Napoleon, Labyrinthe und eine Ausstellung über die Thurn und Taxis – Schloss Loučeň
Anno dazumal hatte das gemeine Volk wenig Grund zur Freude, als der Kaiser von Österreich seinen Besuch in Loučeň ansagte – in Europa war Krieg. Am vergangenen Samstag verfolgten die Bewohner des mittelböhmischen Dorfes den Einzug Franz I. indes mit ungetrübtem Vergnügen. Das Napoleon-Fest, das am 2. Mai im Schloss Loučeň über den Rasen des Schlossparks ging, erinnert an eine historische Begebenheit aus dem Jahr 1813. Tausende Schaulustige strömten dazu in das Barockschloss – wieder einmal, denn das Napoleon-Fest ist nicht die einzige Attraktion, die man hier erleben kann.
Unter dem Applaus der Besucher eröffnete der Manager des Schlosses, Jiří Senohrábek, am ersten Maisamstag das Napoleon-Fest. Im Schloss Loučeň herrschte die Atmosphäre der napoleonischen Ära im frühen 19. Jahrhundert - heraufbeschworen durch Schauspieler in historischen Kostümen und szenische Aufführungen von Höhepunkten der Schlossgeschichte. 1813 kam, wenige Wochen vor der Völkerschlacht von Leipzig, Franz I. von Österreich auf dem Schloss der Thurn und Taxis in Loučeň mit seinen Verbündeten zusammen. Beim Napoleon-Fest wurde dieses Ereignis als publikumswirksames Spektakel inszeniert. Mit geziemendem Pomp und Getöse hielt der Kaiser des Habsburgerreiches Einzug im Schloss.
Diese Szene beruht auf einer historischen Tatsache. Franz I. wollte den Vormarsch des selbsternannten Kaisers der Franzosen Napoleon Bonaparte in Sachsen stoppen. Dessen Vormachtsstreben hatte Europa in Jahre lange Kriegswirren gestürzt. In Loučeň beriet sich Franz I. mit seinem Bruder Ferdinand, dem Großherzog der Toskana, über eine geeignete Kampfstrategie gegen Bonaparte. Bald nach der Zusammenkunft der Brüder aus dem Hause Habsburg-Lothringen traf auch die erhoffte Verstärkung aus dem Osten in Loučeň ein: 70000 Soldaten des mit Franz I. verbündeten russischen Großfürsten Konstantin schlugen am Ortsrand ihr Lager auf. Der Zwischenaufenthalt, den die russische Armee auf ihrem Marsch nach Leipzig in Loučeň einlegte, hatte seine Schattenseiten und blieb nicht ohne Folgen. Jiří Senohrábek erinnerte daran in seiner Begrüßungsrede:„Es gibt hier auch ein trauriges Denkmal. Denn die Soldaten schleppten bei uns eine äußerst unangenehme Epidemie ein, und einige Bewohner von Loučeň steckten sich an. Bis heute erinnert eine Gedenkstätte an dieses Unglück. Wenn Sie wieder einmal nach Loučeň kommen, empfehlen wir Ihnen, dem rot markierten Weg, der vom Schloss zu einer Quelle im Wald führt, zu folgen, Nach rund eineinhalb Kilometer stoßen Sie auf ein großes Kruzifix. Dieses Kruzifix wurde zum Gedenken an die Überwindung der Seuche errichtet.“Die Anhöhe, auf der die Soldaten lagerten, heißt im Volksmund bis heute „Russenbühl“. In Loučeň denkt man nicht gern an sie zurück, bei der Völkerschlacht von Leipzig trugen die Soldaten aber ohne Zweifel ihr Scherflein zu der vernichteten Niederlage der Franzosen bei. Die zwang Napoleon, seine Truppen wieder hinter den Rhein zurückzuziehen. Eine phantasievolle Inszenierung dieser Schlacht setzte am späten Nachmittag den Schlusspunkt unter das Napoleon-Fest. Schluss mit den Festen im Schloss Loučeň ist damit jedoch nicht, erzählt Jiří Senohrábek, der neben Tschechisch auch fließend Deutsch spricht:
„Wir haben im vergangenen Jahr eine neue Tradition eingeführt, und zwar gibt es immer am ersten Samstag im Monat ein Fest. Im Juni ist das ein Fest im hiesigen Amphitheater, wir nennen es ‚Komödie für die Schlossherrin’. Das wird ein Tag voll von Märchen und Komödien. Im Juli begehen wir dann den Geburtstag der Labyrinthe. Das wird ein Tag voll von Wettbewerben für die Kinder.“ Das Schlossmanagement vergisst auf kein wichtiges Datum. Den Labyrinthen kommt in Loučeň aber auch eine ganz besondere Rolle zu: Sie sollen die Magie des Schlosses lebendig erhalten. Nach und nach hat sie der derzeitige Schlossbesitzer, die Aktiengesellschaft Loučeň, angelegt, nachdem sie das Schloss im Jahr 2000 erworben hatte. Gleich zehn Labyrinthe finden die Spaziergänger bei einem Rundgang durch den Park von Schloss Loučeň vor. Andernorts gibt es Lapidarien, Loučeň ist stolz auf sein „Labyrintharium“. Jiří Senohrábek:„Das Wort ‚Labyrintharium’ ist eigentlich ein neues Wort, das wir in das Tschechische eingeführt haben. Es gibt hier zehn Labyrinthe, die in ganz Europa konkurrenzlos sind. Jedes Labyrinth ist aus einem anderen Material, die Labyrinthe wurden zum ersten Mal im Juni 2007 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.“
Die einzelnen Labyrinthe stellen jeweils eine andere Spielart des seit der Antike bekannten rätselhaft verschlungenen Weges dar – so gibt es in Loučeň ein Steinlabyrinth, ein Rasenlabyrinth, ein Mosaiklabyrinth, ein Heckenlabyrinth, und andere. Auf Schautafeln werden die symbolischen Bedeutungen und Bräuche erklärt, die den Labyrinthen in verschiedenen Kulturen und Epochen zugeschrieben wurden. Doch nicht zur Feste feiern kann man im barocken Ambiente des Schlosses Loučeň, auch für den Ernst des Lebens ist hier Platz:„Zum Schloss gehört auch ein Schlosshotel. Das ist das Gebäude, in dem ursprünglich die Schlossverwaltung untergebracht war. Es wurde 1830 gebaut. Dieses alte Amtsgebäude wurde nun zu einem schönen Kongresshotel umgebaut. Es hat auch einen modernen Flügel, in dem ein Kongresssaal für 220 Leute ist.“Und nicht zuletzt gehört zum Schloss auch ein Museum. Die Ausstellung ist dem letzten Adelsgeschlecht gewidmet, das auf dem Schloss residierte, das waren eben die Thurn und Taxis. Sie hatten die Herrschaft Loučeň am Beginn des 19. Jahrhunderts von den Fürstenberks geerbt. Das deutsche Adelsgeschlecht der Thurn und Taxis war im 16. Jahrhundert durch sein europaweites Postunternehmen aufgestiegen, sein Unternehmergeist zeigte sich auch in Mittelböhmen. Die Thurn und Taxis gründeten hier einige der ältesten Zuckerfabriken Böhmens. Das alles ist in der Ausstellung im Schloss Loučeň dokumentiert. Sie weiht die Besucher jedoch nicht nur in die offiziellen, sondern auch in die weniger offiziellen Seiten der Herrschaft von Loučeň ein, und dies auf originelle Weise:
„Bei uns gibt es keinen normalen Touristenführer, sondern einen mit dem historischen Namen Otto Bouda. Das war ein Mann, der hier in Loučeň drei Jahrzehnte bei dem Fürsten gedient hat. Er hat auch Memoiren geschrieben, deswegen sind uns einige Details der Geschichte des Schlosslebens bekannt. Dieser Kammerdiener Otto Bouda führt dann unsere Touristen als Gäste aus dem Jahr 1910 durch das Schoss und zeigt ihnen das Alltagsleben am Schloss zu jener Zeit.“Dieser loyale Diener und wortgewandte Memoirenschreiber Otto Bouda erzählt die Schlossgeschichte souverän aus der Perspektive des unentbehrlichen Faktotums. Im Wäschezimmer weist er die Schlossbesucher darauf hin, dass die Zofe nicht nur Kleider und Hemden bügelte, sondern auch Banknoten. Eine eigenwillige Manier der Herrschaft? Otto Bouda kennt den Grund dafür:
„Es ging darum, dass die Geldscheine rascheln mussten. Wenn gezahlt wurde, mussten sie rascheln. Das war halt so eine Marotte von den Adeligen, Gutsbesitzern, Fabrikanten und so weiter. Aber auch Zeitungen wurden hier gebügelt. Das aber geschah nicht nur aus einer Laune heraus, sondern die Zeitungen ließen damals viel Druckerschwärze, man machte sich die Hände schmutzig. Und wenn man mit dem heißen Bügeleisen darüber fuhr, wurde die Farbe ins Papier eingebrannt, und die Zeitung schmutzte nicht mehr. Daher bügelte die Dienerin jeden Morgen die Zeitung, sie fuhr mit dem heißen Bügeleisen darüber, und dann erst wurde die Zeitung der Herrschaft überreicht.“
Soweit die kammerdienerlichen Ausführungen von Otto Bouda. Führungen mit ihm kann man wochentags zu den Amtsstunden in der Schlosskanzlei reservieren.
Fotos: Autorin