Kommunist schockt mit Aussagen über 1968
Bei einem Interview im Tschechischen Rundfunk hat sich der kommunistische Abgeordnete Stanislav Grospič zu 1968 geäußert. Dabei relativierte er die Folgen des Einmarschs durch die Truppen des Warschauer Paktes. Das hat zu einem Aufschrei in der tschechischen Öffentlichkeit geführt.
Die Kommunisten stimmten – bis auf einen Abgeordneten – jedoch dagegen. Zuvor hatte der stellvertretende Parteivorsitzende Stanislav Grospič im Tschechischen Rundfunk unter anderem folgende Worte gesagt:
„Die grundlegende Prämisse ist aus unserer Sicht, dass es sich damals nicht um eine Okkupation gehandelt hat. Es war ein tragischer Moment, es war nicht richtig, das haben wir schon viele Male gesagt. Aber die tschechoslowakische Armee und die Sicherheitskräfte wurden nicht entwaffnet und die Staatsmacht nicht liquidiert wie im Fall der Okkupation durch das nationalsozialistische Deutschland.“
Außerdem ging Grospič in seinen Ausführungen auf die Todesopfer des Einmarsches ein. Im Zuge der Invasion sind laut aktuellem Forschungsstand 137 Menschen ums Leben gekommen.„Sie starben durchweg bei Verkehrsunfällen. Natürlich haben sie es verdient, dass man ihrer gedenkt und sie ehrt, aber es waren keine Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen“, behauptete Grospič.
Seine Äußerungen haben zu scharfen Reaktionen anderer Politiker geführt. Die Regierung aus Partei Ano und Sozialdemokraten lässt sich zwar von den Kommunisten stützen, dennoch sagte Premier Andrej Babiš im Tschechischen Fernsehen:
„Wenn Grospič das ernst gemeint hat, dann sollte er sich wirklich entschuldigen. Das ist doch unglaublich. Jeder weiß, dass das eine Invasion und eine Okkupation gewesen ist.“
Auch bei der konservativen Opposition ist man aufgebracht.„Meiner Ansicht nach sind die Worte skandalös. Aber sie überraschen mich nicht von Herrn Grospič. Im ersten Satz hieß es, die grundlegende Prämisse sei, dass es sich nicht um eine Invasion gehandelt habe. Was war es denn? Er wird sich aber eh nicht entschuldigen...“, so Zbyněk Stanjura, Fraktionsvorsitzender der Bürgerdemokraten im Abgeordnetenhaus.
Am Dienstag dieser Woche hat die kommunistische Führung über die Äußerungen ihres Mitglieds beraten. Denn in den letzten Tagen sind Forderungen laut geworden nach einem Rücktritt des Partei-Vizes von seinen parlamentarischen Ämtern. Das Ergebnis: Stanislav Grospič habe das Recht auf Meinungsfreiheit. Und Kommunisten-Chef Vojtěch Filip stützte zudem dessen Interpretationsweise der Geschichte:
„Laut internationalem Recht war es eine Invasion, ein gewaltsames Eindringen, aber keine Okkupation. Denn es kam dann zu einem Vertrag zwischen der Führung der ČSSR und den Truppen des Warschauer Paktes.“Das hält der Historiker Petr Blažek jedoch für den falschen Ansatz. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren bereits mit kommunistischem Unrecht:
„Wenn ich höre, wie die Kommunisten sagen, dass es sich nicht um einen Eingriff in die staatliche Souveränität gehandelt hat, muss ich darauf hinweisen, dass hier ein kommunistisches Regime an der Macht war. Es gab ein totalitäres System. Und in der Mitte dieser rund 40 Jahre dauernden Herrschaft, als der Sozialismus in eine Krise geraten war, haben die Menschen hierzulande erstmals aufatmen können. Dann aber hat die Invasion alle Hoffnungen begraben.“
Besonders erzürnt ist der Geschichtswissenschaftler über den kommunistischen Umgang mit den Opfern. Das widerspreche jeglicher Achtung menschlichen Lebens, findet der Experte vom Prager Institut für das Studium totalitärer Regimes:„Zum Beispiel Jozef Levák aus Zvolen. Er legte sich am 21. August vor einen Panzer. Dieser fuhr los und zerquetschte Leváks Kopf. Ist das mit Verkehrsopfern gemeint? Außerdem starben rund 50 Menschen durch Schüsse. Manche wurden von Querschlägern getroffen, andere aber waren in Kämpfe mit den Besatzern verwickelt. Auf der Vinohradská-Straße vor dem Rundfunk sah es fast aus wie auf einem Schlachtfeld. Dort brannten zum Beispiel Panzer.“
Was Stanislav Grospič gesagt habe, sei daher würdelos gegenüber den heute noch lebenden Verwandten der Opfer, so der Historiker.