„Ježíškova vnoučata“: Weihnachtsenkel erfüllen Wünsche auch zu Corona-Bedingungen
Schon das fünfte Jahr infolge hat der Tschechische Rundfunk zu Weihnachten „Jesuleins Enkel“ gesucht. Mit der Aktion „Ježíšková vnoučata“ werden Bewohnern von Seniorenheimen und Pflegeeinrichtungen große und kleine Wünsche erfüllt, und dies mit Hilfe von Spendern, die damit symbolisch eine Enkel-Rolle übernehmen. Da das Projekt von den persönlichen Begegnungen der Schenkenden und Beschenkten lebt, sind in der Corona-Zeit Improvisation und Rücksichtnahme gefragt.
Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass die alltäglichsten Dinge gleichzeitig die wertvollsten sein können. So beginnt der Videospot des aktuellen Jahrgangs von „Ježíšková vnoučata“. Gemeint sind damit vor allem Begegnungen von Familien und Freunden, die durch die Corona-Pandemie deutlich reduziert wurden.
Aber auch ganz gewöhnliche Gegenstände können – besonders zu Weihnachten – Freude bereiten, berichtet Gabriela Drastichová. Die Direktorin des Stiftungsfonds des Tschechischen Rundfunks beschreibt die Wunschliste, die bei der Spendenaktion in diesem Jahr abgearbeitet wurde:
„Es gibt Wünsche, die sich jedes Jahr wiederholen. Oft möchten Senioren etwas für den Haushalt, für ihr Zimmer. Oder aber Erlebnisse wie einen Theaterbesuch oder den Auftritt eines Sängers in ihrer Wohneinrichtung. Dann gibt es jedes Jahr sozusagen spezielle Hits, aktuell etwa das neue Buch über Karel Gott. Und nicht zuletzt tauchen immer wieder Wünsche auf, die uns überraschen. Eine Dame etwa, die Maschinenschlosserin gelernt hat, wollte gern noch einmal im Leben an der Kurbel einer Straßenbahn drehen.“
Tausende von Wünschen sind in einer Datenbank gesammelt. Die Mitarbeiter von Seniorenheimen haben sie dort für ihre Bewohner eingetragen. Seit 15. November ist die Liste öffentlich einsehbar. Wer ein Weihnachtsenkel werden will, sucht sich einfach einen Eintrag aus und besorgt das Geschenk. Alle Beteiligten würden schnell lernen, mit dem System umzugehen, sagt Mariette Prajslerová. Trotzdem möchte die Projektkoordinatorin immer noch nicht davon sprechen, dass sich das Wünscheerfüllen in den fünf Jahren professionalisiert habe:
„Weil unser Team nicht besonders groß ist, haben wir dieses Selbstbedienungssystem entwickelt. Sofern es keine technischen Probleme gibt, verläuft die Kommunikation direkt zwischen dem Spender und der Einrichtung. Dies sind nicht nur Seniorenwohnheime, sondern auch Pflegedienste. Und in letzter Zeit haben sich ebenfalls Sozialämter und Stadtverwaltungen angeschlossen, die sich um vereinsamte Senioren kümmern. In die Kommunikation mit dem Spender müssen wir oft gar nicht mehr eingreifen. Wir wollen unseren Verwaltungsaufwand ja auch niedrig halten.“
Drei Leute, 17.000 Wünsche
Drei Mitglieder hat das Team von „Ježíšková vnoučata“. Demgegenüber lag die Zahl der Beschenkten im vergangenen Jahr bei über 17.000. Prajslerová ist sichtbar zufrieden, dass das Projekt bereits eine Art Selbstläufer ist:
„Das Schöne ist, wenn ich aus den Rückmeldungen erfahre, dass die Seniorenheime die Wünsche der Bewohner schon gar nicht mehr in unsere Datenbank eingeben. Denn die Spender vom vergangenen Jahr melden sich inzwischen direkt bei ihnen und fragen nach, ob sie der betreffenden Person auch in diesem Jahr etwas schenken können. Genau dies war unser Ziel – dass Senioren und Spender in Verbindung treten. Das Projekt heißt ja ‚Jesuleins Enkel‘, weil die Spender eine Art Ersatz sein sollen für Enkel, die es entweder nicht gibt oder die sich nicht melden.“
Begeistert von der zuverlässigen Projektregie ist Petra Zimmelová. Sie leitet das Seniorenheim „Máj“ in České Budějovice / Budweis und konnte schon mehrere Bewohner auf diese Weise bescheren lassen.
„Es ist ein tolles Konzept, weil es beiden Seiten entgegenkommt. Das sind zum einen Menschen, die am Ende ihres Lebens einsam sind und wenig soziale Kontakte haben. Zum anderen weckt die Adventszeit in vielen Leuten das Bedürfnis, jemandem zu helfen und eine Freude zu bereiten. ‚Jesuleins Enkel‘ machen die Weihnachtszeit angenehmer.“
Dies hat gerade in Pandemiezeiten noch einmal an Bedeutung gewonnen. Gleich im ersten Jahrgang der Spendenaktion 2017 wurde den Organisatoren bewusst, dass der persönliche Besuch zur Übergabe wichtiger ist als das eigentliche Geschenk. Diese Kontakte werden auch im zweiten Corona-Jahr erheblich eingeschränkt. Stiftungsfonds-Chefin Drastichová berichtet:
„Im vergangenen Jahr war das noch etwas komplizierter, denn wir hatten alle das erste Mal mit dieser Situation zu tun. Die Einrichtungen haben aber schnell gelernt, verschiedene Kommunikationsinstrumente für Telefonkonferenzen oder Videoanrufe zu nutzen. Wo also in diesem Jahr der persönliche Besuch und die Übergabe des Geschenks nicht möglich sind, rufen wir die Spender auf, per Videogespräche und Telefonanrufe den Kontakt aufzunehmen.“
Das Projektteam bot im vergangenen Jahr sogar eine eigene Kommunikations-App für den virtuellen Kontakt an. Darauf wurde in diesem Jahr allerdings wieder verzichtet, denn sie sei nicht auf allzu großes Interesse gestoßen, sagt Projektkoordinatorin Prajslerová:
„Die App hat eher Irritationen hervorgerufen. Denn Senioren fehlt dafür oft das Verständnis oder die Vorstellungskraft. Videogespräche oder Technik im Allgemeinen sind für sie unbekanntes Terrain. Darum hat sich dies wohl auch nicht durchgesetzt.“
Persönlicher Besuch oder handgeschriebene Briefe
Eher würden noch handschriftliche Briefe mit dem Geschenk verschickt, fährt Prajslerová fort. Am liebsten machten die Spender sich aber ihrer Erfahrung nach immer noch selbst auf den Weg ins Seniorenheim. Viele Einrichtungen haben deshalb die Geschenkübergaben in den vergangenen Wochen unter Hygienebedingungen ermöglicht, also nach der 2G- oder 3G-Regel.
Über einen persönlichen Besuch konnte sich etwa eine ältere Dame namens Eliška freuen, die in einem Wohnkomplex in Lysá nad Labem / Lissa an der Elbe lebt. Michaela van Erne, eine bekannte Moderatorin des Tschechischen Rundfunks, hatte ein Päckchen in gepunktetem Papier für sie vorbereitet:
„Unter normalen Umständen packe ich Geschenke in Zeitungspapier ein. Eliška, der ich heute einen Wunsch erfülle, soll aber eine etwas schönere Verpackung haben. Darin sind drei Bücher. Weil es sich um Winnetou-Erzählungen handelt, stecken sie in einem Indianer-Säckchen.“
Beim persönlichen Gespräch erzählte die Seniorin, warum sie Winnetou so mag:
„Ich habe meinen beiden Kindern früher Winnetou-Bücher gekauft. Als ich mich auf den Umzug ins Seniorenheim vorbereitet habe, konnte ich nur zwei oder drei Bücher einpacken. Also habe ich den Rest, auch den Winnetou, wieder an andere Kinder verschenkt. Ich habe auch die Winnetou-Filme gesehen und dabei ganz schön geheult.“
Eine ganze Stunde unterhielten sich die beiden Frauen, und wieder einmal bestätigte sich, dass in der gemeinsam verbrachten Zeit der eigentliche Erfolg von „Ježíškova vnoučata“ liegt. Und Projektkoordinatorin Prajslerová ergänzt:
„Dies ist zudem der Grund, warum wir auch viele Wünsche von Senioren mit Familie haben. In vielen Fällen kommen die Angehörigen nicht sehr häufig zu Besuch. Oft wünschen sich die Senioren zudem, einfach auch mal andere Menschen zu sehen. Sie leben in ihrer sozialen Blase, sehen immer die gleichen Pfleger, die gleichen Mitbewohner um sich herum und einige ihrer Familienmitglieder. Wenn dann jemand Neues dazukommt, ist dies für die Betreffenden eine echte Bereicherung und ein Erlebnis.“
Selbst wenn vieles bei „Ježíškova vnoučata“ inzwischen von alleine laufe, stoße ihr Team doch immer wieder auf dieselben Probleme:
„Natürlich ist nicht alles perfekt, manchmal gibt es Schwierigkeiten. Es kommt durchaus zu Missverständnissen, entweder von Seiten der Senioreneinrichtungen oder auch von Seiten der Spender. Diese verstehen nicht immer, dass ein ganzer Wunsch erfüllt werden muss, etwa weil sie sich die Informationen dazu nicht richtig durchlesen und dann überrascht sind. Mitunter sind die Spender voreilig und erwarten eine schnelle Rückmeldung vom Seniorenheim. Da fehlt dann das Verständnis, dass diese Einrichtung auch noch andere Sorgen haben, gerade in dieser Zeit.“
Dies seien aber eher die Ausnahmen. Denn meist bereite ihr die Arbeit große Freude, sagt Prajslerová, die von Anfang an bei „Ježíškova vnoučata“ dabei ist. Um dies zu verstehen, reicht ein Blick auf die Webseite des Projektes. Knapp zwei Millionen Kronen (79.000 Euro) sind seit Mitte September gespendet worden – und das zusätzlich zu den Sachgeschenken, mit denen die konkreten Wünsche der Senioren erfüllt werden. Um diese Geldsammlung zu ermöglichen, wurde das Projekt im vergangenen Jahr in den Stiftungsfonds des Tschechischen Rundfunks aufgenommen. Damit laufe alles transparent, ohne Gewinnorientierung und in eigener Verwaltung ab, erläutert Prajslerová:
„Geld wird inzwischen das ganze Jahr über gesammelt, und auch manche Wünsche werden dann noch erfüllt. Wir finden, dass es sich nicht nur um eine einmalige Aktion zur Weihnachtszeit handeln muss. Das Interesse besteht das ganze Jahr über. Außerdem haben einige Senioren Wünsche, die sich nicht zu Weihnachten erfüllen lassen. Darum erledigen die Spender dies auch im neuen Jahr. Aber das größte Interesse besteht natürlich in der Vorweihnachtszeit.“
Und somit konnte auch in diesem Jahr die Hochsaison von „Ježíškova vnoučata“ erfolgreich abgeschlossen werden. Kurz vor Heiligabend war fast keiner der über 16.200 Wünsche in der Datenbank mehr unerfüllt.