Zu Ehren des Kirchenreformators: Jan-Hus-Gedenkstätte in Husinec
Am 6. Juli 1415 wurde der böhmische Kirchenreformator und Prediger Jan Hus auf dem Scheiterhaufen in Konstanz verbrannt. An Hus wird anlässlich seines bevorstehenden 600. Todestags an mehreren Orten Tschechiens erinnert – unter anderem auch in seinem Geburtsort, dem südböhmischen Städtchen Husinec. Das Geburtshaus des Predigers wurde in den letzten Jahren in Stand gesetzt und in ein Jan-Hus-Zentrum umgewandelt. Diese Gedenkstätte mit einer neuen Dauerausstellung wurde vor einem Monat eröffnet.
Priester, Rektor und Prediger
Im nächsten Raum wird Hus als Priester, Universitätspädagoge und Prediger vorgestellt. In einer als ein drehbarer Tisch gestalteten Vitrine sind seine literarischen Werke ausgestellt. Inmitten des Raums steht ein fragmentarischer gotischer Universitätssessel als Symbol für das unvollendete Werk von Jan Hus. Ausführlich wird der Werdegang des Predigers dargestellt: Zuerst besuchte er die Schule in Prachatice, von dort ging er als Student an die Universität nach Prag. Wie er selbst schrieb, wollte er ursprünglich studieren, um eine bessere Stellung in der Gesellschaft zu erlangen, sagt Hana Tonzarová:„Als er an der Universität die Bibel studierte, sah er ein, dass es eine falsche Vorstellung war, und er tat dafür Buße. In diesem Teil der Dauerausstellung wird die Arbeit von Hus als Rektor der Prager Universität beschrieben. Die Prager Karlsuniversität hat vor kurzem anlässlich des Hus-Jubiläums eine große Ausstellung im Karolinum eröffnet, die sich auf Hus und die Universität konzentriert. Von 1409 bis 1410 war Hus dort Rektor. Die Prager Universität war damals die einzige Universität nördlich der Alpen, sie hatte gute Kontakte sowohl zur Pariser Sorbonne als auch nach Oxford. Ich würde dies fast als ‚mittelalterliche Globalisierung‘ bezeichnen, weil die Professoren gut miteinander kommunizierten und Schriften zwischen den Universitäten ausgetauscht wurden. Aus dem Grund gelangten auch die Veröffentlichungen des englischen Theologen und Kirchenreformators John Wycliff aus Oxford nach Prag. Sie wurden an der Prager Universität viel studiert. Hus wird manchmal als Wycliffs Epigone angesehen. Dies ist aber nicht richtig, denn wenn damals ein berühmter Theologe oder Philosoph etwas schrieb, haben auch andere Gelehrte darüber nachgedacht und diskutiert. Hus war sich mit Wycliff nicht in allen Punkten einig.“
Auch Hus hatte Vorgänger
In einem kurzen Dokumentarfilm, den es auch in deutscher Fassung gibt, werden die Anfänge der böhmischen Reformation beschrieben. „Zu den Wurzeln“ lautet das Motto in diesem Teil der Dauerausstellung. Dies bedeute, zur Bibel zu greifen wie Jan Hus‘ Vorgänger, sagt Hana Tonzarová:„Zu sehen sind hier Porträts von John Wycliff, über den schon die Rede war, und von Konrad Waldhauser. Waldhauser war Schriftsteller und Prediger. Er hat auf Deutsch in Prag gepredigt. Zudem werden hier der böhmische Schriftsteller und Philosoph Matěj z Janova (Matthias von Janov, Anm. d. Red.), der an der Pariser Sorbonne gelehrt hat, und der böhmische Reformprediger Jan Milíč z Kroměříže (Johann Militsch von Kremsier) vorgestellt. Alle vier haben sie die Notwendigkeit einer Kirchenreform gesehen. Wichtig anzumerken, dass es die Epoche von Kaiser Karl IV. war. Dies war eine apokalyptische Zeit. Viele Menschen waren damals davon überzeugt, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleibe, um die begangenen Fehler auszubügeln. Die Prediger sollten dazu beitragen, dass die Welt besser wird.“
Predigten auf Tschechisch in Prag
Jan Hus predigte von 1402 bis 1412 in der Prager Betlehemskapelle in tschechischer Sprache. Dies brachte ihm laut Hana Tonzarová sehr viele Anhänger. In der Kapelle versammelten sich oft 2000 bis 3000 Leute. Unter ihnen war beispielsweise auch Königin Sophie, die Frau von König Wenzel IV. – Hus kannte die Königin und einige andere hohe Adelige persönlich. Aus diesem Grund sei sein gesellschaftlicher Status gestiegen, sagt die Theologin. Denn Hus stammte aus einem Dorf in armen Verhältnissen. Und nun gehörte er zu den bedeutenden Persönlichkeiten – nicht nur in Prag, sondern in ganz Böhmen – und hatte viele Anhänger auch unter dem Adel. Worin bestand sein Charisma als Prediger? Die Expertin:„Erstens hat er tschechisch gepredigt. Er war zwar nicht der einzige, aber er hat zehn Jahre lang in der Betlehemskapelle gepredigt. Er schrieb mehr als 1000 Predigten. Man kann sie heute noch lesen. Hus machte auf prägnante Weise auf die schlechten Seiten der Kirche sowie der Gesellschaft aufmerksam. Seine kritischen Worte waren sowohl gegen Fürsten, als auch gegen einfache Leute gerichtet. Er wollte mit seiner Kritik erreichen, dass die Menschen den Weg zum Gott finden. Die Besucher der Kapelle begriffen dies. Seine Auslegung der Bibel war zudem gut zu verstehen. Es ist sehr interessant, dass Hus sagte, es gebe Menschen, die Mitglieder der Kirche seien, aber vor Gott gehörten sie nicht zur Kirche. Dagegen gab es laut Hus Menschen, die vor Gott zur Kirche gehörten, aber nicht Mitglieder einer organisierten Kirche waren. Dies ist eine sehr moderne Idee. Es gibt verschiedene Ansichten dazu, was es bedeutet, in der Kirche zu sein. Das hat Hus in seinem Werk ‚De ecclesia‘ (Über die Kirche, Anm. d. Red.) beschrieben.“
Prozess in Konstanz
Ein audiovisuelles Ausstellungselement vermittelt eine Vorstellung davon, wie der Prozess gegen Jan Hus beim Konstanzer Konzil verlaufen sein könnte. Das Programm gibt es auch in deutscher Fassung. Dabei werden Bilder auf eine Glasfläche auf dem Boden projiziert. Inmitten des Raums befindet sich ein verstümmelter Baum, der vom Blitz getroffen wurde. Aus dem Lautsprecher erklingen die Stimmen der wichtigsten Konzilsteilnehmer. Ist sies nur eine Fiktion, oder könnte sich der Prozess ungefähr so abgespielt haben? Hana Tonzarová:„Leider gibt es keine Akten zum Hus-Prozess in Konstanz. Wir haben nur die Berichte vom Konstanzer Bürger und Chronisten Ulrich von Richental und von Hus´ Schüler Petr z Mladoňovic. Ein Faksimile von Richentals Buch wurde letztes Jahr von der Stadt Konstanz herausgegeben. Der Bericht von Petr z Mladoňovic ist einige Male schon in Tschechien erschienen. Es ist erstaunlich, dass die Männer, obwohl beide beim Prozess in Konstanz dabei waren, ihn völlig unterschiedlich beschreiben. Das audiovisuelle Programm geht vom Bericht von Petr z Mladoňovic aus. Das inmitten des Raums installierte Baumfragment symbolisiert den Scheiterhaufen von Konstanz. Es ist eine künstlerische Darstellung des Todes von Jan Hus am 6. Juli 1415. An der Wand gegenüber ist ein Licht zu sehen, das den Glauben von Jan Hus symbolisiert.“
Die Führung durch das Jan-Hus-Zentrum in Husinec werden wir in einer der nächsten Ausgaben des Reiselands fortsetzen. Die Hus-Gedenkstätte ist von Juni bis August täglich geöffnet, und zwar von 9 bis 12 Uhr und von 12.30 bis 17 Uhr. Im Mai, September und Oktober wird das Zentrum eine Stunde früher, also um 16 Uhr geschlossen.