Fortifikationssystem am Jablunkapass sollte Schutz vor den Osmanen bieten

Jablunkauer Schanzen

Im Dreiländereck Tschechien-Slowakei-Polen, auf 553 Meter Höhe über dem Meeresspiegel liegt der Jablunkovský průsmyk, auf Deutsch Jablunkapass. Sein Name ist von der nahegelegenen tschechischen Stadt Jablunkov abgeleitet. Nur wenige Tschechen wissen heute, welche Rolle dieser Ort in der Geschichte der Landesverteidigung gespielt hat. Im 16. Jahrhundert wurde dort ein Festungssystem erbaut, das die Türken auf ihrem Vormarsch nach Schlesien aufhalten sollte. Um die später in Vergessenheit geratene Geschichte des Festungssystems am Jablunkapass sozusagen zu entstauben, hat das Museum in Český Těšín / Teschen an der tschechisch-polnischen Grenze 2005 eine Ausstellung aufgebaut und nachfolgend auch einen Bildband herausgegeben. Mit der Co-Autorin des Buches, Pavlína Nováková-Badurová, hat Jitka Mládková gesprochen.

Jablunkapass  (Foto: J. M. Czarnecki,  Creative Commons 2.5)
Auf dem eher kleinen Gebiet der böhmischen Länder findet man viele Orte, die an Kriege und militärische Auseinandersetzungen erinnern. Zu diesen gehört auch die Region des tschechisch-slowakisch-polnischen Dreiländerecks im Nordosten der Tschechischen Republik. Dort befindet sich auf rund drei Hektar ein Komplex mehrerer Verteidigungsschanzen, er gehört zu den weitläufigsten Festungsanlagen hierzulande. Pavlína Nováková-Badurová:

„Es handelt sich um ein System von Befestigungsanlagen, die entlang der historischen Grenze des früheren Herzogtums Teschen zum slowakischen Teil des Königreichs Ungarn erbaut wurden. Sie entstanden schrittweise in der Zeit zwischen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und dem 18. Jahrhundert und sollten den osmanischen Vormarsch stoppen, der aus Ungarn drohte.“

Herzogtum Teschen im 18. Jahrhundert
Der Grund für den Bau des breit angelegten Fortifikationssystems liegt also auf der Hand. Ebenso war auch die Wahl des Bauortes an der so genannten Jablunkauer Furche kein Zufall. Aus der Sicht der Geomorphologie trennte dieses Tal seit jeher die Mährisch-Schlesischen Beskiden im Westen und die Schlesischen Beskiden im Osten voneinander. Zudem war die Gegend auch historisch von Bedeutung. Über den Jablunkapass führte schon in der Römerzeit ein Handelsweg, auf dem Bernstein von der Ostsee in den Süden transportiert wurde. Im Mittelalter funktionierten die Handelsstränge andersherum: Kupfer wurde aus dem Königreich Ungarn nach Schlesien befördert und gab der Handelsroute den Namen „Kupferweg“. In unruhigen Zeiten war aber dieser Bergpass ein Einfallstor für Feinde und damit eine Schwachstelle für das gesamte Herzogtum Teschen, das im 14. Jahrhundert als Vasallenstaat an die Böhmische Krone fiel.

Schlacht bei Mohács
Nach der Schlacht bei Mohács von 1526 nahmen die Türken für lange Zeit weite Teile Ungarns ein, einschließlich einiger südlicher Teile der heutigen Slowakei. Von dort aus unternahmen ihre Stoßtrupps wilde Plünderungszüge unter anderem auch in Richtung Norden, bis in das Gebiet des heutigen Žilina. Damit geriet auch das Teschener Gebiet in Gefahr, das 1526 ebenso wie das Königreich Böhmen unter die Oberherrschaft der österreichischen Habsburger fiel. Gegen die Bedrohung sollte ein ausgedehntes System von Festungen entlang der schlesischen Grenze gebaut werden. Pavlína Nováková-Badurová:

Große Schanze  (Foto: Mapy.cz)
„Dieses Befestigungssystem bestand aus einer zentralen Festung und einer Reihe kleinerer Schanzen. Diese waren wiederum durch mehrere Festungselemente ergänzt, die so genannten Redouten, die in den umliegenden Wäldern des heutigen Dreiländerecks verstreut waren. Die größte Festung, in den kartographischen Unterlagen ´Große Schanze´ genannt, befindet sich direkt am Jablunka-Pass. Für die Verteidigungsziele hatte sie aus strategischer Sicht eine besonders wichtige Lage.“

Das ausgedehnte Fortifikationssystem wurde etappenweise im Lauf einer langen Zeit aus- und umgebaut: je nachdem wie sich die politische Lage und die Beziehungen zwischen den Staaten der Region entwickelten. Zum Schluss bestand der Festungskomplex aus acht Objekten, deren Grundrisse oder Überbleibsel sich heutzutage insbesondere in der Nähe der Gemeinde Mosty u Jablunkova erkennen oder zumindest erahnen lassen.

Wenzel III. Adam
Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Mosty stammt aus dem Jahr 1578 - aus der Zeit des Teschener Herzogs Wenzel III. Adam, der die erste Befestigung ausbauen ließ. Alle Wege in der dicht bewaldeten Umgebung wurden versperrt und zwei große Befestigungsanlagen mit massiven Steinmauern und tiefen Gräben errichtet. Kleinere Festungsanlagen entstanden in den umliegenden Ortschaften Bukovec, Hrčava, Javořina oder Lomná, die heute in Tschechien liegen. Andere entstanden in der Nähe des heutigen Čadca auf slowakischem oder aber auf polnischem Gebiet.

Zur Verteidigung mussten die Stützpunkte am Jablunkapass natürlich auch mit Soldaten besetzt werden. Es war aber nicht leicht, die Truppen auch zu finanzieren. Pavlína Nováková-Badurová:

„Die Besatzung wurde daher am Anfang nur bei akuter Gefahr an den befestigten Stützpunkten stationiert. Der Grund war, dass der Bau der Festungen sowie ihre Instandhaltung eine äußerst kostspielige Angelegenheit war. In Archiven befindet sich eine ganze Reihe von Dokumenten, die davon zeugen, dass man immer wieder in Wien um eine Aufstockung des Budgets ersucht hat. Die Bitten wurden aber nur selten erhört, und das Herzogtum Teschen musste das Problem vor allem mit eigenen Kräften managen.“

Modell der Schanzen
Wien sowie das ganze Habsburger Österreich mussten sich damals an vielen anderen Orten auch gegen die türkische Invasion wehren. Man überließ es also den Teschenern selbst, sich gegen die Türken, aber auch gegen die gefürchteten Tatarenhorden zu rüsten. Zumindest am Anfang schien das auch gut geklappt zu haben:

„Die Besatzung bestand zum Teil aus - wie man heute sagen würde - ´Berufssoldaten´. Das waren Kontingente der schlesischen Stände. Die Mehrheit bildeten die Einheimischen aus den umliegenden, zumeist von Wallachen bewohnten Dörfern. Für den Militärdienst wurde ungefähr jeder fünfte Dorfbewohner von der Obrigkeit ausgewählt. Daher nannte man sie als ´Vybraňci´, auf Deutsch ´Ausgewählte´. Das war eine Art Status.“

Typischer Walache
Die Walachen sind ein Hirtenvolk, das ursprünglich aus Rumänien stammt. Bei ihrer Migration über die Karpaten, die zwischen dem 14. und 17.Jahrhundert in mehreren Wellen erfolgte, erreichten sie unter anderem Ostmähren sowie das nahe Gebiet des Teschener Herzogtums. In der Gemeinde Mosty hatten die Wallachen ihren Woiwoden, der als oberster Beamter für die Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten der Berglandbevölkerung zuständig war. Wegen ihrer treuen Dienste sollen die „Wybranzi“ angeblich bei Herzog Wenzel III. Adam sehr beliebt gewesen sein.

„Es waren Schafhirten, gewöhnliche Bewohner der umliegenden Dörfer, die der Teschener Herzogin als Untertanen zur Verfügung stehen mussten. Im Rahmen ihres Frondienstes wurden sie zum Beispiel auch beim Festungsbau, bei der Waldrodung oder Renovierung der Festungsbaracken eingesetzt. Oft sollten sie auch den Proviant für die Besatzung der jeweiligen Festungsanlage beschaffen. Der eigentliche Wehrdienst sollte jedoch außerhalb des Frondienstes gegen Besoldung geleistet werden. Es kam aber öfters vor, dass die Besatzung nichts zu essen hatte, was sie zu Raubzügen in die Umgebung veranlasste.“

Jablunkauer Schanzen
Der Wehrdienst der „Wybranzi“ wurde erst 1829 abgeschafft. Die befürchteten Türken und Tataren sind zwar nie bis zum Jablunka-Pass vorgedrungen, trotzdem ging es dort nicht immer friedlich zu. Zum Beispiel während des Dreißigjährigen Krieges. 1638 wurde die größte Festung fast komplett durch ungarische Truppen zerstört. Um ihren schnellen Wiederaufbau hat sich Elisabeth Lukretia, Herzogin von Teschen, binnen kurzer Zeit verdient gemacht. Damals entstand die Große Schanze - die größte Festung des Jablunkauer Verteidigungssystems. Die Historikerin des Teschener Museums ergänzt:

Jablunkauer Schanzen
„Hier haben sich immer wieder heftige Kämpfe abgespielt. Die gesamte Teschener Region litt allein schon durch den häufigen Durchzug unterschiedlicher Armeen, die von Oberungarn nach Schlesien und umgekehrt über den Jablunka-Pass marschierten. Zwar fand dort niemals eine große Schlacht statt, die den Gang der Geschichte ausschlaggebend beeinflusst hätte, doch die Festungsanlagen zu beherrschen war für alle, welches Heer auch immer, von großem Vorteil. Von hier aus konnte man das umliegende Terrain sehr gut kontrollieren.“

Auch nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde die Notwendigkeit, das Teschener Grenzgebiet vor Eindringlingen zu schützen, nicht geringer. Laut Dokumenten aus den 1660er Jahren waren in der Großen Schanze immer noch 100 Mann stationiert. 1672 wurde diese Schanze offiziell zur Landesfestung erklärt und hatte von da an auch eine ständige Militärbesatzung. Während des Ersten Schlesischen Krieges wurde die Festungsanlage zum letzten Mal eingenommen. 1741 besetzte das preußische Heer Jablunkau und legte anschließend auch die Große Schanze samt ihrer Schutzwälle in Trümmer.

Jablunkauer Schanzen  (Foto: FlashTom,  Geocaching.com)
Beim nachfolgenden Wiederaufbau erhielt die Festung einen neuen Grundriss in Form fünfzackigen Sternes. Danach standen auf dem Gelände mehrere steinerne Häuser wie Kasernen, Lagerräume, eine Bäckerei und andere Gebäude. Die Fläche wurde damals mit 60 auf 40 Klafter angegeben, das entsprach einem größeren Fußballplatz von heute. 1808 wurde die Große Schanze zum letzten Mal renoviert, 1848 aber dann für veraltet und nicht mehr funktionsfähig erklärt. An dem Ort, in dem die Geschichte 300 Jahre lang über die Bühne ging, nagt seitdem der Zahn der Zeit und die Natur hat das, was übriggeblieben ist, mit einem Teppich aus Bäumen und Sträuchern bedeckt. Pavlína Nováková-Badurová:

Mosty u Jablunkova  (Foto: KČT Fénix)
„Die Festungsanlage blieb lange ungenutzt. Die einst intakten Holz- und Steinbauten wurden im Lauf der Zeit zerstört, weil die Bewohner der umliegenden Dörfer sie als Quelle für Baumaterial nutzten.“

Trotzdem sieht die Historikerin etwas Positives an dem eher traurigen Schicksal des Festungswerks:

„Die Große Schanze liegt auf dem Gemeindegebiet von Mosty u Jablunkova, der Ort wurde etwas unterhalb der Festungsanlage erbaut. Gerade diesem Umstand ist es zu verdanken, dass die Gegend der Schanze nicht planiert wurde. Das ist aber auf polnischem Gebiet geschehen. An die dortigen Befestigungsobjekte erinnern eigentlich nur noch die Ortsnamen. In ihrer unmittelbaren Nähe wurden nämlich später neue Dörfer gebaut. Das hatte eine massive Planierung des umliegenden Geländes zur Folge. In dieser Hinsicht hat unsere Große Schanze Glück gehabt!“

Bildband „Jablunkauer Schanzen“
Zum Glück ist es auch dem Autorenduo Martin Krůl - Pavlína Nováková-Badurová gelungen, wichtige Informationen sowie Abbildungen des geschichtsträchtigen Ortes im Bildband „Jablunkovské šance“ (Jablunkauer Schanzen) zu erfassen:

„Neben ausführlichen Informationen enthält das Buch Abbildungen alter Karten von dem Gelände, aber auch Fotografien sowie älteres Bildmaterial, das wir in tschechischen und polnischen Archiven sowie im österreichischen Kriegsarchiv in Wien gefunden haben. Es ist die erste Publikation unseres Museums über den befestigten Landstrich bei Jablunkov, der sich durch einen besonderen ´genius loci´ auszeichnet. In Tschechien gibt es nichts Vergleichbares.“