Alles wird teurer: Immer weniger Tschechen können noch sparen
Angesichts der hohen Inflationsraten in Tschechien gewinnen wirtschaftlich-soziologische Erhebungen immer mehr an Brisanz. In dieser Woche haben wir uns bereits mit Wohnungsnot beschäftigt. Aber auch davon abgesehen geraten die Menschen hierzulande finanziell an ihre Grenzen. Das zeigt ich etwa darin, dass immer mehr tschechische Haushalte am Ende des Monats keine einzige Krone mehr übrig haben – oder sogar Schulden machen müssen.
Die Tschechen sind in den vergangenen Monaten hoher Inflationsraten ärmer geworden. Laut dem Innenministerium wird die Teuerung aufs ganze aktuelle Jahr gerechnet bei 15 Prozent liegen. Ein Effekt davon ist, dass die Menschen immer weniger Geld beiseitelegen können. Die entsprechenden Zahlen hat das Meinungsforschungsinstitut PAQ Research für den Tschechischen Rundfunk erhoben, und zwar im Rahmen des Projekts „Česko 2022: Život ke nezplacení“ (Tschechien 2022: Unbezahlbares Leben).
Im Schnitt sind es hierzulande 5000 Kronen monatlich pro Haushalt, also rund 205 Euro, die gespart werden. Im November vergangenen Jahres lag der Betrag noch um 3000 Kronen (123 Euro) höher. Für bestimmte Einkommensgruppen sind solche Sparsummen aber utopisch. Dazu die Soziologin Eliška Dvořáková von PAQ Research:
„Sehr schlecht gestellt sind Haushalte mit Kindern, deren Einnahmen unter der Armutsgrenze liegen. Sie sparen im Schnitt nur um die 700 Kronen pro Monat, obwohl es vor einem Jahr noch über 3000 Kronen waren.“
Diese Haushalte können also nicht einmal mehr ein Viertel des früheren Betrags zur Seite legen. 700 Kronen entsprechen derzeit 29 Euro.
Deutlich gestiegen ist verständlicherweise auch der Anteil jener Haushalte, denen am Ende des Monats nichts mehr bleibt. Aktuell sind es 35 Prozent, vor einem Jahr waren es nur 20 Prozent. Und wieder sind Familien mit Kindern am schlechtesten dran:
„Bei diesen Familien sind es sogar 53 Prozent der Haushalte, die am Monatsende nichts übrig haben. Dies bedeutet fast eine Verdoppelung gegenüber November vergangenen Jahres. Damals waren nur 29 Prozent betroffen.“
Eliška Dvořáková hält diese Zahlen für alarmierend. Aber selbst bei Haushalten mit hohen Einkommen ist der Geldbeutel längst nicht mehr so prall gefüllt. Fast alle Bevölkerungsgruppen in Tschechien sind also von der Entwicklung betroffen…
„Hauptsächlich liegt das daran, dass Tschechien schon seit einem Jahr mit der Inflationskrise kämpft, bei der nicht nur die Energiepreise, sondern auch insgesamt die Wohnkosten und die Lebensmittelpreise stark angestiegen sind. Deswegen haben immer mehr Haushalte finanzielle Probleme. Das heißt, ihr Reallohn und ihre Ersparnisse sinken“, so die Expertin.
Und das wird sich im kommenden Jahr wohl fortsetzen. Denn die meisten Tarifabschlüsse für 2023 dürften deutlich unterhalb der Teuerungsrate liegen. Übergreifende landesweite Berechnungen dazu gibt es zwar nicht, aber eine Umfrage des Arbeitsvermittlungsportals LMC unter Firmenmanagern vom April dieses Jahres zeigt einen klaren Trend: Über 90 Prozent der Arbeitgeber hierzulande gaben an, nicht mehr als zehn Prozent auf die Löhne drauflegen zu wollen – und mehr als die Hälfte nicht mehr als fünf Prozent.
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