Jobsuche grenzenlos

Foto: Europäische Kommission
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Nur noch wenige Tage, dann öffnet sich für Tschechinnen und Tschechen eine weitere Tür zu den europäischen Nachbarn: Ab 1. Mai können Bürger aus den neuen EU-Staaten auch in Deutschland und Österreich uneingeschränkt auf Jobsuche gehen. An diesem Tag endet nämlich offiziell die siebenjährige Übergangsfrist, mit der die älteren Mitgliedsländer ihren Arbeitsmarkt zunächst noch abschirmen durften vor dem befürchteten Ansturm der „Neuen“. Einige machten davon gar keinen Gebrauch und öffneten den Arbeitsmarkt sofort mit der EU-Erweiterung im Mai 2004. Andere Staaten zogen später nach. Nur die Regierungen in Berlin und Wien entschlossen sich, die Frist bis zum Ende auszunutzen. Waren die Ängste vor einem Massenzustrom von Arbeitskräften berechtigt? Und welche Barrieren bestehen nach wie vor auf dem Arbeitsmarkt der EU? Gerald Schubert hat mit Libor Rouček gesprochen, dem aus Tschechien stammenden Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments.

Libor Rouček
Herr Vizepräsident, am 1. Mai endet die siebenjährige Übergangsfrist, die den Arbeitsmarkt in den alten EU-Staaten noch gegenüber den neuen Mitgliedsstaaten verschließt. Eigentlich gilt das aber nur noch für Deutschland und Österreich, alle anderen haben ihren Arbeitsmarkt schon vorher geöffnet. Doch beginnen wir am Anfang: Wenn Sie auf das Jahr 2004, auf den tschechischen EU-Beitritt zurückblicken – hatten Sie damals Verständnis für diese Fristen, oder war das für Sie etwas Antieuropäisches?

„Antieuropäisch nicht. Ehrlich gesagt, ich war ein bisschen enttäuscht, aber gleichzeitig hatte ich dafür Verständnis. Besonders was Österreich betrifft. Österreich grenzt an Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien. Viele Österreicher hatten damals Angst, dass neue Arbeitskräfte kommen, wenn die Grenze geöffnet wird. Später, nach zwei Jahren oder weiteren drei Jahren – so waren damals die Fristen geregelt – war ich wieder ein bisschen enttäuscht. Die Holländer, die Belgier, die Franzosen, die Italiener, die Spanier, alle haben ihre Arbeitsmärkte geöffnet, nur nicht Deutschland und Österreich.“

Sehen Sie auch einen Zusammenhang mit anderen Fristen? Auch die Tschechen hatten ja Fristen, etwa beim Grunderwerb. Beurteilen Sie diese Dinge gleich?

„Ja natürlich. Besonders in Österreich gab es Befürchtungen darüber, was mit dem Arbeitsmarkt geschehen wird. In Tschechien oder in der Slowakei wiederum gab es Befürchtungen, dass die Österreicher oder die Deutschen die Wohnungen und Häuser aufkaufen, wenn man den Immobilenmarkt öffnet, weil die Preise dort niedriger waren.“

Man sagt manchmal, dass nun gar nicht mehr so viele Arbeitskräfte aus den neuen EU-Staaten, also auch aus Tschechien, nach Deutschland oder Österreich kommen werden, weil die meisten, die kommen wollten, schon lange hier sind. In bestimmten Bereichen gab es ja etwa Quoten. Sehen Sie das auch so, oder befürchten Sie jetzt noch einen großen Ansturm in Richtung dieser Länder?

Foto: Europäische Kommission
„Es wird zu keinem Ansturm kommen. Wie Sie gesagt haben: Wer im Ausland arbeiten wollte, ist schon dort. Zum Beispiel was Deutschland betrifft: Seit mehreren Jahren gab es für die Tschechen Quoten für ungefähr 10.000 Arbeitskräfte. Die Tschechen haben diese Quote überhaupt nicht ausgenützt. Das zeigt nur, dass dort kein Bedarf an Arbeit im Ausland besteht. Meiner Meinung nach wird sich auch nach dem 1. Mai sehr wenig daran ändern. Ich glaube, es wird sich um ein paar hundert Fälle handeln, mehr nicht.“

Wenn die Übergangsfristen jetzt wegfallen, dann ist das sozusagen ein weiterer Schritt zur Erfüllung der vier Grundfreiheiten in der Europäischen Union. Welche Hürden müssen als nächstes bewältigt werden, um die europäische Integration so zu gestalten, dass sie den Menschen auch nützt?

„Genau. Wir haben die vier Freiheiten, also die freie Bewegung von Menschen, Kapital, Dienstleistungen und Waren. Das gilt schon seit Jahren, aber in der Realität gibt es noch Schwierigkeiten. Wenn zum Beispiel ein Elektriker oder Installateur aus Österreich in Deutschland oder in Italien seine Arbeitskraft anbieten will, dann hat er zahlreiche administrative Probleme. Das muss sich meiner Meinung nach ändern. Wenn ein Österreicher in Deutschland oder sagen wir in Schweden arbeitet, dann gibt es Probleme mit Sozialversicherung, Krankenversicherung, Pensionsversicherung und so weiter. Also müssen wir uns mit diesen Dingen beschäftigen um sie Schritt für Schritt zu ändern.“

Foto: Europäische Kommission
Und sind Sie da optimistisch, etwa was die Initiativkraft des Europäischen Parlaments betrifft? Bewegt sich etwas in diese Richtung?

„Ich bin Optimist, aber auch Realist. Das heißt, dass das nicht über Nacht passieren wird. Es wird mehrere Jahre dauern. Aber was die europäische Legislative, die Tätigkeit des Europäischen Parlaments betrifft: Wir haben zum Beispiel bereits die Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet und andere Gesetze, und damit mehr Freiheiten und eine weitere Öffnung der Märkte erzielt.“