen
Zunächst richteten die beiden einen Online-Shop ein. Und seit ein paar Monaten nun betreiben sie ihr Ladengeschäft auf der Kleinseite. Es trägt den Namen „Pivo a tak“ (zu Deutsch: Bier und so).
„Wir verkaufen keine Töpfe, die müssen die Hausbrauer selbst daheim haben. Alles andere aber bekommen sie bei uns“, sagt Ostrý.
Neben umfangreichem Zubehör wie Schläuchen, Reinigungsmitteln und Kühlsystemen werden dabei natürlich vor allem die Zutaten für das Bier angeboten. So etwa Hopfen. Säuberlich abgepackt und alphabetisch sortiert findet man die verschiedenen Sorten in einem unbeleuchteten Kühlschrank im hinteren Teil des Ladens, in den Ostrý führt…
„Wir bieten ein breites Portfolio der populärsten Sorten an. Sie stammen etwa aus Amerika, Neuseeland, Deutschland und natürlich aus Tschechien. Die Kunden finden hier den richtigen Hopfen für jedes nur denkbare Rezept.“
Eine ähnliche Vielfalt gebe es beim Malz, beschreibt der Ladeninhaber:
„Wir bieten vor allem die Marke Bestmalz aus Heidelberg an. Vor Kurzem sind auch Produkte von Crisp hinzugekommen, etwa ihre speziellen Malze Maris Otter oder Haná Heritage. Wir versuchen, das Angebot ständig zu erweitern. So verkaufen wir nicht nur Basismalze wie Pilsner, Pale-Ale-, Weizen-, Münchner und Wiener Malz. Es gibt bei uns auch Spezialmalze, also Sauer-, Rauch-, Melanoidin- und Karamellmalze. Auch wirklich komplexe Rezepte stellen somit kein Problem dar.“
Doch mit diesen Grundstoffen hört die Zutatenliste für die meisten Heimbrauer noch nicht auf. So manch einer will nicht nur nach den trögen, althergebrachten Traditionen brauen und sich schon gar nicht nach dem Reinheitsgebot richten. Auch an diese kreativeren Kunden hat man bei Pivo a tak gedacht, schildert Ostrý:
„Ich mag die belgischen Biere sehr gern, also Wit-, Blonde- und Trappistenbiere. Deshalb haben wir auch Gewürze im Sortiment wie etwa Koriander, Zitronengras oder Orangenschale.“
Mehr als nur ein Laden
Die beiden Ladenbesitzer scheinen mit ihrem Geschäft einen Nerv getroffen zu haben, meint auch Hochman:
„Homebrewing ist tatsächlich ein Trend, wenngleich kein komplett neuer. In Tschechien erleben Craftbeer und kleine Brauereien derzeit einen starken Aufschwung. Damit geht einher, dass neue Stile probiert werden, und die Leute versuchen, diese auch selbst zuhause zu brauen.“
Wenn man den Laden von Miroslav Ostrý und Tomáš Hochman betritt, dann sieht man die verschiedenen Zutaten aber erst auf den zweiten Blick. Vielmehr fallen die Kühlschränke an den Wänden ins Auge. Durch die Glasscheiben lächeln einen bunte Etiketten an. Angeboten wird hier ein breites Portfolio heimischer und internationaler Craftbeer-Brauereien. Es sind die wildesten Sorten, die man sich nur vorstellen kann.
Das Ganze hat seinen Zweck. Denn Inspiration von anderen zu bekommen, sei essentiell für das eigene Bierbrauen, betont Ostrý:
„Wenn mich ein neuer Stil anspricht, denke ich darüber nach, ob ich das auch brauen könnte und wie das Bier wohl schmecken würde. Ich lasse mich also von anderen Kreationen inspirieren und versuche, diese dann zuhause nachzubrauen.“
In Zukunft wollen die beiden Ladenbesitzer dann auch nicht nur Bier aus Flaschen anbieten, sondern zusätzlich eine Zapfanlage aufbauen. Der Charakter einer „Pivothek“ solle aber erhalten bleiben, keinesfalls wolle man eine ganz normale Kneipe werden, so der überzeugte Standpunkt von beiden.
Aber ein gänzlich gängiger Laden ist Pivo a tak auch nicht. Ostrý und Hochman führen in den Keller des Geschäfts. Jeden zweiten Mittwoch werden dort Verkostungen veranstaltet.
„Wir stellen nur die neuesten Kreationen der tschechischen Craftbeer-Szene vor. Die Leute können alle 14 Tage kommen, immer etwas Neues verkosten und sich mit anderen darüber austauschen“, so Ostrý.
Mitunter würde man zu den Veranstaltungen auch Braumeister einladen, die ihre Kreationen vorstellen und erklären. Doch das sei noch nicht alles, sagt Hochman:
„Wir bieten ebenso Treffen von Heimbrauern an. Sie bringen ihre Proben mit, und dann wird sich detailliert darüber unterhalten, wie was gebraut wurde und wer welche Kreation bei einem Wettbewerb eingereicht hat. Die Biere werden gegenseitig verkostet und Erfahrungen ausgetauscht.“
Die Heimbrauer geben sich gegenseitig Feedback
Für die Homebrewing-Szene hat man zudem noch eine weitere Möglichkeit des Austauschs geschaffen. Es handelt sich dabei um einen Kühlschrank, der im Verkaufsraum aufgestellt ist. Die Etiketten dort sind nicht so bunt und teilweise handgeschrieben. Ostrý erklärt das Konzept:
„Der Heimbrauer bringt sein Bier hierher und stellt es mit einer Karte, auf der seine Kontaktdaten stehen, in den Kühlschrank. Und im Gegenzug kann er sich ein Bier herausnehmen, dieses zuhause verkosten und jemandem Feedback geben. Die Brauer können sich so untereinander vernetzen und ihr Know-how austauschen. Zu verkaufen sind diese Biere aber nicht. Man muss ein Selbstgebrautes abgeben, um sich ein anderes nehmen zu können.“
Schade. Denn ich würde auch gern eine der hausgemachten Brauereispezialitäten probieren, habe aber natürlich selber kein eigenes Bier in petto. Doch ich höre mich im Bekanntenkreis um – und werde fündig: Eva Brychtová braut im fünften Stock eines Prager Mietshauses ihr eigenes Bier. Perfekt. Ich statte ihr einen Besuch ab.
Bier brauen im Wohnzimmer
Eva nimmt mich mit in ihr Wohnzimmer. Auf einem kleinen Tisch steht da ein Kochtopf, daneben auf dem Boden ein Fass. „Mehr braucht man eigentlich nicht“, sagt Eva.
Dreimal habe sie bisher gebraut. Eine besondere Herausforderung sei dabei die Raumtemperatur:
„Im Sommer ist es hier oben im fünften Stock sehr heiß. Das ist ein Problem, denn zum Brauen darf es nicht zu warm sein und die Temperatur muss konstant bleiben. Deshalb brauen wir eher im Winter.“
Aber wieso haben sich Eva und ihr Freund eigentlich entschieden, selbst Bier herzustellen?
„Wir wollten das schon lange machen. Wir besuchen gern mit dem Fahrrad verschiedenste Brauereien. Ich liebe die Atmosphäre dort und wollte einen Teil davon auch bei mir zuhause haben. Außerdem riecht es sehr schön, wenn gebraut wird.“
Sonderlich zeitaufwendig sei das Hobby mit Ausnahme des eigentlichen Brautages nicht. Vor allem müsse man Experimentierfreude mitbringen, so Eva. Und: „Man darf nicht enttäuscht sein, wenn es mal nicht so klappt, wie man es sich vorgestellt hat.“
Obergärige Biere gelingen am einfachsten
Das Bier, das die Hobbybrauerin und ihr Freund herstellen, ist kein typisches Lager, wie man es in Tschechien in so gut wie jeder Kneipe bekommt:
„Diese Sorte ist eigentlich die schwierigste. Wir machen stattdessen obergärige Biere, die sind viel einfacher zu brauen. Und sie dauern auch nicht so lange. Wie der Name schon sagt, muss ein Lager lange gelagert werden. Unser Bier hingegen ist in zwei, drei Monaten fertig.“
Evas großer Traum ist, selbst ein besonderes Bier zu brauen. „Alkoholfreies mag ich sehr gerne, weil ich oft Rad fahre und so in den Brauereien die jeweiligen Biere verkosten kann. Aber ich glaube bis zum eigenen nicht-alkoholischen Bier ist es noch ein weiter Weg. Das, was uns bisher gelungen ist, hatte immer sehr, sehr viel Prozente.“
Aber wie schmeckt es denn nun, Evas selbstgebrautes Bier? Sie nimmt eine Flasche aus dem Kühlschrank und öffnet sie. Ich nehme auf dem Sessel Platz, sie auf dem Sofa. Das Gebräu riecht nicht nur gut, es schmeckt tatsächlich auch vorzüglich. Und Eva hat nicht zu viel versprochen… verdammt stark ist ihr Bier auch noch.