Der Kirchenreformator und seine kubistische Kirche
Der 6. Juli wird in Tschechien als Staatsfeiertag begangen - zum Gedenken an den namhaften Kirchenreformator Jan Hus, der am 6. Juli 1415 in Konstanz als Ketzer verbrannt wurde. In die hussitische Zeit, aber dann auch in eine ungewöhnliche Jan Hus-Kirche laden Sie in den folgenden Minuten Martina Schneibergova und Thomas Kirschner ein.
In der Zeit des böhmischen Königs und römischen Kaisers Karl IV. machte die Kirche eine große Entwicklung durch. Karl IV. hatte sich um die Erhebung des Prager Bistums zum Erzbistum verdient gemacht, und auf seinen Anlass wurde in Prag die Kathedrale des Heiligen Veit gegründet. 1348 gründete Karl die Prager Universität (Karlsuniversität) - die erste Hochschule in Mitteleuropa. Aus Prag wollte er ein geistliches Zentrum machen. Zu Karls Zeiten erlebte auch die geistliche Kunst einen großen Aufschwung, es wurde unter anderem die Heilig-Kreuz-Kapelle auf der Burg Karlstein (Karlstejn) erbaut, die als Höhepunkt der europäischen gotischen Kunst gilt. Die Kirche aber besaß inzwischen einen großen Reichtum, und das wirkte sich auch auf die Moral der Priester aus, auf deren Verfall die in Prag tätigen Reformprediger hinzuweisen begannen.
Der Tod Kaiser Karls IV. und die Entstehung des päpstlichen Schismas im Jahre 1378 ließen die große gesellschaftliche und geistliche Krise nicht nur in Böhmen, sondern auch in ganz Europa ahnen. Lauter sind Stimmen geworden, die eine grundlegende Reform der Kirche als Institution forderten.
Der Hauptverkünder der kritischen Meinungen war der englische Gelehrte John Wycliff, dessen Lehre bald lebendige Reaktionen unter den böhmischen Magistern der Prager Universität mit Magister Jan Hus an der Spitze hervorrief und die von ihnen akzeptiert wurde. Die Voraussetzung für die Verbreitung dieser Ansichten schuf bereits die Tätigkeit der so genannten "Vorgänger von Hus", von denen vor allem die Prediger Konrad Waldhauser, Jan Milic von Kromeriz (Kremsier) oder Tomas Stitny ze Stitneho oft erwähnt werden.Magister Jan Hus geriet mit der Radikalität seiner Ansichten über die Wiedergeburt der Kirche bald in Konflikt mit den kirchlichen Autoritäten und wurde aus dem Grund zur Tagung des Konzils nach Konstanz vorgeladen, wo er seine Meinungen verteidigen sollte. Am 6. Juli 1415 wurde Hus dort als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, und dies rief in den böhmischen Ländern eine starke Entrüstung und Entstehung der hussitischen Bewegung hervor.
Das Tragische an dieser Zeit bestand darin, dass es sowohl Hus, als auch seinen Gegnern um dieselben Reformen ging, die sie jedoch auf unterschiedlichen Wegen erreichen wollten. Bereits in der Zeit, als Hus im Gefängnis saß, entwickelten sich die Bemühungen um eine religiöse Vertiefung weiter, und im Herbst 1414 fasste sein Mitarbeiter Jakoubek von Mies (Stribro) den Beschluss, die Eucharistie unter den beiden Gestalten zu verteilen.
Es tauchten auch weitere Änderungen im geistlichen Leben (wie die häufige Kommunion bei Kindern) und eine Erweiterung der Grundbildung auf, wobei es auch zu einer großen Entwicklung der Nationalliteratur und Sprache kam.Die Schattenseite dieser Zeit stellen die Verwüstung und Ausplünderung des Landes infolge der fünfzehn Jahre dauernden Kreuzzüge und der einheimischen Kriege sowie die Vernichtung zahlreicher Kulturdenkmäler dar - es wurden rund 170 Klöster und einige Hundert Kirchen niedergebrannt. In der Beurteilung des Hussitismus widerspiegelten sich jedoch unterschiedliche Sichtweisen, die sich während der Zeit änderten. Während der nationalen Wiedergeburt stand beispielsweise der nationale Gedanke im Vordergrund, der sich oft durch Verherrlichung der Kriegssiege der böhmischen Hussiten inspirierte.
Während der kommunistischen Ära wurden unter dem Einfluss der marxistischen Auffassung die sozialen Forderungen der Revolutionszeit betont, die alle anderen Quellen hussitischer Ideologie verdeckten.
Heute bleibt es eine der Hauptaufgaben der historischen Forschungen, auf den geistlichen Inhalt des Hussitismus zurückzukommen und unabhängige Forschungen über Jan Hus und über Interpretationen der hussitischen Bewegungen anzuregen. Zur Verbesserung der Kenntnisse trug auch die Konferenz bei, die unter Teilnahme von Experten aus verschiedenen konfessionellen Milieus im Dezember 1999 an der Lateranuniversität stattfand. Papst Johannes Paul II. brachte dabei eine Entschuldigung für den aus dem Grund der Glaubenslehre verursachten gewaltsamen Tod von Jan Hus zum Ausdruck.Anlässlich des 500. Jahrestags des Märtyrertodes von Jan Hus - im Jahre 1915 wurden in mehreren Orten Böhmens Denkmäler errichtet, um den namhaften Prediger zu ehren Die evangelische Brüdergemeinde aus der Region von Velim in Mittelböhmen entschied sich damals, anlässlich des Hus-Jubiläums eine Kirche in der kleinen Stadt Pecky / Petschek zu bauen. Mit dem Bau des Gotteshauses wurde der aus der Nähe der Stadt stammende Architekt Oldrich Liska beauftragt, der Mitarbeiter des bekannten Architekten Josef Gocar in Hradec Kralove / Königgrätz war. Der Bau wurde aus Spenden finanziert. Bedeutende finanzielle Summen kamen auch von den Gläubigen aus dem Ausland, erzählt der Kunsthistoriker Miloslav Vlk, der selbst in Pecky wohnt und sich bemüht auf die einzigartige dortige Hus-Kirche aufmerksam zu machen. Denn nicht einmal in den Fachkreisen ist die Sehenswürdigkeit sehr bekannt.
"Es ist bemerkenswert, dass es eine für die damalige Zeit moderne Architektur war, die ein Vorbild für weitere neue Kirchen der böhmischen Brüdergemeinde bei uns sein sollte. Es ist hier das einzige kubistische Kircheninterieur, das es auf der Welt gibt. Der tschechische Kubismus selbst ist etwas Besonderes, denn in anderen Ländern war der Kubismus als eine Richtung in der Malerei beziehungsweise der Bildhauerei verbreitet, aber bei uns haben sich die Architekten dieser Strömung angeschlossen. Und ein kubistischer Sakralbau ist wirklich einzigartig. In dieser Kirche ist die sämtliche Einrichtung kubistisch und alles wurde nach Entwürfen von Architekt Oldrich Liska hergestellt und eingerichtet."Die Bauarbeiten wurden durch den Ersten Weltkrieg verlangsamt, und so konnte die Kirche nicht wie geplant im Jubiläumsjahr, sondern erst 1916 eröffnet werden. 90 Jahre lang treffen hier die evangelischen Gläubigen zu den Gottesdiensten zusammen. Für den Jan Hus-Tag, den 6. Juli, haben sie für die interessierte Öffentlichkeit zum ersten Mal auch Führungen durch das Gotteshaus vorbereitet. Auf den ersten Blick fällt die Kirche von außen nicht sehr auf, die für den Kubismus typischen Merkmale findet man jedoch gleich beim Eingang.
"Wenn man vom Hus-Platz aus die Kirche oder das Pfarrhaus betreten will, muss man durch eines der kubistischen Tore gehen. Das mit der Kirche verbundene Pfarrhaus war früher als die Kirche fertig, weil der Pfarrer ja irgendwo wohnen musste. Der schönste Blick in das Interieur der Kirche bietet sich von oben, von der Orgel aus.
Die Fenster sind mit einfachen Vitragen geschmückt. Die Decke ist von einem Netz von Quadraten bedeckt, diese Quadratmuster findet man hier auch anderswo. Eine Dominante der Decke stellen einzigartige Kronleuchter dar, deren Form an die Kristalle der Minerale erinnert. Es wirkt zwar sehr dekorativ, aber diese Ausschmückung geht immer von den kubistischen Elementen aus."Unten gibt es rechts und links Bänke. Der Chor ist sehr einfach, die Kanzel ist in den Kirchenraum nach vorne gewölbt. Auf dem Boden sind wiederum kubistische Muster zu sehen. Beim ersten Besuch wird man durch die Tatsache überrascht, dass der Boden nicht gerade ist, sondern Richtung Chor bergab geht wie in einem modernen Theatersaal, sodass auch die Gläubigen in der letzten Bankreihe das Geschehen vorne gut beobachten können. Nicht zu übersehen ist der in der Mitte vorne stehende Tisch des Herrn, die so genannte "Mensa".
"Sie hat die Form eines Kelchs. Das ist symbolisch für eine evangelische Kirche. Aber auch aus der mineralogischen Sicht ist sie beachtenswert. Das stilisierte Dreiblatt ist aus Granodiorit, einem Magmagestein, der Sockel aus Sandstein und die obere polierte Platte ist aus dem Magmagestein Gabbro. Es handelt sich um eine saubere kubistische Gestaltung, einerseits in der Form von Kanten und andererseits von Ovalen. Dies ist schon ein Vorzeichen des so genannten ´Rondokubismus´, der sich nach dem Krieg entwickelte."
Schiefe Flächen und eine einfache dunkel-helle Farbenkombination - dies ist für das ganze Kircheninterieur charakteristisch. Durch eine rechts vorne platzierte Tür kann man den Jeronym-Saal betreten, der nach dem Prediger Hieronymus von Prag (Jeronym Prazsky) benannt wurde, einem Freund von Jan Hus, der dasselbe Schicksal wie Hus teilen musste. Das geräumige Pfarrhaus wirkt heute noch modern, die einzelnen Originaltüren sind mit kubistischen Mustern geschmückt.
"Am Interieur der Pfarrei ist eine hölzerne Wendeltreppe interessant, die zu den oben gelegenen Zimmern führt. Das Geländer ist mit einer Art Girlande von hölzernen eiförmigen Perlen geschmückt. Dasselbe Motiv findet man an Möbeln, die von Architekt Jan Kotera entworfen wurden und die im Museum in Hradec Kralove / Königgrätz zu sehen sind. Dieses Motiv taucht auch beispielsweise auf einem Kaffeeservice von Pavel Janak auf."
Für diejenigen, die die kubistische Kirche in Pecky besuchen möchten, ist der folgende Hinweis bestimmt: Die Besichtigung der Kirche ist nach vorheriger Vereinbarung möglich, die Interessenten können sich an den Kurator der Gemeinde, Tomas Teply, wenden: Tel.: + 420 739 038 565, E-mail: [email protected].