Kafkas „Prozess“: Ausstellung zeigt Entstehungsprozess des Romans
Ein gleich zweifaches Jubiläum ist in diesem Jahr mit dem Prager deutschen Schriftsteller Franz Kafka verbunden. Vor genau 100 Jahren hat Kafka die Arbeit an seinem Roman „Der Prozess“ begonnen und vor 90 Jahren ist der Autor verstorben. Zu diesem Anlass ist eine Ausstellung in Prag zu sehen. Sie zeigt den Entstehungsprozess des berühmten Romans sowie die Kommentare von Künstlern aus der Gegenwart dazu. Zusammengestellt wurde die Ausstellung vom Deutschen Literaturarchiv Marbach. Radio Prag hat die Leiterin des Literaturarchiv-Museums, Heike Gfrereis, nach Einzelheiten gefragt.
„Wir zeigen das komplette Manuskript, soweit es von Franz Kafkas Roman ‚Der Prozess‘ erhalten ist. Und zwar in Bildern, so dass man wirklich alle Seiten sieht, also nicht nur die Blätter, sondern über 300 Seiten. Man sieht, wie Kafka wirklich geschrieben hat. Man kann Satz für Satz den Romantext in der Handschrift nachlesen, was natürlich sehr reizvoll ist: Er hat ja auch gestrichen, und wie jeder andere Autor nach den richtigen Wörtern gesucht. Man erkennt, wie er am Text gearbeitet und sich manchmal auch verschrieben hat. Zum Beispiel verschreibt er sich immer wieder, wenn er den Namen seines Haupthelden Josef K. mit Franz, Franz Kafka, Franz K. verwechselt und F und K gehen ineinander über. So sieht man sehr viel von der Schreibweise, von der Denkweise von Franz Kafka in diesem Raum. Wir haben manche dieser Textseiten mit Kommentaren von prominenten Autoren versehen, von Künstlern, von Literaturwissenschaftlern, von Kritikern, und auch von prominenten Personen aus Prag selbst, denn es sind auch tschechische Künstler mit dabei, die die Seiten kommentieren. Wir haben uns gedacht, dass es sehr schön sei, gerade über das Manuskript diesen sehr oft interpretierten Text auch wieder für die Phantasie der Leser zu öffnen.“
Anhand dieses Manuskripts kann man den Entstehungsprozess des Romans verfolgen. Wie lange hat Kafka eigentlich daran gearbeitet?„Kafka hat am 1. August 1914 angefangen, an diesem Roman zu arbeiten, also in jenem Monat, in dem der erste Weltkrieg ausbrach. Er kam dann sehr schnell ins Stocken und beendete die Arbeiten im Januar 1915 ganz, also gerade mal ein halbes Jahr später. Das Romanmanuskript ist nicht abgeschlossen, es ist ein Fragment, das eigentlich – so war Kafkas Wunsch – nach seinem Tod hätte zerstört werden sollen. Sein Freund Max Brod hat dies aber nicht gemacht, sondern bereits 1925, ein Jahr nach Franz Kafkas Tod, den Roman herausgegeben. Das heißt, wir kennen eigentlich nur einen unfertigen Text, der wirklich vor allem in den Sommermonaten 1914, also vor hundert Jahren entstanden ist.“
Wir sprechen ja von der Herausgabe des Werkes durch Max Brod. Wie entwickelte sich das weitere Schicksal des Manuskripts?„Das Manuskript verließ Prag gemeinsam mit Max Brod, als er ins Exil nach Israel ging. Es kam dann irgendwann einmal bei Sotheby’s zur Versteigerung. Im Jahr 1990 konnte das Land Baden-Württemberg es dort erwerben und hat es als Dauerleihgabe dem Deutschen Literaturarchiv Marbach übergegeben.“
Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach verwahrt nicht nur dieses Manuskript, sondern den kompletten Nachlass von Franz Kafka. Was alles befindet sich bei Ihnen in den Archivbeständen?
„Wir haben auch kleinere Erzählungen von Franz Kafka, zum Beispiel ‚Der Kübelreiter‘ oder ‚Der Dorfschullehrer‘. Daneben besitzen wir einige Briefe: Manche der berühmten Schriften sind komplett, vor allem an die Frauen, zum Beispiel die Briefe an Milena. Die Schriftstücke an seine Lieblingsschwester Ottla haben wir gemeinsam mit der Bodleian Library in Oxford erworben. Dann gibt es noch Briefe zwischen Franz Kafka und seinem Freund Max Brod, sowie Aufzeichnungen von Kafkas weiterem Prager Freund Felix Weltsch. Wir besitzen auch Fotos von Franz Kafka bei uns im Bestand, auch angeblich eine Gabel aus seinem Reisebesteck, die er in einem Wirtshaus beim Kartenspiel verloren haben soll. Es gibt einen ganz kleinen Zettel in Steno, Kafka war ja Jurist und konnte daher auch die Kurzschrift, auf dem er sich einen Bibelpsalm notiert hat. Also es sind ganz unterschiedliche Dinge, die wir im Besitz haben.“
Die Ausstellung „Franz Kafka Prozess 2014. Original und Verwandlung“ ist im Altstädter Rathaus in Prag noch bis Ende Juni zu sehen.