Jan Hus
Allen, die Prag einmal besucht haben, wird es aufgefallen sein: das grosse Denkmal auf dem Altstädter Ring. Aus einer Menschenmasse ragt eine Figur heraus: Jan Hus. Auch 585 Jahre nach seinem Ketzertod auf dem Scheiterhaufen in Konstanz ist der böhmische Prediger hierzulande alles andere als vergessen. Anlässlich seines Todestages, der in Tschechien Feiertag ist, hören Sie eine Sondersendung. Zunächst stellt ... Jan Hus in einem kurzen historischen Porträt vor. Danach folgt....
Die einen verehrten ihn als Nationalheiligen, für die anderen war er ein Ketzer - Jan Hus hat das tschechische Volk jahrhundertelang in zwei Lager gespalten, und nicht nur das tschechische Volk, gilt er doch als Wegbereiter der Reformation. Und dabei war es dem böhmischen Gelehrten nur darum gegangen, zur Lösung der Krise in der Kirche einen kleinen Teil beizutragen.
Jan Hus erblickte wahrscheinlich im Jahre 1381 im südböhmischen Husinec das Licht der Welt. Bekannt ist, dass er in den 90er Jahren des 14. Jahrhunderts an der Prager Universität studierte und 1398 begann, selber Vorlesungen zu halten. Zugleich studierte er Theologie und liess sich zum Priester weihen. 1402 begann Hus in der Bethlehemkapelle in Prag zu predigen. Bald waren seine Predigten in der Stadt bekannt und mehr und mehr Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten strömten in die Bethlehemkapelle. Sie alle stimmten den kritischen Worten des Predigers Hus zu. Dieser nahm kein Blatt vor den Mund und kritisierte den Zustand der Kirche, ihre Verweltlichung, das unmoralische Leben ihrer Würdenträger und deren Festhalten an weltlicher Macht und Eigentum. Ebenso wie viele seiner Zeitgenossen erwartete Jan Hus das baldige Weltende. Anzeichen gab es dafür genug, neben der Verweltlichung der Kirche, deren Spaltung 1378 und dem Verfall der Sitten waren dies auch die Pestepedemien.
Das Kommen des Antichrist und des Weltendes konnte laut Hus nur verhindert werden, wenn die Kirche zu ihren ursprünglichen Idealen und Berufung zurückkehrte. Deshalb sollte das göttliche Gesetz über den weltlichen stehen. Die Bibel sollte zur höchsten Autorität auf Erden werden. Hus sah sich selbst als guten Katholiken, der nichts anderes wollte, als die fehlgeleitete Kirche wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Er war sich bewusst, dass das schwer sein würde, da die Kirche und ihre Würdenträger nicht so einfach auf Macht, Einfluss und Reichtum verzichten würden.
Doch mit all seinen Ideen und Idealen war Hus seiner Zeit weit voraus. Nach Konstanz reiste er in der Hoffnung, die Kirche zu bekehren und zur Überwindung der Kirchenspaltung beizutragen. Doch das Konzil zu Konstanz suchte lediglich eine Lösung innerhalb der bestehenden Institutionen. Die Gedanken des Jan Hus waren zu revolutionär, da er keine Rücksicht auf bestehende Institutionen bzw. deren Erneuerung nahm. Sein Vorbild war das Ideal der neutestamentarischen Modellkirche und damit lag Hus auf einem völlig anderen Kurs als die Kirche.
In Konstanz hatte Hus keine Chance, seine Gedanken öffentlich vorzustellen bzw. zu verteidigen. Am 6. Juli 1415 wurde der böhmische Prediger als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Für das Konzil war dies wohl eher eine nebensächliche Angelegenheit gewesen, denn sein Hauptziel hatte es erreicht: die Beendigung der Kirchenspaltung und damit des Doppelpapstums.
In den Böhmischen Ländern löste der Tod des Jan Hus eine Protestwelle aus, die in die sogenannten Hussitenkriege mündete. Zwei jahrzehntelang bemühten sich von Rom und dem deutschen Kaiser ausgesandte Kreuzheere vergebens, die aufgebrachten Tschechen zu befriedigen. Erst 1434 einigte man sich auf einen Kompromiss. Doch der Konflikt zwischen Katholiken und Anhängern des Jan Hus schwelte in den Böhmischen Ländern noch jahrhundertelang weiter.
Eigentlich erst Ende vergangenen Jahres wurde ein konkreter Schritt unternommen, die Spaltung des tschechischen Volkes in Hus-Anhänger und Hus-Feinde zu überwinden. Im Herzen der katholischen Kirche, im Vatikan, fand eine grosse wissenschaftliche Konferenz statt. Vor deren Teilnehmern drückte Papst Johannes Paul II. sein Bedauern über den grausamen Tod des Jan Hus aus. Dieser sei eine Quelle von vielen Konflikten und der Teilung des tschechischen Volkes gewesen, war aus dem Munde des Papstes zu erfahren. Johannes Paul II. bezeichnete den böhmischen Prediger als einen der aufgeklärtesten Prager Gelehrten und eine Persönlichkeit besonderen Ausmasses, die vor allem wegen ihres moralischen Muts angesichts des Todes Bewunderung verdient. Präsident Vaclav Havel würdigte diese Worte des Papstes, damit habe das Oberhaupt der Katholischen Kirche eine grosse historische Ungerechtigkeit beseitigt und das tschechische Volk von einer grossen Last befreit.
Zu einer Heiligsprechung des Jan Hus kam es nicht und wird es wohl auch nie kommen, denn dagegen würden die protestantischen Kirchen hierzulande sicher protestieren. Als Landesheiliger wird Hus bereits seit Jahrhunderten von den meisten Tschechen verehrt. In der Zwischenkriegsrepublik konnte diese Verehrung erstmals voll ausgelebt werden: die Worte des Jan Hus "Die Wahrheit wird siegen" wurden in das Staatswappen aufgenommen der 6. Juli zum Staatsfeiertag erklärt - was damals, vor über 70 Jahren, allerdings noch den Bruch der diplomatischen Beziehungen zum Vatikan zur Folge hatte.