Ist die tschechische Krone zu stark?

Die tschechische Währung, die Krone, bricht in letzter Zeit gegenüber dem Euro einen Rekord nach dem anderen, und am Donnerstag ist es dann auch passiert: die magische Grenze von 30 Kronen pro Euro ist gefallen. Entspricht aber ihr starker Kurs dem Zustand der tschechischen Wirtschaft, oder ist er ein Produkt von Spekulationen am Finanzmarkt? Dieser Frage gehen wir im folgenden Beitrag von Rudi Hermann nach, es liest MS.

Noch nicht allzu lange ist es her, da kostete ein Euro die Tschechen rund 36 Kronen. Heute sind es nur noch 30, was damit einer Wertsteigerung der Krone gegenüber dem Euro von rund 20 Prozent gleichkommt. Des einen Freud ist des anderen Leid: Während die Bevölkerung jetzt günstiger zu Importgütern aus und Ferien in der Eurozone kommt, plagt die starke Krone im Gegenteil die Ausfuhrunternehmen. Allen voran natürlich den Automobilhersteller Skoda, für den Deutschland ein Schlüsselmarkt ist. Denn je teurer die Krone gegenüber dem Euro, desto teurer sind auch tschechische Autos auf Märkten der Europäischen Union. Und bei der angespannten Marktsituation ist der Preis ein wichtiges Argument für die Konkurrenzfähigkeit. Das gilt natürlich auch für andere Bereiche, namentlich dort, wo ein grosser Preiskampf herrscht, wie der Maschinenindustrie allgemein, ferner bei Textilien, Stahl und Chemie.

Die Schlüsselfrage für tschechische Wirtschaftsanalytiker heisst, ob der starke Kronenkurs die Verbesserung der Wirtschaftsleistung reflektiert und damit eine reale Grundlage hat, oder ob es sich um das Produkt von erhöhter spekulativer Nachfrage nach tschechischer Währung handelt, die die Gefahr eines ebenso schnellen Nachgebens wie Ansteigen des Kurses und damit gewisser Erschütterungen in sich birgt. Für den Chef von Skoda Auto, Vratislav Kulhanek, kann eine Wertsteigerung der Krone von 20% über einen kurzen Zeitraum nicht durch eine entsprechende Zunahme der Produktivität unterlegt sein und muss andere Gründe haben. Dazu zählt er neben Spekulationen auch die Erwartungen des Markts auf erhebliche Devisenzuflüsse im Zuge von Privatisierungen, die die Nachfrage nach tschechischen Kronen anheizen, und Misstrauen gegenüber der Regierung, die Devisenzuflüsse wie angekündigt nicht in den Geldumlauf zu bringen, sondern so genannt zu sterilisieren oder für Devisenausgaben des Staates einzusetzen.

Die Nationalbank versucht zwar hin und wieder, mit Interventionen Gegensteuer zur Kursentwicklung der Krone zu geben, und kurzfristig gelingt ihr das auch. Verschiedene Beobachter sind allerdings der Meinung, dass langfristig kein wesentliches Nachgeben der Krone zu erwarten sei, und zwischen den Zeilen haben auch schon Nationalbankvertreter diese Ansicht geäussert. Die Exporteure werden sich deshalb wohl oder übel mit einem Kronenkurs abfinden müssen, der stärker ist, als es ihnen lieb ist und der sie zur Einleitung von Massnahmen, idealerweise einer Produktivitäts- und Effizienzsteigerung, zwingt. Gelingt es dem Exportsektor nicht, erfolgreich auf die starke Krone zu reagieren, droht eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, für das in Tschechien mit seiner offenen Wirtschaft der Export immer ein wesentlicher Baustein ist.

Autor: Rudi Hermann
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