Willkommen bei Graf Spaßvogel und Henker Hermann – Adelssitze im östlichen Böhmen
Bei einer Führung durch ein Schloss oder eine Burg sind die Besucherinnen und Besucher meistens nur passive Zuhörer. Ein Projekt mit dem Titel „Öffnet die 13. Schlosskammer“ bietet den Touristen nun die Möglichkeit, aktiv mitzuwirken. Als im April die Touristensaison eröffnet wurde, schlossen sich zehn historische Sehenswürdigkeiten diesem Projekt an, darunter die Schlösser Loučeň und Karlova Koruna und die Burg Kost.
Der wirkliche Graf Octavian Kinský wurde 1813 geboren. Er war oberster Landhofmeister von Böhmen und vor allem ein passionierter Pferdesportler und Züchter einer eigenen Rasse: der Kinsky-Pferde. Mehr über Kinskýs Verdienste um den Pferdesport erfahren die Besucher im Salon, der geschmückt ist mit zahlreichen Gemälden mit Pferdemotiven.
Während der Führung stellt Octavian noch weitere Fragen. Für die erratene Lösung belohnt er die aufmerksamen Besucherinnen und Besucher zum Abschluss mit einem Schlüssel, den sie auf den Weg in die 13. Kammer mitnehmen können.
Schloss Karlova Koruna lebt jedoch nicht nur von der Suche nach der 13. Schlosskammer. Martina Kubešová leitet die Verwaltung des Schlosses. Ihren Worten zufolge konzentriert man sich in Karlova Koruna besonders auf Programme für Familien mit Kindern. Für die Öffentlichkeit sei das Schloss von April bis Oktober geöffnet, sagt Kubešová.
„Die Schlossbesitzer – Familie Kinsky dal Borgo - leben in Italien. Sie sprechen aber gut tschechisch und kommen etwa einmal im Monat hierher. Während ihres Aufenthalts wohnen sie in den Appartements außerhalb des Hauptgebäudes, denn das Schloss diente und dient immer noch als ein Repräsentationsgebäude.“Das Eigentum der Familie Kinský wurde nach der kommunistischen Machtübernahme von 1948 in der Tschechoslowakei vom Staat konfisziert. Nach der Samtenen Revolution erhielten die Kinskýs in der Restitution das Schloss Karlova Koruna zurück.
Auch die gotische Burg Kost erhielt die Adelsfamilie Kinský nach der Samtenen Revolution von 1989 zurück. Die Burg steht im Unterschied zu den meisten anderen Burgen in einem Tal, und zwar in der malerischen Landschaft des Böhmischen Paradieses (Český ráj). Der Bau aus dem 14. Jahrhundert, dessen Wahrzeichen ein hoher Weißer Turm ist, blieb sehr gut erhalten. Die Burg sehe seit fast 500 Jahren unverändert aus, erzählt der dortige Verwalter Jan Macháček. Im Rahmen der Aktion „13. Schlosskammer“ schlüpft er in die Rolle des Henkers Hermann, der die Symbolfigur von Kost ist. Henker Hermann erzählt über den Beginn seiner beruflichen Karriere:
„1580 fing ich hier in Kost als Henker an. Die erste Strafe, die ich vollziehen musste, hing mit dem hiesigen Tal zusammen, das seitdem ´Plakánek´- auf Deutsch etwa ´Der Weinende´ genannt wird. Ich erzähle ihnen die traurige Geschichte: Die schöne Tochter des hiesigen Försters hatte sich in einen der Burgbeamten verliebt. Dieser ließ sie jedoch im Stich, als sie schwanger wurde. Sie brachte dann geheim im Wald einen Sohn zur Welt. Aus lauter Verzweiflung hat sie ihr Kind dann in der Erde vergraben. Als sie nach Hause kam, wurde sie sich ihrer schlimmen Tat bewusst und versuchte, das Kind wieder zu finden. Dies gelang ihr nicht, das Grab war verschwunden. Nachdem die Öffentlichkeit von ihrer Tat erfahren hatte, wurde die Frau zum Tod verurteilt. Sie musste auf die gleiche Art wie ihr Kind sterben: Sie wurde lebendig begraben.“ Henker Hermann führt die Besucher danach durch die Folterkammern, den mittelalterlichen Kerker sowie die Kellerräume. Während der Führung stellt der Henker auch hier den Besuchern aus dem 21. Jahrhundert einige Fragen, für deren richtige Beantwortung sie am Schluss einen Schlüssel für die 13. Schlosskammer bekommen.Dem Projekt „Öffnet die 13. Schlosskammer“ haben sich neben Karlova Koruna und Kost acht weitere Sehenswürdigkeiten angeschlossen: das westböhmische Schloss Kozel, das Schloss Děčín / Tetschen und die Burg Grabštejn / Grafenstein in Nordböhmen, Kloster Broumov / Braunau in Ostböhmen, Schloss Slatiňany in Ostböhmen sowie die Schlösser Kačina und Loučeň / Lautschin in Mittelböhmen. Eben dorthin führt der letzte Ausflug.
Das Barockschloss Loučeň liegt etwa 60 Kilometer von Prag entfernt, in der Nähe des Städtchens Nymburk. Die symbolische Figur, die hier die Besucher durch die Schlosszimmer führt, ist die „Weiße Frau“. Der Legende nach soll es der Geist der Adeligen Tereza Berková z Dubé sein. Nach der Schlacht am Weißen Berg lebte die Dame, die sich zum protestantischen Glauben bekannt hatte, im Exil. Auf ihr geliebtes Loučeň sei sie erst nach dem Tod als guter Geist zurückgekehrt, so die Legende. Die Weiße Frau zeigt den Besuchern zu Beginn den prunkvollen Speisesaal:„Kommen Sie herein, meine Herrschaften, in den Speisesalon unseres Schlosses. Hier traf die Familie des Schlossbesitzers beim Mittagessen zusammen, aber nur wenn Fürstin Marie von Thurn und Taxis zu Hause war. War die Fürstin gerade nicht zu Hause, hat ihr Mann oft nur in der Küche gegessen. Das habe ich selbst gesehen. Falls einer unserer kleinen Besucher ausprobieren möchte, wie es ist, am gedeckten Fürstentisch zu sitzen, kann er es gerne tun.“
Während der Besichtigung der Schlossräume vergisst die Weiße Frau nicht, den Besuchern Quizfragen zu stellen, damit sie auch hier einen Schlüssel zur 13. Schlosskammer erhalten können. Die Schlosszimmer in Loučeň sind teilweise noch so eingerichtet, wie unter den Thurn und Taxis, die vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg in Loučeň gelebt haben. Die Thurn und Taxis hatten damals oft illustre Gäste zu Besuch – beispielsweise den Schriftsteller Mark Twain oder den Dichter Rainer Maria Rilke. Auch der tschechische Komponist Bedřich Smetana hat das Schloss gerne besucht.Schloss Loučeň ist zudem durch eine Reihe von Labyrinthen bekannt geworden. Die Besucher können die Irrgärten im Schlosspark besichtigen und natürlich auch ausprobieren. Und nicht zuletzt gibt es in Loučeň den ältesten Fußballverein Tschechiens – gegründet wurde er schon 1893.