Inflation zwingt Familien in Tschechien zu Sparsamkeit an Weihnachten
Weniger Geschenke und ein bescheideneres Festmahl – viele Menschen in Tschechien gehen Weihnachten dieses Jahr etwas sparsamer an. Vor allem die ärmere Hälfte der Bevölkerung muss sich einschränken.
Der achtjährige Šimon zeigt die Stelle am Fenster, an der er vor gut einer Woche seinen Wunschzettel hinterlassen hat. Es habe vier Tage gedauert, bis das Jesuskind den Brief heimlich abgeholt hat. Und weiter erzählt der Junge:
„Ich hätte gern ein Motorrad, so ein kleines für Kinder. Mama hat mir gesagt, dass ich diesmal weniger Wünsche aufschreiben soll, denn wir müssen sparen.“
Šimons Mutter Jarmila bestätigt das:
„In diesem Jahr haben wir weniger Geschenke gekauft und nicht mehr so teure, wie es die Kinder bisher gewohnt waren. Außerdem versuchen wir ihnen zu erklären, dass es an Weihnachten nicht nur um Geschenke geht.“
Wie in vielen anderen Haushalten in Tschechien auch wirken sich die Inflation und die hohen Energiepreise auf die Weihnachtsplanungen der Familie Osičkova aus der Nähe von Břeclav / Lundenburg in Südmähren aus. Ebenso wolle man sich beim Weihnachtsessen zumindest ein wenig einschränken, fügt Jarmila hinzu. Und veranschaulicht damit, was die neusten Daten des Meinungsforschungsinstituts PAQ Research besagen. Demnach will ein Drittel aller Privathaushalte in Tschechien die Ausgaben für das Fest beschränken. Dies ist das aktuellste Ergebnis der Langzeitstudie „Česko 2022: Život k nezaplacení“ (Tschechien 2022: Unbezahlbares Leben), die im Auftrag des Tschechischen Rundfunks durchgeführt wird. Sparen wollen die Menschen demzufolge vor allem bei Geschenken für erwachsene Angehörige und Freunde. Etwa 17 Prozent der 1600 Befragten geben aber an, auch die Bescherung für die Kinder bescheidener gestalten zu müssen. Und 20 Prozent sehen Einsparpotential in der Ausstattung der Feiertage und bei Besuchen.
Besonders im ärmeren Bevölkerungsteil Tschechiens nimmt derzeit die Zahl jener Privathaushalte zu, die nach Begleichen aller laufenden Kosten noch weniger als 3000 Kronen (knapp 124 Euro) pro Person frei zur Verfügung haben. Deswegen sei diese Gruppe häufiger zu Sparmaßnahmen an Weihnachten gezwungen als reichere Haushalte, sagte der Soziologe Daniel Prokop von PAQ Research in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„In der Bevölkerungshälfte mit einem geringen Einkommen wollen 43 Prozent der Befragten sparen. In den Haushalten, deren Bezüge über dem Median liegen, ist es etwa ein Drittel, und bei den Haushalten mit einem hohen Einkommen sind es nur 15 Prozent. Diese Zahlen entsprechen der Tatsache, dass die Inflation vor allem bei den Energie- und Wohnkosten die Menschen der unteren Bevölkerungshälfte wesentlich stärker bedroht und ihre Kaufkraft einschränkt.“
Entsprechend verzeichnen auch tschechische Hilfsorganisationen eine höhere Zahl an Abnehmern von Weihnachtsgeschenken, die dank Spendensammlungen verteilt werden. Der Klub svobodných matek (Club der ledigen Mütter) registriert etwa zehn bis 20 Prozent mehr Interessenten beim Projekt „Vánoční strom přání“ (Weihnachtsbaum der Wünsche), das Kinder aus ärmeren Familien beschert. Direktorin Dana Pavlousková:
„Wir erklären uns das mit den gestiegen Lebenshaltungskosten infolge der Inflation. Alleinerziehenden bleibt derzeit kein Geld übrig, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen.“
Einen Anstieg der Klienten um etwa zehn Prozent vermeldet auch die tschechische Diakonie, die alljährlich die Sammlung „Krabice od bot“ (Schuhkarton) durchführt. Dabei bereiten Spender Weihnachtspäckchen für Kinder einer bestimmten Altersgruppe vor. Beim Projekt „Ježíškova vnoučata“ (Jesuleins Enkel), mit dem der Tschechische Rundfunk bedürftigen Senioren Wünsche erfüllt, ist das Interesse hingegen ähnlich hoch wie in den Vorjahren.