Humorvolle Geschichte der Illustratorin Lucie Seifertova
Nicht schulmäßig belehrend und langweilig, sondern amüsant und fesselnd - so könnte man die Geschichtsbücher der tschechischen Illustratorin und Malerin Lucie Seifertova am besten charakterisieren. Mit der jungen talentierten Künstlerin, die vor kurzem mit dem renommierten tschechischen Buchpreis "Magnesia Litera" für ihr originelles Kinderbuch prämiert wurde, hat sich Lucie Drahonovska getroffen. Mehr dazu hören Sie jetzt in unserem heutigen Kultursalon.
"Ich bemühe mich stets, meine Bücher mit möglichst vielen Informationen sowie mit vielen Geschichten zu füllen. Dabei achte ich jedoch darauf, dass der große Informationsschub den Leser nicht überwältigt, damit das Buch nicht allzu schwer und fade wirkt. Denn genauso, wie bereits die Geschichte an sich häufig sehr amüsant ist, darf auch ein Buch über die Geschichte nicht langweilig sein. Daher versuche ich dem Leser eben die amüsante Seite der Geschichte zu vermitteln. Also leihe ich mir aus Büchereien viele Bücher aus, lese sie mit großer Freude und suche mir aus den Geschichtsquellen gerade das Interessante und Kuriose aus."
Doch die Bücher sind nicht allein durch den Erzählstil der Autorin sowie durch deren charakteristischen Zeichenstil, mit dem sie ihre etwas länglichen, eierförmigen Figuren zum Leben weckt, in der Tat eigenartig. Denn wenn man Seifertovas Buch über die "Geschichte des tapferen tschechischen Volkes" auseinander klappt, misst sie ganze neun Meter! Und damit die einzelnen Kapitel beim Lesen brav zusammen halten, sind sie mit einer rot-blau-weißen Schleife nach der Art der tschechischen Trikolore zusammen gebunden.
Auch wenn Lucie Seifertova ihre Bücher meist gemeinsam mit ihrem Mann, dem Sänger Pancho, im Eigenverlag herausgibt, leistete sie sich bei ihrem jüngsten Buch einen Herstellungs- und Kostenluxus: Sie gestaltete ein Buch mit beweglichen Figuren. Schließlich konnte sie es nur "aufgrund ihres Dickschädels", wie sie selbst sagt, erscheinen lassen. Und wohin wird uns ihre Geschichte dieses Mal bringen? Schon die ersten Seiten ihres Buches werden es uns gleich verraten:
"In der königlichen Stadt Prag gibt es einen geheimnisvollen Ort, den man die 'Jüdische Stadt' nennt. Hier lebte vor 400 Jahren der weise Rabbi Löw. Es werden über ihn viele unglaubliche Geschichten erzählt, doch die geheimnisvollste von ihnen handelt davon, wie er aus Lehm den Golem erschaffen hat ..."
Ja, richtig, in das Prager Ghetto, in dem der sagenumwobene Jehuda Löw bar Beza-lel am Ende des 16. Jahrhunderts zum Schutz der Prager Juden den hünenhaften Golem erschaffen hat. Und warum hat sich Lucie Seifertova entschieden, gerade diese wahrscheinlich berühmteste Prager Sage mittels ihrer Bilder nachzuerzählen?
"Als ich Geschichte studierte, fand ich viele Themen, die man in Büchern einzeln nacherzählen könnte. Darunter war auch der Golem. Und da ich vorher Bücher über die Prager Burg sowie über tschechische Burgen und Schlösser gemacht habe, schien mir die Golem-Geschichte als eine Fortsetzung dieser Reihe passend zu sein. Auf diese Weise war ich darüber froh, dass ich nun eine einzige Geschichte in einem Buch nacherzählen kann. Und es freut mich sehr, dass ich das durchgesetzt habe, obwohl es ein sehr aufwendiges Buch mit beweglichen Figuren ist."
Bei ihrer persönlichen Darstellung des Golem hat sich Lucie Seifertova auf dessen Beschreibung in den unterschiedlichsten Geschichtsquellen gestützt. Daher sieht ihr Golem etwas anders aus, als man ihn in Tschechien vor allem aus dem zweiteiligen tschechischen Kultfilm "Des Kaisers Bäcker" und "Des Bäckers Kaiser" von 1951 mit dem exzellenten Schauspieler Jan Werich in der Doppelrolle kennt. Worin unterscheidet sich also Lucie Seifertovas Golem von der populären Filmvorlage?
"Dieser Film hat verursacht, dass sich jeder unter dem Golem einen riesengroßen Ofen vorstellt, zu dem der Golem am Ende des Films in der Tat umfunktioniert wurde, um seine riesige Kraft für die Menschen sinnvoll zu nutzen. Doch mit dem Golem war es in der jüdischen Legende anders. Ich habe also versucht, eine Figur zu schaffen, die sich der alten Sage am meisten annähert. Mein Golem ist daher eine Gestalt aus Lehm, die jedoch wie ein ganz normaler Mensch aussieht. Und was sein Pergamentröllchen mit dem unaussprechlichen Namen Gottes betrifft, das ihn jedes Mal belebt, so habe ich ihm dieses gemäß der Legende in den Mund gelegt - genauso wie es auch der Rabbi Löw gemacht haben soll. Beim Lesen bin ich auf mehrere Versionen gestoßen, denn in der Welt sollte es mehrere Golem-Gestalten geben - zum Beispiel in Galizien oder in Spanien. Doch ich entschied mich für die Prager Legende, denn sie beschreibt den Golem am genauesten, und es hat sich davon auch das Meiste erhalten."
Je nach Land variieren daher die unterschiedlichen Golem-Legenden nicht nur in dessen Belebungsart, sondern auch in der Form, wie der Golem schließlich wieder zu Lehm wurde. Auch den Ort, an dem er bis heute ruhen und auf seine Auferstehung warten soll, ist selbst in Prag unklar. Laut Legende sollen sich Golems Überreste auf dem Dachboden der Altneusynagoge befinden. Dass sie dort bis jetzt weder vom rasenden Reporter Egon Erwin Kisch noch von seinen neugierigen Nachfolgern gesichtet werden konnten, ist für Lucie Seifertova leicht erklärbar:
"Es waren zwar Journalisten dort, doch es war ihnen nicht bewusst, dass der Golem am Hals ein Amulett trägt, das ihn unsichtbar macht. Also er liegt vielleicht die ganze lange Zeit dort, doch er ist für uns nicht zu sehen."
Wer sich also mit der Geschichte des Prager Golems näher vertraut machen möchte, der sollte unbedingt Lucie Seifertovas "Golem-Buch" zur Hand nehmen. Denn parallel zur tschechischen Ausgabe ist Golem, genauso wie auch andere Geschichtsbücher Lucie Seifertovas, auch auf Deutsch, Englisch, Russisch und Französisch erschienen. Eine spanische Version ist derzeit in Vorbereitung. Und keine Sorge. Auch wenn Seifertovas Geschichtstitel von typisch tschechischen Anspielungen nur so sprudeln, ist sich die Autorin über die Qualität der jeweiligen Sprachversionen ganz sicher:
"Ich denke, dass wir großes Glück mit unseren Übersetzern gehabt haben. Es handelt sich bei ihnen um Muttersprachler. Das ist wichtig, da sich viele Anekdoten in meinem Buch nur mit größtem Einfühlungsvermögen übersetzen lassen. Und das haben sie bewiesen. Dass das Ergebnis dermaßen gut ist, freut mich wirklich sehr."
Eine andere Möglichkeit, in die poetische Welt Lucie Seifertovas einzutauchen, bietet nicht nur ihre persönliche Internetseite - www.seifertova.cz - sondern auch die kommende Leipziger Buchmesse. Denn der tschechische Buchverband "Svet knihy" - auf Deutsch "Die Buchwelt" - hat die talentierte Illustratorin beauftragt, 2005 den tschechischen Bücherstand in Leipzig zu gestalten. Einen Vorgeschmack darauf wird die Ausstellung Lucie Seifertovas im Pantheon des Nationalmuseums in Prag bieten, wo im September dieses Jahres überdimensionale, zwei Meter hohe begehbare Buchmodelle der Künstlerin präsentiert werden.