Jan Hus: Weltbekannter Reformator aus Südböhmen

Prediger, Philosoph, Reformator – all das war Jan Hus. Wann genau er geboren wurde, weiß man nicht. Und ebenso gab es lange Zeit Zweifel darüber, wo genau er zur Welt kam. Sicher ist hingegen, dass sein Name und sein Vermächtnis untrennbar mit dem Südböhmischen Kreis verbunden sind. In unserer Serie „Entdeckungsreise durch Tschechiens Kreise“ begeben wir uns auf die Spurensuche nach Jan Hus in Südböhmen.

Husinec | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Gedanken des Reformators Jan Hus haben nicht nur in der Geschichte Tschechiens ihre Spuren hinterlassen. Sie sind auch untrennbar mit der Entwicklung des Christentums verbunden. Jakub Smrčka leitet das Hussitische Museum in Tábor und ist Fachmann auf dem Gebiet der Kirchengeschichte:

„Jan Hus stammte aus dem kleinen Dorf Husinec. In Böhmen gibt es allerdings zwei Orte mit diesem Namen: Einer liegt in Südböhmen in der Nähe von Prachatice, der andere unweit von Prag. In der Vergangenheit führte das öfter zu Unklarheiten. Es gibt aber mittlerweile zahlreiche Erkenntnisse, die eindeutig auf das Husinec in Südböhmen schließen lassen.“

Im Jahr 1371 sei der spätere Reformator vermutlich zur Welt gekommen, so Smrčka. Wer seine Eltern gewesen seien, sei bis heute weitestgehend unklar, schildert der Historiker:

Husinec | Foto: Zdeněk Zajíček,  Tschechischer Rundfunk

„Wir wissen nur, dass sein Vater Michal hieß. Und durch seine Mutter soll der kleine Jan den christlichen Glauben und Frömmigkeit eingetrichtert bekommen haben. So wird es zumindest in den späteren Aufzeichnungen des Reformators geschildert.“

Weitere Informationen gebe es aber kaum. Mit Sicherheit kann hingegen gesagt werden, dass Jan Hus vom Lande stammte und keine adeligen Eltern hatte. Wie üblich war es am Ende des 14. Jahrhunderts, dass so ein Kind Bildung erfuhr?

„Das war nicht komplett ungewöhnlich, aber es mussten dafür verschiedene Faktoren zusammenspielen. So brauchte es Eltern, die das Vorhaben unterstützten, und natürlich musste das Kind auch begabt sein und die entsprechenden Voraussetzungen mitbringen.“

Zudem habe es überhaupt eine Schule in der Nähe geben müssen, so Smrčka.

Von Husinec nach Prag

Finanziert werden konnte die Schulbildung etwa durch Spender. Zudem hatten die Schüler die Möglichkeit, sich durch Gesangsauftritte bei kirchlichen Festen ein wenig Geld dazuzuverdienen.

Jan Hus | Foto: Adriana Krobová,  Tschechischer Rundfunk

„So machte das auch Hus. Später schrieb er, dass er als Kind als Sänger ein Taschengeld einnahm“, erläutert der Kirchenhistoriker. Von dem Dorf in Südböhmen ging Jan Hus mit 16 Jahren an die Prager Karlsuniversität – eine der renommiertesten Hochschulen ihrer Zeit. Was war sein Antrieb?

„Hus schrieb später darüber und gestand sich ein, dass seine Anfangsmotivation darin bestand, sich finanziell abzusichern und Teil des Klerus zu werden.“

1401 wurde Jan Hus zum Dekan der Philosophischen Fakultät berufen, ein Jahr später auch zum Professor. Hus lehrte Theologie und Philosophie, und in den Jahren 1409 und 1410 bekleidete er das Amt des Rektors der Prager Karlsuniversität.

Prediger in der Bethlehemskapelle

Alfons Mucha: „Die Predigt Jan Hus' in der Bethlehemskapelle“ | Quelle:  public domain

Den Katholizismus kritisierte Hus bereits früh. Und um seine Gedanken unter das Volk zu bringen, wählte er einen prominenten Ort: die Bethlehemskapelle in der Prager Altstadt, in der er einer der ersten Prediger war.

„So konnte er auch Menschen außerhalb der Prager Universität erreichen. Seine Reformbewegung wurde dort begründet. Denn mehrere Menschen schlossen sich der hussitischen beziehungsweise utraquistischen Bewegung an.“

Die Predigten von Hus hoben sich nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre Sprache vom Rest der Kirchenlandschaft ab:

„Seine Unterlagen bereitete er anscheinend auf Latein vor. Auf der Kanzel sprach er dann aber Tschechisch“, so Jakub Smrčka.

Bethlehem-Kapelle in Prag | Foto: Ekaterina Stashevskaya,  Radio Prague International

Eine bedeutende Persönlichkeit auf Hus’ Weg zum Reformator sei der Brite John Wyclif gewesen, meint der Historiker. Wyclif war als Theologe und Philosoph an der Universität in Oxford tätig. Seine Gedanken hielt er schon ein Jahrhundert vor Hus fest.

„Wyclifs Schriften gelangten durch die Akademikerwanderungen nach Prag. Denn schon im Mittelalter war es üblich, dass Studenten auch an anderen Universitäten Erfahrungen sammelten und dort Prüfungen ablegten.“

Kritik von Ablass und Wallfahrten

Die Ideen Wyclifs übernahm Hus nicht unkritisch, sie stellten aber doch einen großen Einfluss auf den Prediger dar…

„Vor allem wurde er durch Wyclif in den Fragen der Ekklesiologie beeinflusst. Dabei geht es darum, was die christliche Kirche eigentlich ist und wie sie aussehen soll“, schildert Smrčka.

Und dann war da noch ein weiteres, bedeutendes Feld. Denn Hus lehnte den Ablasshandel und weitere finanzielle Einnahmen für die Kirche strikt ab.

„Hus sah sich oft damit konfrontiert, genauso wie jeder andere Christ zu dieser Zeit. Er stellte fest, dass die religiösen Angelegenheiten wie der Ablass, die Wallfahrten und das Vollbringen frommer Taten nur ein falsches Konstrukt sind, das den Leuten in erster Linie das Geld aus der Tasche ziehen sollte.“

Zuflucht in Südböhmen

Foto: Eva Hodíková,  Tschechische Nationalbibliothek

Hus’ kompromisslose Haltung führte zu immer stärken Konflikten mit den Kirchenvertretern. Das ging so weit, dass der Prediger aus der Kirche exkommuniziert wurde. Und die Folgen davon waren für ganz Prag spürbar. Denn über die Stadt wurde ein sogenanntes Interdikt verhängt:

„Das war ein vom Papst verhängtes Verbot öffentlicher Gottesdienste. Es galt auf dem Gebiet der Stadt, in der sich die exkommunizierte Person befand.“

Die Strafe stellte ein großes Problem dar. Denn neben den ganz gewöhnlichen Gottesdiensten am Sonntag konnten auch keine Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen mehr abgehalten werden.

„Einige Hus-Anhänger respektierten diese Entscheidung nicht. Die meisten Priester aber wollten und mussten sich an die Vorgabe halten. In Prag gab es zudem einige Gegner der Reformbewegung, die etwa auch die Bethlehemskapelle mit Gewalt angriffen.“

Kozí Hrádek | Foto: Filip Černý,  Tschechischer Rundfunk

Die Situation eskalierte schließlich. Hus hatte die Mehrheit gegen sich, und auch seine Anhänger konnten nichts mehr für ihn tun. Gezwungenermaßen entschied sich der Prediger, Prag zu verlassen. Dank vermögender Anhänger gab es für ihn einen Zufluchtsort, der sich abermals in Südböhmen befand, nämlich fünf Kilometer südöstlich von Tábor.

„Er ging aufs Land und ließ sich auf der abgelegenen Ziegenburg nieder. Dort widmete er sich der Literatur. Auf Latein verfasste er sein Traktat ‚De ecclesia‘, das den gleichen Namen trug wie ein Werk John Wyclifs.“

Zudem predigte Hus – auf Tschechisch und unter freiem Himmel, wie er sich später erinnerte.

„Zu seinen Predigten reisten Menschen aus der näheren Umgebung an und auch von weiter her“, meint Smrčka.

Tod auf dem Scheiterhaufen

Verbrennung des Kirchenreformators Jan Hus,  6. Juli 1415

Der Konflikt zwischen Jan Hus und der offiziellen Kirche spielte sich in einer schwierigen internationalen Lage ab. Die Mächtigen in Europa stritten darum, wer auf dem Heiligen Stuhl die Oberhand haben darf, es kam zum sogenannten Abendländischen Schisma. 1414 entschied sich Hus, zum Konzil von Konstanz zu reisen. Dort sprach der Reformator vor den versammelten führenden Köpfen des Christentums:

„Hus wollte seine Wahrheit durch die Auslegung der Heiligen Schrift bekräftigen. Er hatte bis zum letzten Augenblick die Hoffnung, die Kirchenvertreter überzeugen zu können, dass seine Gedanken mit der Lehre Christi und den Zehn Geboten vereinbar seien.“

Doch das Ansinnen ging nach hinten los. Hus wurde angeklagt und verurteilt. Trotz der Aufforderungen wiederrief er seine Lehre nicht – und wurde im Juli 1415 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Konzil in Konstanz | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Inspiration für Martin Luther

Lutherdenkmal am Fuße des Hainbergs | Foto: Maria Hammerich-Maier,  Radio Prague International

Doch die Gedanken von Jan Hus gingen damit nicht verloren. Denn sie mündeten in die Hussitenkriege und in weitere Bestrebungen, die offizielle Kirche zu reformieren – allen voran durch Martin Luther. Denn der knüpfte mehr als 100 Jahre später an Jan Hus an.

„Es gibt einige direkte Verbindungen. Dabei kann man aber nicht behaupten, dass Luther seine Auftritte unmittelbar an das Hussitentum angelehnt hat“, so Jakub Smrčka.

Einen direkten Bezug habe es aber im Jahr 1519 gegeben – zwei Jahre nach Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche in Wittenberg:

Jakub Smrčka | Foto: Andrea Poláková,  Tschechischer Rundfunk

„Nachdem Luther bei der Leipziger Disputation vorgeworfen wurde, er würde das gleiche Ketzertum propagieren wie Hus und dessen Anhänger, ließ er die Schriften des Tschechen kommen. Er studierte sie und soll anschließend gesagt haben: ‚Wenn das hier Hus geschrieben hat, dann sind wir alle Hussiten!‘“

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Autor: Vít Pohanka
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