Jubilarin Marta Kubišová: Musikikone und Bürgeraktivistin

Marta Kubišová

Marta Kubišová hat in der hiesigen Musikszene sowie in der tschechischen Geschichte eine besondere Stellung inne: Sie ist nicht nur eine einzigartige Sängerin, sondern war als Künstlerin auch dem kommunistischen Regime ein Dorn im Auge. In diesen Tagen feiert Kubišová ihren 80. Geburtstag.

Marta Kubišová im Jahr 2016 | Foto: David Sedlecký,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

Das ursprünglich französische Lied war einer der ersten Songs, mit dem Marta Kubišová Anfang der 1960er Jahre bei ihren Konzerten Erfolge feierte. Die Sängerin stammt aus České Budějovice / Budweis. Da sie aus einer bürgerlichen Familie stammte, hinderte das kommunistische Regime sie daran, an einer Universität zu studieren. Deswegen begann sie, als Beamte zu arbeiten. Sängerin wurde sie dank eines Zufalls: Ein Musiker hörte einmal ihre Singstimme und erkannte ihre Begabung. Kubišová trat zunächst im Theater Alfa in Plzeň / Pilsen und bald auch im Prager Theater Rokoko auf. Und sie startete eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Helena Vondráčková und Václav Neckář.

Für den Song „Oh baby, baby“ gewannen Kubišová und Vondráčková 1966 beim damals populären Liederwettbewerb „Leier von Bratislava“ den zweiten Preis, die sogenannte silberne Leier. Außerdem wurde Kubišová im selben Jahr zum ersten Mal der Publikumspreis „Goldene Nachtigall“ verliehen. Dieser Preis beruhte auf einer Umfrage in der damals beliebten Zeitschrift „Mladý svět“ zum populärsten Sänger und der populärsten Sängerin der Tschechoslowakei.

Marta Kubišová wurde hierzulande zu einem der beliebtesten Stars. Außer bei Konzerten trat sie auch im Theater auf und spielte in Filmen und Fernsehserien mit. 1968 gab sie mehrere Konzerte in Frankreich. Der Prager Frühling half Marta Kubišová bei ihrem Aufstieg. Nach vielen Jahren gab es keine Zensur mehr, und man konnte wieder ins Ausland reisen. Die politische Entspannung war jedoch nur eine kurze Phase. Am 21. August 1968 marschierten die Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein und beendeten so die hiesigen Reformbemühungen. Marta Kubišová war damals zusammen mit Helena Vondráčková und Václav Neckář das Trio Golden Kids. Man trat unter anderem auch in Cannes auf. Kubišová gewann zudem eine weitere „Goldene Nachtigall“. Doch die Atmosphäre in der Tschechoslowakei wurde immer gedrückter, es brach die Zeit der sogenannten „Normalisierung“ an. Die Golden Kids drehten sogar einen Film mit dem Titel „Revue für den Thronfolger“ in Zusammenarbeit mit dem Südwestfunk. Aber in der Tschechoslowakei durfte dieser Film dann nicht gezeigt werden. Und im Februar 1970 wurde die Golden Kids offiziell aufgelöst. Helena Vondráčková und Václav Neckář durften weiterhin singen. Marta Kubišová erhielt ein Auftrittsverbot und durfte auch keine Schallplatten mehr aufnehmen. Und sie siegte eigentlich auch erneut in der Umfrage „Goldene Nachtigall“. Doch das Regime fügte die Ergebnisse der Umfrage in den Kategorien Sänger und Sängerin nachträglich zusammen, sodass der regimekonforme Karel Gott den Preis holte.

Marta Kubišová wurde nie offiziell mitgeteilt, warum man ihr verbot, öffentlich aufzutreten. Das kommunistische Regime hatte wohl einfach Angst vor der unbeugsamen Künstlerin. Diese versuchte sich mit verschiedenen Jobs über Wasser zu halten. Kubišová unterschrieb die Charta 77 und wurde dann vom kommunistischen Geheimdienst StB verfolgt. Die Sängerin war zwei Jahre lang sogar Sprecherin der Charta 77. Sie nahm noch einige Volkslieder und ihren berühmtesten Song „Das Gebet für Marta“ zusammen mit dem Liedermacher Jaroslav Hutka auf – für ein Album, das in Schweden herausgegeben wurde. In ihrer Heimat konnte Marta Kubišová erst wieder während der Samtenen Revolution auftreten – das erste Mal war dies am 21. November 1989 auf dem Prager Wenzelsplatz. Dort fand eine der ersten großen Demonstrationen statt, die den endgültigen Zusammenbruch des kommunistischen Regimes beschleunigten. Kubišová arbeitete damals als Referentin bei einem Baubetrieb nahe dem Wenzelsplatz. Erst kurz vor dem Beginn der Demonstration forderte der spätere Präsident Václav Havel die Sängerin auf, vom Balkon des Melantrich-Gebäudes das „Gebet für Marta“ zu singen. Unten standen rund 100.000 Menschen. Kubišová sagte später, dass wohl kaum eine Sängerin jemals solch ein Comeback hatte. Marta Kubišová ist seitdem wieder bei zahlreichen Konzerten aufgetreten und nahm auch neue CDs auf. Zudem spielte sie im Theater „Ungelt“. Das letzte offizielle Konzert gab sie am 1. November 2017 in Budweis. Seitdem ist sie jedoch einige Mal als Gast bei Konzerten ihrer Kollegen auf die Bühne gekommen. Regisseurin Olga Sommerová drehte 2014 einen Dokumentarfilm über Marta Kubišová. Die Sängerin hat auch nicht aufgehört, sich politisch zu engagieren, so hat sie sich unter anderem für chinesische Regimegegner eingesetzt. Anlässlich ihres 80. Geburtstags plant der öffentlich-rechtliche Tschechische Rundfunk ein „Konzert für Marta“ am 3. November im Prager Lucerna-Saal.