Einst kommunistische Pilgerstätte und heute? Streit ums Geburtshaus von Jan Hus
In Tschechien ist der 6. Juli ein Feiertag. Es wird an Jan Hus gedacht, den mittelalterlichen religiösen Reformator, den die katholische Kirche 1415 in Konstanz verbrennen ließ. An diesem Tag findet in seinem südböhmischen Geburtsstädtchen Husinec traditionell ein ökumenischer Gottesdienst statt. Politiker aller Couleur lassen sich meist nicht die Gelegenheit entgehen, dort eine Festrede zu halten. Im Schatten der Feier stellt sich jedoch die Frage, was mit dem Geburtshaus von Jan Hus in der Zukunft geschehen soll.
„Die marxistische Geschichtsschreibung hat die hussitische Bewegung nur aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet und ideologische Ursachen völlig vernachlässigt. Es war traurig und komisch zugleich, dass Jan Hus zum Symbol des antikatholischen und antikirchlichen Kampfes gemacht wurde. Wir wissen schließlich ganz genau, dass er nie das katholische Dogma in Frage gestellt hat und sogar noch in den Flammen ein Marienlied gesungen hat. Falsch ist auch die Sichtweise, die Hus als einen Kämpfer gegen die Germanisierung darstellte. Tatsächlich ging es ihm überhaupt nicht um nationale Fragen. Bei der Würdigung von Hus kehren wir heutzutage zur Normalität zurück: Nach langjährigen Beratungen einer Historikerkommission hat Papst Johannes Paul II. 1999 Jan Hus als kirchlichen Reformator anerkannt und seinen Tod auf dem Scheiterhaufen bedauert. Seitdem sind mehrere Bürgerinitiativen entstanden, die Hus als einen Brückenbauer zwischen den Kirchen und als ein Symbol der Versöhnung propagieren“, so Historiker Chadima.
Jan Hus wird auch in seinem Museum in Husinec in diesem Sinne dargestellt. Doch so wie das derzeit geschieht, scheint es nicht zu reichen. Denn die Besucherzahlen sind enorm zurückgegangen. Während in den 80er Jahren bis zu 30.000 Menschen im Jahr kamen, sind es heutzutage knapp 5000. Das Museum braucht also ein neues Konzept. Aber nicht nur das: Es muss auch gründlich renoviert werden.2007 meldete sich ein privater Investor, der versprach, die Renovierung für 150 Millionen Kronen, umgerechnet etwa sechs Millionen Euro, zu verwirklichen. Der Stadtrat von Husinec, Eigentümer des Hauses, war begeistert; die Schirmherrschaft für das Projekt übernahm der damalige Prager Erzbischof, Kardinal Miloslav Vlk. Nach einer gewissen Zeit stellte sich aber heraus, dass die Firma, der die Stadt inzwischen einen Vorschuss bezahlt hatte, insolvent war.
Eine neue Lösung sollte sein, das Haus für 50 Jahre kostenlos zu vermieten. Der Stadtrat initiierte dazu diesen Frühling eine öffentliche Diskussion. Doch bei dem Treffen ging es hoch her. Einige Bürger empfanden die Diskussionsrunde als Farce, so auch der oppositionelle Stadtverordnete Karel Vastl:„Warum sind wir eigentlich eingeladen worden? Angeblich sollte diskutiert werden, aber ich glaube, dass schon alles entschieden ist. Wir sind umsonst hierher gekommen. Diese Tagung hat keinen Sinn.“
Karel Vastl sagte zudem, dass er die Vermietung des Hauses ablehne:„Die Stadt sollte viel eher ein eigenes Projekt erstellen und die Renovierung aus eigenen Mitteln finanzieren. Ich glaube nicht, dass die Arbeiten so teuer sein müssen. Unabhängige Projektanten meinen, dass mit 150 Millionen Kronen das Haus auch vergoldet werden könnte. Natürlich kann man über die Kosten streiten, aber ohne konkretes Projekt sind alle Zahlen nur Märchen. Das ist doch einfach, oder?“
Auf das Angebot, das Hus-Haus zu vermieten, haben sich bereits zwei Bewerber beim Bürgermeisteramt gemeldet: der örtliche Turnverein Sokol und die Tschechoslowakische hussitische Kirche. Die Kirche lud Bürgermeister Robert Klesner und seine Vertreterin Vlasta Kalinová nach Prag ein, um sich die Vorstellungen der Stadt erläutern zu lassen. Klesner und Kalinová nahmen die Einladung an, was bei einigen Bürgern Ablehnung hervorrief. Warum sind sie nach Prag gereist? Was haben sie dort verhandelt? So lauteten ihre Fragen. Bürgermeister Klesner verstand indes nicht, wo das Problem liegen sollte.
„Wenn man irgendwohin eingeladen wird, kann man entweder ablehnen oder annehmen. Wir fanden keinen Grund, die Einladung abzulehnen. Hätten sich andere Interessenten gemeldet, würden wir auch ihnen unsere Pläne vorstellen. Es ist je nichts geheim daran: Unser Ziel ist es, für das Museum einen Betreiber zu finden, der die historischen Ereignisse angemessen und der heutigen Zeit entsprechend darstellt. Wir als Stadtverwaltung fühlen uns dazu nicht kompetent. Der Umbau des Museums steht erst in zweiter Reihe, wir wollen hier kein Hus-Disneyland. Die hussitische Kirche, die den Namen unseres berühmtesten Sohnes trägt und mit der wir beim Hus-Fest jedes Jahr zusammenarbeiten, ist für uns ein sehr seriöser und zuverlässiger Partner. Es gibt keine Zweifel, dass sie unsere Vorstellungen umsetzen kann. Was den Sokol-Verein betrifft, er hat hinsichtlich seiner Tradition sicher auch gute Beziehung zu Jan Hus. Eine Einladung zu einem Gespräch haben wir jedoch nur von der Kirche bekommen, und wir haben sie angenommen“, sagte Klesner. Mittlerweile hat der Stadtrat bereits eine Entscheidung getroffen. Er setzte sich über die Kritik hinweg und hat vor kurzem einen Mietvertrag mit der hussitischen Kirche geschlossen. Husinec vermietet das Gebäude nun symbolisch für eine Krone im Jahr. Die Kirche ist durch den Vertrag nicht verpflichtet, eine konkrete Summe in das Haus zu investieren; sie hat sich nur verpflichtet, es instand zu halten. Die Renovierung des Museums haben die Kirchenvertreter indes versprochen, zunächst soll ein Bauprojekt erstellt werden. Ob das umgesetzt wird, dürfte auch davon abhängen, wie viel Geld der Kirche für die Renovierung dann zur Verfügung steht.