Kampf gegen Napoleon - 200 Jahre Schlacht bei Kulm in Nordböhmen

Schlacht bei Kulm

Am 29. und 30. August 1813 kam es nahe den nordböhmischen Gemeinden Chlumec / Kulm und Přestanov / Nollendorf zu einer der größten Schlachten auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens. Die Armee Napoleons unterlag dort den vereinigten Truppen von Österreich, Preußen und Russland. Etwa 18.000 Soldaten wurden getötet oder verletzt.

Schlacht bei Kulm
Spricht man in Tschechien über die Napoleonischen Kriege, dann hört man sofort den Ortsnamen „Slavkov“, also „Austerlitz“. Diese „Schlacht der drei Kaiser“, in der Napoleon seine Gegner aus Österreich und Russland besiegte, wird seit mehr als 20 Jahren von Geschichtsfans am Originalschauplatz nachgestellt. Die Schlacht bei Kulm hat jedoch nie dieselbe Aufmerksamkeit erfahren, dabei ist sie genauso bedeutend. Nach der Niederlage des französischen Kaisers in Russland begann sich nämlich gerade in Böhmen eine neue Koalition gegen Napoleon zu formen. Dieser insgesamt sechsten Koalition ging voraus, dass für den Sommer 1813 ein Friedenskongress nach Prag einberufen worden war. Dieser sollte die Kriegsserie beenden, die bereits seit 1792 andauerte. Doch der Gesandte Napoleons traf erst mit Verspätung ein, und danach blockierte die französische Delegation jegliche Entscheidung. Der österreichische Außenminister Metternich beschloss daher, dass sich sein Land der Koalition von Russland, Preußen und Schweden anschließen sollte. Kurz darauf begann der Herbstfeldzug. Unter der Führung des Marschalls Schwarzenberg entstand die so genannte „böhmische Armee“. Diese war zum Großteil aus russischen Soldaten zusammengestellt, aber auch Angehörige weiterer alliierter Armeen waren beteiligt. Jiří Rak ist Historiker an der Prager Karlsuniversität.

General Vandamme
„Die böhmische Armee marschierte durch das Elbtal auf Dresden zu. In der Schlacht um die sächsische Hauptstadt wurde sie jedoch besiegt und musste zurückweichen. Napoleon schickte zudem das Korps von General Vandamme, um den ‚Böhmen’ den Weg ins Hinterland zu versperren. Durch den vorherigen Sieg ermutigt, wollte er weiter nach Prag ziehen. Die Lage entwickelte sich jedoch nicht nach seinen Plänen. In Nordböhmen kam es zur Schlacht, die für seine Hoffnungen einen Schlussstrich bedeutete. Prag und die böhmischen Länder blieben von der französischen Besatzung verschont.“

Zwei Tage lang dauerten die Gefechte bei Kulm und Nollendorf. Die obersten Repräsentanten aller drei Koalitionsstaaten überwachten die Taktik: der russische Zar Alexander, der österreichische Kaiser Franz I. und der preußische König Friedrich Wilhelm III. Ihre Truppen gerieten unter starken französischen Druck, doch die Kommandanten konnten die scheinbar ausweglose Situation noch wenden, betont Zdeněk Munzar vom Historischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften.

Zdeněk Munzar  (Foto: Andrej Halada,  Archiv des Verteidigungsministeriums der Tschechischen Republik)
„Den russischen Truppen mit etwa 20.000 Männern stand eine doppelt so große französische Armee gegenüber. General Vandamme rechnete bereits damit, am nächsten Tag mit seinem Stab in Prag zu Abend zu essen. General Schwarzenberg rief dringend nach Verstärkung, um den feindlichen Ring durchbrechen zu können. Sein Appell wurde erhört. Am Morgen des 30. August, bevor Vandamme aufgestanden war, begann eine gemeinsame Offensive der Alliierten. Vandamme wartete ebenso auf Verstärkung, doch die kam nicht. Warum diese Verstärkung ausblieb, ist schwer zu sagen. Man muss aber in Betracht ziehen, was die Franzosen schon alles hinter sich hatten. Die Schlacht bei Dresden war ein harter zweitägiger Kampf gewesen, auch wenn Napoleons Truppen erfolgreich gewesen waren. Davor hatten die Soldaten aber 130 Kilometer marschieren müssen, um Dresden zu erreichen. Sie waren also ziemlich erschöpft.“

Nollendorf
Die französische Armee wurde schließlich bei Nollendorf von preußischen Truppen umzingelt und ihr Befehlshaber Vandamme gefangengenommen. In Böhmen wurde dieser Sieg groß gefeiert. Napoleon habe die böhmischen Grenzen nicht überwinden können, er habe sich die Nase am böhmischen Felsen angeschlagen - so in etwa schrieben damals die Zeitungen.

Manche Bewohner Böhmens urteilten, dass Gott das Land schütze. Dabei hatten die Menschen im Kriegsgebiet große Angst gehabt. Jeder sei weggelaufen, um zu retten, was sich noch retten ließ, heißt es in der Ortschronik von Kulm. Frauen und Kinder trugen schweres Gepäck, Männer trieben Vieh vor sich her. Alle flüchteten in die Berge, um sich in den dichten Wäldern zu verstecken. Jiří Rak:

Jiří Rak  (Foto: Krokodyl,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
„Prag war überlaufen von Verletzten, es waren mehrere Tausend Menschen. Die Stadt war jedoch vorbereitet: Kirchen, Klöster und Krankenhäuser wurden so weit wie möglich entleert, um möglichst viele Soldaten aufnehmen zu können. Auch einfache Leute kümmerten sich um die Verpflegung, in vielen Haushalten wurde gebacken. Der russische Zar bedankte sich nachher persönlich bei den Pragern, dass sie sich um seine Offiziere und Soldaten vorbildlich gekümmert hätten. Als dann ein paar Wochen später Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig seine endgültige Niederlage erlitt, wurde hervorgehoben, dass die österreichische Armee vom böhmischen Adeligen Schwarzenberg befehligt worden war. Sein Vertreter im Generalstab war ebenfalls ein Adeliger aus Böhmen gewesen, Feldmarschall Radetzky. Die Feier zum Sieg bei Kulm ging über in die Feier über die Schlacht bei Leipzig.“



Zwischendrin hatte Napoleon noch zwei Versuche unternommen, nach Böhmen vorzudringen. Der erste war am 9. und 10. September 1813, damals kam es jedoch zu keinem größeren Gefecht. Der zweite Versuch erfolgte am 17. September. Die Franzosen wollten nach Aussig vorrücken, wurden jedoch von den preußischen Truppen unter dem Befehl von General Colloredo-Mansfeld zurückgehalten. Von der Zahl der Gefallenen her war diese Schlacht nicht bedeutend, bemerkenswert ist jedoch, dass Napoleon selbst die französischen Truppen kommandierte.

Schlacht bei Kulm
In diesem Zusammenhang ist aber noch eine Auseinandersetzung zu erwähnen: der Kampf um die Deutung der Schlacht bei Kulm. Dazu Jiří Rak:

„Schon bald darauf ließ sich Österreich als Sieger über Napoleon feiern – das entging jedoch dem kollektiven Gedächtnis der Tschechen. Kaiser Franz wurde nämlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch von ihnen selbst ‚Befreier Europas’ genannt. Als dann die österreichische Armee in den 1850er und 1860er Jahren eine Reihe von Misserfolgen verzeichnete, wurde an ihre früheren Erfolge nicht mehr erinnert - und die Preußen stilisierten sich zu Befreiern. Das aber gefiel den Böhmen nicht. Und so begann ein Streit darum, wer eigentlich bei Kulm und Leipzig der Sieger war. Die tschechische Kulturzeitschrift Lumír veröffentlichte zum Beispiel eine Liste mit den Namen österreichischer Soldaten und einer Bemerkung zu ihrer Nationalität. Die Böhmen empörte auch die Feier zum 100. Jubiläum der Völkerschlacht, die ganz unter preußischer Regie verlief. Die Böhmen protestierten, dass dort auch Österreicher teilgenommen hatten.“

Johann Radetzky
Nach der Entstehung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 dachte niemand mehr an den Streit. Alles, was mit den Habsburgen und der k.u.k. Monarchie zu tun hatte, war verpönt. Das Prager Denkmal von Johann Radetzky, einem der besten Feldherren des 19. Jahrhunderts, wurde entfernt. Damit geriet die Schlacht bei Kulm und Nollendorf hierzulande in Vergessenheit. Erst das 200. Jubiläum in diesem Jahr gab wieder Anlass, an das Ereignis zu erinnern. An der Feier nahmen auch Diplomaten der damals an der Schlacht beteiligten Länder teil. Und an die Soldaten aller Armeen erinnern Denkmäler in der Region, sagt der Vizebürgermeister des heutigen Chlumec und Geschichtsliebhaber Jaroslav Slavík:

„Das russische Denkmal mit dem Datum der Schlacht ist sehr gelungen und gut erhalten. Gleich daneben befindet sich ein Massengrab der etwa 10.000 gefallenen Soldaten, zum Jubiläum wurde dort ein Gottesdienst unter der Leitung eines orthodoxen Popen abgehalten. Das Denkmal der Franzosen befindet sich zwischen Krupka und Chlumec. Den preußischen und österreichischen Opfern wurde in Varvažov die Ehre erwiesen. Das österreichische Denkmal wird gerade renoviert, seine Sanierung dürfte noch etwa zwei Jahre dauern.“

Der Höhepunkt der Feier war eine monumentale Nachstellung der Schlacht, sie wurde von rund 40.000 Zuschauern besucht. Wie erwartet, wurde Napoleon erneut besiegt.