Kafka unterm Hammer: Kehren seine Briefe nach Prag zurück?

Franz Kafka

Am 19. April werden Handschriften von Franz Kafka in Berlin versteigert. Es handelt sich dabei um die Briefe des Prager Schriftstellers an seine jüngste Schwester Ottla Kafka. Der Inhalt der Briefe ist bekannt, sie sind publiziert. Dennoch geht von den Originalhandschriften ein ganz besonderer Reiz aus – denn sie gewähren Forschern mehr Einblicke als der Text allein. Deshalb würde das Literaturarchiv in Marbach die Briefe gerne erwerben. Die Prager Franz-Kafka-Gesellschaft möchte die Dokumente aber lieber nach Tschechien holen.

Franz Kafka mit seiner Schwester Ottla
„Obwohl er ein Autor war, der auf Deutsch geschrieben hat, ist er hier in Prag geboren. Und was sein Leben am meisten geprägt hat, war Prag.“

Markéta Mališová, Direktorin der Prager Kafka-Gesellschaft, würde die Briefe des Schriftstellers an seine Schwester Ottla deshalb am liebsten in Prag sehen. Denn bis auf einige amtliche Dokumente gebe es ausgerechnet in Kafkas Heimatstadt kaum Originalhandschriften des Autors. Die Auktion, die am 19. April in Berlin stattfindet, sei nun die vielleicht letzte Chance, das zu ändern. Zudem handle es sich bei den Briefen an Ottla um besonders kostbare Dokumente, weil es sehr persönliche Briefe Kafkas an seine Schwester seien. Das Problem: Der Schätzwert der Briefe liegt bei 500.000 Euro. Eine solche Summe kann die Kafka-Gesellschaft selbst nicht aufbringen und sucht deshalb nach Unterstützern.

Markéta Mališová
„Wir haben mit einem Schreiben den Kulturminister, den Außenminister und den Generalgouverneur der Tschechischen Nationalbank über die Auktion informiert. Eine Antwort haben wir bisher nur vom Kulturminister bekommen. Er schrieb, es tue ihm leid, aber er können in der derzeitigen Situation keine Mittel für den Erwerb zur Verfügung stellen.“

Auch das deutsche Literaturarchiv in Marbach würde die Kafka-Briefe gerne erwerben. Aber auch in Marbach stehen keine 500.000 Euro zur Verfügung – und deswegen sucht Marbach ebenfalls nach Unterstützern. Wissenschaftler haben einen offenen Brief geschrieben, um an potentielle Spender zu appellieren. Warum sie die Handschriften gerne nach Marbach holen würden, erklärt Ulrich von Bülow, Leiter der Handschriftenabteilung im Marbacher Literaturarchiv:

Literaturarchiv in Marbach  (Foto: WDR)
„Diese Kafka-Interessenten – Professoren, Herausgeber, Editoren – sind der Meinung, dass diese Briefe in Marbach am besten aufgehoben wären, weil sich hier im deutschen Literaturarchiv bereits eine große Kafka-Sammlung befindet.“

Es hätten sich zwar bereits Interessenten gemeldet, die bereit seien, das Marbacher Archiv bei dem Vorhaben zu unterstützen. Ob es am Ende reichen wird, sei aber noch nicht abzusehen, so von Bülow. Eine direkte Kooperation zwischen Marbach und der Kafka-Gesellschaft gibt es zwar nicht, allerdings sehen sich von Bülow und Mališová auch nicht als Konkurrenten. Vielmehr teilen beide dieselbe Befürchtung:

Ulrich von Bülow
„Besonders wichtig finden wir, dass die Briefe nicht zerstreut werden und nicht in Privathand bleiben. Das hängt zusammen, denn immer, wenn private Sammler solche Dokumente erwerben, besteht die Gefahr, dass das Konvolut später auseinandergerissen wird und die Briefe an verschiedenen Orten aufbewahrt werden.“

Dass nur ein öffentliches Institut den Zusammenhalt der Briefe und den Zugang für die Forschung garantieren könne, sagt auch Mališová. Wenn sich in Tschechien kein Förderer finde, fügt sie hinzu, dann wäre Marbach wohl der beste Ort für die Briefe. Aber ganz aufgegeben hat Mališová die Hoffnung noch nicht, dass die Handschriften doch nach Prag zurückkehren könnten:

„Ich habe eine Benachrichtigung bekommen, dass sich eine deutsche Privatperson für die Auktion interessiert. Das ist aber nur ein unbestätigtes Gerücht. Angeblich will diese Person die Briefe kaufen und an Tschechien zurückgeben.“

Autor: Corinna Anton
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