Innere Ruhe zur Graswurzelarbeit - Václav Havel zum 70. Geburtstag

Zygmung Bauman (links) und Vaclav Havel (Foto: CTK)

Viele Jahre galt Vaclav Havel im Ausland als Synonym für Tschechien. Oder eigentlich umgekehrt. Tschechien war quasi Vaclav Havel. Und ist es für manch einen vielleicht immer noch. Ein ziemlich idealtypisches Tschechien.

Zygmung Bauman  (links) und Vaclav Havel  (Foto: CTK)
Viele Jahre galt Vaclav Havel im Ausland als Synonym für Tschechien. Oder eigentlich umgekehrt. Tschechien war quasi Vaclav Havel. Und ist es für manch einen vielleicht immer noch. Ein ziemlich idealtypisches Tschechien.

Auch mein Tschechienbild begann bei Vaclav Havel. Vor meinem ersten längeren Aufenthalt in diesem Land, 1999, las ich aufmerksam einige Bände mit seinen Reden und Essays. Am meisten beeindruckte mich damals, wie stark sich Havel in seinem Denken und Handeln an übergeordneten inneren Werten orientierte und dass er stets das große Ganze im Blick zu haben schien. Und gleichzeitig Tag für Tag mutige "Graswurzelarbeit" leistete - wie es der polnische Soziologe Zygmunt Baumann kürzlich treffend auf den Punkt brachte.

Graswurzelarbeit im Alltag, das große und Ganze im Hinterkopf - diese Kombination fand ich auch in der Stiftung Europäisches Comenium in Cheb/Eger wieder. Deren Leiter, Frank Boldt, bemühte sich tagtäglich, durch die Arbeit seiner Stiftung das von Prostitution und Einkaufstourismus geprägte Bild der tschechisch-deutschen Grenzregion um ein paar positive Züge zu bereichern. Dazu gehört viel Idealismus und viel Geduld.

In seinem neuen Buch "Bitte kurz fassen", das demnächst auch auf Deutsch erscheint, schreibt Vaclav Havel, er habe überhaupt keine Angst vor dem Tod; was ihn aber schrecklich störe, sei die Gefahr, ein Durcheinander zu hinterlassen. Ich wünsche Vaclav Havel, dass er die Zeit und innere Ruhe findet, das was ihn beschäftigt, zu Ende zu denken, aufzuschreiben, weiterzuerzählen. Dass er dem Geschehen weiterhin einen Namen gibt und es mitgestaltet. Ohne innere Ruhe und Disziplin hätte er wohl in den 70er Jahren kaum seinen mutigen Protestbrief an den kommunistischen Staatspräsidenten Husak geschrieben. Havels ständige Suche nach innerer Ruhe ist für mich eine seiner wichtigsten Botschaften. Und darin ist er, wie ich finde, heute aktueller denn je - in einer Zeit, in der alles immer beliebiger wird und sich viele Menschen am liebsten ablenken und treiben lassen statt selber eine Richtung vorzugeben.

Frank Boldt ist am Dienstag im Alter von 64 Jahren gestorben; sein Tod kam ziemlich plötzlich und er hat sicherlich vieles von dem, was er sich vorgenommen hatte, nicht mehr zu Ende bringen können.