Invasion 1968: eine Frage der Interpretation?

Niederschlagung des Prager Frühlings (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Kommunisten-Chef Filip hat mit einer Aussage zum Jahr 1968 für Aufsehen gesorgt. Demnach ist nicht Russland für den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen verantwortlich, da Breschnew Ukrainer war. In der Diskussion geht es aber nicht nur um die Geschichte.

August 1968 | Foto: Tschechischer Rundfunk

Der Vorsitzende der Kommunisten, Vojtěch Filip, hat in einem Interview für den Londoner „Guardian“ unter anderem über die Ereignisse vom Jahr 1968 in der Tschechoslowakei gesprochen. Besonders diese Aussage sorgte in Tschechien, aber auch viel weiter im Osten, für heiße Gemüter:

Vojtěch Filip,  foto: Luboš Vedral,  ČRo
„Niemand schreibt, dass das Ganze auf den Füßen eines anti-russischen Standpunktes steht. Im sowjetischen Politbüro war zu jener Zeit ein einziger Russe, und der hat gegen die Invasion gestimmt. Breschnew kam aus der Ukraine, und der Hauptanteil der Invasionstruppen waren Ukrainer.“

Filip bekräftigte seine Aussage später noch einmal für tschechische Medien, präzisierte sie aber:

„Aus den historischen Dokumenten geht hervor, dass Leonid Breschnew Ukrainer war, und er hat bei der Abstimmung im Politbüro für den Einmarsch gestimmt, genauso wie alle anderen Ukrainer und weitere Funktionäre der übrigen Nationalitäten. Das russische Mitglied stimmte dagegen, dasjenige aus Litauen enthielt sich. Hier wird immer verbreitet, dass die Russische Föderation alleinig für die Invasion in die Tschechoslowakei verantwortlich gewesen sei. Es gibt aber 15 Nachfolgestaaten der Sowjetunion, und alle hatten ihren Anteil daran.“

In Tschechien waren die Reaktionen auf Filips Aussagen scharf. Vor allem die konservative Opposition warf dem Kommunisten Geschichtsklitterung vor. Auch Premier Andrej Babiš (Partei Ano) reagierte auf Twitter, Zitat:

„Für die Tschechoslowakei war die Okkupation von 1968 eine der größten Tragödien in der Geschichte. Dabei ist es ganz gleich, welcher Nationalität die Mitglieder des Politbüros oder die einzelnen Soldaten waren.“

Filip Blažek,  foto: Zuzana Kalkusová
Ähnlich äußerte sich die Präsidialkanzlei. So twitterte der Sprecher von Präsident Miloš Zeman:

„Die Okkupation war ein Verbrechen. Die Meinung des Präsidenten zu den Ereignissen von 1968 bleibt unverändert.“

Gegenwind gab es aber auch aus der eigenen Partei. Der kommunistische Abgeordnete Jiří Dolejš bezeichnete in einem Tweet die von Filip angestoßene Diskussion als unnötig. Es wäre so, als ob man die Slowakei für die Politik von Andrej Babiš verantwortlich machen würde, erklärt Dolejš. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk fügte der Parlamentarier hinzu:

„Die Ukraine für den Einmarsch in die Tschechoslowakei verantwortlich zu machen, ist absurd“, so Dolejš. Der Historiker Petr Blažek vom Institut zum Studium totalitärer Regime sieht aber einen ganz anderen Beweggrund für Filips Aussagen zum Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968:

„Auf der einen Seite wollte sich Filip im Zuge des 50. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings sichtbar machen. Auf der anderen Seite will er die Rolle der heutigen Ukraine auf der Krim infrage stellen. Filip will die derzeitige Okkupation der Krim durch Russland von den damaligen Ereignissen trennen und davon ablenken.“

Dementsprechend wurden die Aussagen des tschechischen Kommunisten-Chefs auch in der Ukraine und Russland wahrgenommen. Während ukrainische Medien deutlich empört reagierten, werteten Moskauer Blätter und Portale den Standpunkt Filips als Freispruch.