Initiator der Babyklappe: 122 abgelegte Babys zeigen, dass etwas nicht stimmt

Foto: Kacir, Wikimedia CC BY 3.0

Seit zehn Jahren gibt es in Tschechien Babyklappen. Die erste Klappe wurde 2005 an der Geburtsklinik im Prager Stadtteil Hloubětín eingerichtet. Mittlerweile bestehen 65 Babyklappen im ganzen Land, in 40 von ihnen konnten insgesamt 122 Säuglinge gerettet werden. Die Möglichkeit „unerwünschte Kinder in andere Obhut zu geben“ stieß anfangs auch auf nicht geringe Kritik, und noch in seinem Jahresbericht 2011 sprach sich der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes gegen die Klappen in Tschechien aus. Der Initiator der Babybox, so der tschechische Begriff, aber hält seine Argumente dagegen.

Ludvík Hess am Babybox  (Foto: ČT24)
Symbolisch am Internationalen Kindertag wurde vor zehn Jahren in Tschechien die erste Babyklappe zur Nutzung übergeben. Für den Begründer der Einrichtung, Ludvík Hess, war dies eine Selbstverständlichkeit:

„Die Einrichtung eines Körbchens zum Ablegen von nicht erwünschtem Nachwuchs, das gehört schon seit jeher zur Geschichte der menschlichen Gesellschaft.“

Marmorplatte im italienischen Florenz,  wo man Kinder schon im Jahre 1445 hinterlassen konnte  (Foto: Richardfabi,  Wikimedia Public Domain)
In den Geschichtsbüchern ist die Rede davon, dass man unerwünschte Säuglinge in früheren Jahrhunderten zum Beispiel in Klöstern abgab oder auf einer Marmorplatte in der Kirche ablegte. Bildlich erwähnt wird zum Beispiel eine Einrichtung im italienischen Florenz, wo man solche Kinder schon im Jahre 1445 quasi an der Pforte hinterließ. Trotz des Anknüpfens an alte Traditionen ist Hess nicht unbedingt begeistert, diese Praxis auch heute noch nach fortsetzen zu müssen:

„Ich sage niemals, dass ich damit Leben rette, aber ich sage, dass ich Schutzlosen helfe, in ein neues Leben zu treten. In gewissen Fällen rette ich auch ihr Leben. Dass Mütter ihre Sprösslinge an der Babyklappe abgeben, halte ich für ein korrektes Handeln, ohne diese Mütter dafür zu loben. Gewiss aber handeln sie seriöser als jene Mütter, die ihr Kind zum Beispiel auf einer Parkbank ablegen.“

Von der Freigabe der ersten Babyklappe bis zu ihrer erstmaligen Nutzung aber vergingen noch neun Monate. Im Februar 2006 wurde hier der erste Säugling abgelegt. Der Chefarzt der Geburtsklinik, Petr Pícha, erinnert sich:

Petr Pícha  (Foto: ČT24)
„Für uns war das natürlich eine Überraschung. Als aber das Alarmsignal ertönte und damit verkündete, dass in der Klappe etwas im Körbchen liegt, funktionierte alles so, wie es sein sollte. Der Säugling wurde binnen 28 Sekunden dem Körbchen entnommen, es war ein Mädchen, das völlig gesund war. Und das System der umfassenden Säuglingsbetreuung wurde erstmals in Gang gesetzt.“

Seitdem wurden weitere 121 Babys auf die gleiche Weise versorgt, der Statistik zufolge waren es insgesamt 72 Mädchen und 50 Jungen. Diese Kinder haben mittlerweile auf verschiedene Weise ihren Weg ins Leben gefunden, dennoch äußerte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes 2011 seine „ernste Beunruhigung“ über diese Praxis in Tschechien. Laut der UN-Kinderrechtskonvention hätten diese Kinder schließlich auch das Recht auf ihren ursprünglichen Geburtsnamen, ihre Identität, Staatsangehörigkeit sowie die Möglichkeit, die leiblichen Eltern kennenzulernen, kritisierte der Ausschuss. Für diese Kritik habe er wenig Verständnis, zumal die Babyklappe mit dazu beitrage, das Leben von Kindern zu retten, sagt Hess. Von Kindern, deren Mütter sehr häufig in einer Zwangslage stecken und das Schicksal ihrer Nachkommen daher lieber anderen überlassen. Eine Sache aber gibt Hess dann doch zu denken: Im benachbarten Deutschland, in dem über 80 Millionen Menschen leben, gibt es gegenwärtig etwas über 90 Babyklappen. In der Tschechischen Republik, die nur 10 Millionen Einwohner hat, sind es seit Montag bereits 65. Auch deswegen hat Hess seit der Umsetzung seiner Initiative schon mehrfach über bestimmte Zustände im Land nachgedacht:

Foto: Kacir,  Wikimedia CC BY 3.0
„Die ersten Kinder, die in einer Babyklappe abgelegt wurden, waren für mich zunächst eine gewisse Genugtuung. Dass es jedoch so viele geworden sind, halte ich für eine traurige Entwicklung. Denn es zeugt davon, dass in der tschechischen Gesellschaft etwas nicht ganz in Ordnung ist.“