Jablunkov - die östlichste Region der Tschechischen Republik

Jablunkov, foto: Podzemnik, CC BY-SA 3.0 Unported

Heute laden Sie Gerald Schubert und Dagmar Keberlova in die östlichste Ecke der Tschechischen Republik ein.

Jablunkov,  foto: Podzemnik,  CC BY-SA 3.0 Unported
Der östlichste Teil der Tschechischen Republik zeichnet sich durch starke Internationalität aus. Ganze 25% der Einwohner sind Polen und 3% Slowaken. Die Polen haben einen stärkeren Einfluss, und sie sind Bestandteil der Euroregion, an der sich auch die Kleinstadt Jablunkov beteiligt, wie uns der Bürgermeister von Jablunkov, Petr Sagitarius erzählt hat:

"Im Jahre 1998 entstand hier die Euroregion "Tesinske Slezko", die die Gemeinden der Region von Jablunkov, Trinec und Karvina und die entsprechenden Teile auf der polnischen Seite verbindet. Eigentlich ist die Grenze der Euroregion mit der Grenze des ehemaligen hiesigen Fürstentums identisch, das 1918 aufgelöst wurde. Die Prioritäten sind die Entwicklung des Tourismus und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Die Infrastruktur ist unser schwacher Punkt, weil wir zwar wunderschöne Berge haben, aber wenn der Tourist sie nicht erreichen kann, dann bringt das auch nichts. Und ein dritter Punkt ist die Arbeitslosigkeit, aber ich hoffe, dass, wenn der Tourismus ansteigt, es mehr Arbeitsmöglichkeiten für die Menschen hier geben wird."

Die Dienstleistungen seien noch nicht so gut entwickelt, weil es sich um eine eher entlegene Region handelt. Im Vergleich zur polnischen Seite gibt es etwa viel weniger Hotels. Der Grund dafür sei, dass in Polen die angrenzende Region als beliebter Erholungsort für Bewohner einer großen Stadt, und zwar Katowice, gelte, und daher die dortigen Dienstleistungen viel besser ausgebaut seien. Dies fehlt hier, weil auch aufgrund der Entlegenheit weniger Nachfrage besteht. Große Hilfe verspricht sich Bürgermeister Sagitarius aber vom EU-Beitritt der Tschechischen Republik:

"Ich setze voraus, dass eines der Grundprinzipien der Europäischen Union das Europa der Regionen ist. Also ich erwarte, dass wir uns dadurch als östlichste Region und gleichzeitig Grenzregion entwickeln werden. Es handelt sich vor allem darum, dass die Regionen zwar nicht angeglichen werden, aber ihre Entwicklung unterstützt und angeglichen wird. Die Region Jablunkov hat zwar keine entwickelte Industrie, aber dafür haben wir wunderschöne Berge, bieten viele touristische Möglichkeiten an und vor allem liegen wir sehr nahe zu Polen und zur Slowakei."

Aber in Jablunkov wartet man nicht bis zum EU-Beitritt am 1.Mai kommenden Jahres, sondern bereitet verschiedene Aktivitäten schon jetzt vor:

"Wir als Region versuchen, uns auf die Situation vorzubereiten. Nur um ein Beispiel zu nennen: Wir haben ein Projekt in Vorbereitung, und zwar die Revitalisierung des Flusses Olse, der hier fließt. In der Stadt Jablunkov ist die Abwasserentsorgung nur zu 50Prozent gedeckt, und da spreche ich gar nicht von anderen Gemeinden. Wir müssen unbedingt die Kanalisation erneuern, aber alleine haben wir nicht Geld genug. Daher bereiten wir uns vor, um bei der EU Gelder aus den Strukturfonds zu beantragen. Und ich wiederhole einmal mehr - ohne die EU kann ich es mir gar nicht vorstellen."

Aber nicht alles bezieht sich auf die EU, auch alleine und mit Hilfe des Landkreises hat man hier einiges zustande gebracht: in Jablunkov gibt es ein renoviertes Freibad, ein gut funktionierendes Infozentrum für Touristen, und die Region präsentiert sich im In- und Ausland, um Touristen zu locken.

Jablunkov,  foto: Hons084,  CC BY-SA 3.0 Unported
Die Nähe anderer Länder könnte bei den Bürgern allerdings auch Angst um ihren Arbeitsplatz hervorrufen. Arbeiten derzeit schon Ausländer in der Region?

"Ja, dazu kommt es heute schon. In den Eisenwerken in Trinec arbeiten heute Slowaken aus der Grenzregion, wo es nicht viel Arbeit gibt. Auch Polen arbeiten in Tschechien, diese wiederum in Ostrava. Aber die Bürger haben eher keine Angst. Es werden sich neue Möglichkeiten erschließen. Allgemein glaube ich, dass es gut ist, dass wir Tschechen uns endlich der Konkurrenz anderer Völker stellen müssen, und dass uns dies zu besserer Arbeit motiviert. Sonst ist das ein ungesundes Umfeld."

Derzeit arbeiten bestimmt mehr ausländische Arbeiter in Tschechien als umgekehrt, fügte Petr Sagitarius hinzu. Mehr als mit arbeitenden Ausländern habe man Probleme mit Immigranten:

"Derzeit ist unser Grenzgebiet einem starken Druck seitens der Immigranten ausgesetzt. Noch dazu haben wir hier ein Lungensanatorium, wo Menschen mit Verdacht auf TBC stationiert sind. Es sind Menschen, die aus verschiedenen Oststaaten geflüchtet sind, und oft haben wir mit ihnen Probleme. Die Polizei muss sie oft in den hiesigen Gasthäusern suchen. Unsere Bürger haben weniger Angst aus dem Grund, dass es sich um Ausländer handelt, sondern weil diese Leute krank sind. das ist die einzige Sorge unserer Bürger heute."

Hrcava,  foto: RomanM82,  CC BY-SA 3.0 Unported
Nur einige wenige Kilometer vom Jablunkov entfernt, allerdings viel höher in den Bergen, liegt die östlichste Gemeinde Tschechiens, Hrcava. Diese erreichen wir in einigen Minuten Autofahrt über eine kurvenreiche Bergstrasse. Und während wir noch, ein bisschen schwindlig, die ersten wunderschönen Blicke genießen und nach dem Bürgermeister fragen, kommt der schon direkt auf uns zu. Eben, eine kleine Gemeinde, die an die 600 Einwohner zählt, da spricht sich die Information schnell herum. Hrcava ist ein sehr malerisches Dorf, das eine Holzkirche und viele Bergholzhäuser hat. Eine lange Geschichte lässt sich hier spüren, und zu dieser sagte uns Bürgermeister Josef Szkandera folgendes:

"Sicherlich haben wir es in der Vergangenheit nicht einfach gehabt. Früher waren wir ein Bestandteil des anliegenden polnischen Dorfes. Aber die Bewohner haben sich als Tschechen gefüllt, und so wurden wir im Jahre 1927 der damaligen Tschechoslowakei zugeteilt. Es ist damals nicht einfach zugegangen, die Polen hatten mit Kämpfen gedroht, aber dann ist nichts passiert."

Bis heute sprechen die Menschen einen starken Dialekt, der fürs ungeübte Ohr schwer verständlich ist. Josef Szkandera dazu:

"Wir nennen es "po nasimu - in unserer Weise" und es besteht aus teilweise tschechischen, polnischen und slowakischen Worten. Unsere Vorfahren haben sich das so ausgedacht und wir können uns damit überall verständigen, sowohl in Polen als auch in der Slowakei."

Hrcava ist selbständige Gemeinde. Nur keine gute Strasse haben sie, und dabei vertraut Josef Szkandera ebenfalls, wie auch sein Kollege aus Jablunkov, auf die EU. Diese Gemeinde ist relativ jung, was das Alter der Einwohner betrifft: dieses macht nur 38 Jahre aus. Wie sieht es in so einer kleinen Gemeinde mit der Arbeit aus?

"Was die Arbeit betrifft, geht es uns nicht so gut. Unsere Arbeitslosenrate übersteigt 20%, und jetzt droht unseren Leute eine weitere Katastrophe. Angeblich wurde im Rat des Mährisch-Schlesischen Landkreises der Vorschlag zur Auflösung unseres Erholungszentrums für Kinder angenommen. Es ist dabei eines der wenigen, die es in unserem Landkreis gibt. Wir haben dort 5 Menschen angestellt. Damit wird sich unsere Situation noch bedeutend verschlechtern."

Auch er selber ist in den Eisenwerken von Trinec angestellt, weil er als Bürgermeister nicht vom Haushalt der Gemeinde bezahlt werden kann. Auch hier sind bereits Projekte im internationalen Rahmen im Gange:

Hrcava
"Wir haben ein internationales Projekt gestartet, an dem sich Polen und die Slowakei beteiligen. Wir werden sicherlich um europäisches Geld ansuchen. Wir wollen die Gegend des Dreiländerecks neu rekonstruieren. Wahrscheinlich wird dort ein Schutzplatz ausgebaut, wo an die dreißig Menschen sitzen können. Und wir planen dort auch den Ausbau einer Holzbrücke über den Teich, damit die Menschen schnell auf die andere Seite der Grenze kommen."

Hrcava,  foto: Podzemnik,  CC BY-SA 3.0 Unported
Auch wenn Hrcava ein entlegendes Dorf und im Winter manchmal vom Schnee verschüttet ist, es ist ein beliebter Ort voller Leben. Es fehlen nicht die in Tschechien beliebten Wochenendhäuser, und das gute dabei ist, sagt Bürgermeister Szkandera, dann diese Menschen sich oft, meistens im Pensionsalter, entscheiden, nach Hrcava umzuziehen. Auch bekannte Persönlichkeiten fehlen nicht unter den Besuchern, weil es etwas besonderes, eben das östlichste Dorf ist. Der Bürgermeister ist stolz auf eine bronzene Tafel, die die Gemeinde anlässlich des Besuches des ehemaligen Staatspräsidenten Vaclav Havel bekommen hat. Und ein Beweis mehr, dass der Ort nicht vergessen ist, ist das Auto des Tschechischen Fernsehens, an dem wir gerade in anderer Fahrtrichtung vorbei gefahren sind.

Und das war's für heute, aus der östlichsten Region der Tschechischen Republik, in die sie Gerald Schubert und Dagmar Keberlova geführt haben.