Pferdezucht, Nobelpreis und geschmacklose Scherze: Schloss Karlova Koruna und seine Besitzer

Schloss Karlova Koruna

Der Bau ist schon von Weitem zu sehen, denn das Schloss Karlova Koruna / Karlskron thront im Elbtal auf einem Hügel. Im vergangenen Jahr wurde es 300 Jahre alt. Höchste Zeit also für einen Besuch. Außerdem ist der Barockbau ab diesem Samstag auch wieder für Besucher geöffnet. Wir haben die Adelsresidenz vorab besucht. Und wir nehmen Sie nun mit auf eine Zeitreise zu pferdebegeisterten Grafen, unter denen auch ein etwas schräger Vertreter war, aber ebenso zu einer hochgebildeten Nobelpreisträgerin.

Jana Dittrichová | Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Eigentlich ist Schloss Karlova Koruna noch zugesperrt – doch an diesem Märztag vor Saisonbeginn schließt Jana Dittrichová es für uns von Radio Prag International auf. Es ist die Residenz eines Zweigs der Adelsfamilie Kinský und befindet sich im ostböhmischen Chlumec nad Cidlinou / Chlumetz an der Cidlina. Der Stammbaum dieses böhmischen Geschlechts reicht zwar ins 13. Jahrhundert zurück, doch der Bau ist deutlich jüngeren Datums…

„Das Schloss wurde in den Jahren 1721 bis 1723 errichtet – auf Initiative von Franz Ferdinand Graf Kinský. Er arbeitete für den Habsburger Kaiser Karl VI. als Oberstkanzler in Böhmen, das lässt sich heute mit der Position eines Innenministers vergleichen. Graf Kinský lebte zunächst unten im Dorf in einem Wasserschloss. Das entsprach aber im 18. Jahrhundert nicht mehr den Ansprüchen des böhmischen Adels. Und so ließ er auf dem Hügel über dem Fluss dieses Barockschloss bauen“, so Dittrichová.

Entworfen wurde der Adelssitz von niemandem geringeren als dem führenden Architekten der Zeit in Böhmen: Johann Santini-Aichl. Dieser gab dem Schloss einen ungewöhnlichen Grundriss. So stoßen drei quadratische Seitenflügel an einen runden Mittelbau, der sie turmartig überragt. Der Name des Baus – also Karlskron – rührt daher, dass er von oben wie eine Krone aussieht und Karl VI. tatsächlich einmal zu Besuch kam.

Die unverwechselbare Handschrift des Architekten Santini | Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Die Familie Kinský war bis 1948 im Besitz des Schlosses. 1943 brannte es zu großen Teilen aus. Nach dem Krieg erhielten die Besitzer noch Gelder für die Erneuerung, allerdings kamen dann die Kommunisten in der Tschechoslowakei an die Macht. Und weiter die Schlossführerin:

„Bis 1948 wurde das Anwesen restauriert. Aber im selben Jahr kam es dann zur Verstaatlichung. Das lief so ab, dass die Besitzer zur Hochzeit ihres Sohnes nach Italien fuhren. Dorthin wurde ihnen ein Brief hinterhergeschickt, aus dem hervorging, dass sie gar nicht mehr zurückkehren brauchten, denn sie hatten ihr Eigentum hier verloren.“

Und so blieb die Familie in Italien. Doch nach der politischen Wende erhielt sie Anfang der 1990er Jahre das Schloss sowie die Burg Kost im Böhmischen Paradies zurück. Die Eigentümer sind nun Giovanni und Pio Kinský dal Borgo. 1993 gründeten sie eine Aktiengesellschaft zur Verwaltung der Immobilien und Ländereien in Tschechien. Ihre Söhne haben sich mittlerweile hier im Land niedergelassen.

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Die Kinskýs waren indes nicht nur den Kommunisten ein Dorn im Auge, sondern bereits den Nationalsozialisten. Und zwar wegen einer Deklaration vom September 1938, also kurz vor der Annexion der Sudetengebiete durch Hitler-Deutschland. Das Dokument ist in der Säulenhalle des Schlosses ausgestellt…

„Es ist die Deklaration des böhmischen Adels, die Zdenko Radslav Kinský aufsetzte. In dem Schreiben, das an Staatspräsident Edvard Beneš geschickt wurde, heißt es, dass der Adel hinter der tschechischen Nation stehe. Weil der Schlossbesitzer die Deklaration geschrieben hatte, wurde Karlova koruna später während der deutschen Besatzung unter nationalsozialistische Verwaltung gestellt“, sagt Dittrichová.

Interieur des Schlosses Karlova Koruna - Schlafzimmer der Damen | Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Gründer der Pardubitzer Steeplechase

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Die Besichtigungstour durch das Schloss führt durch alle drei Flügel, den Mittelbau und die Wirtschaftsgebäude. Der erste Flügel bringt dem Besucher die Gewohnheiten des Gründers und seiner Familie im 18. Jahrhundert näher.

„Die Kinskýs haben von jeher eine enge Beziehung zu Pferden gehabt. Sie waren begeisterte Jäger. Und gerade Franz Ferdinand Graf Kinský ritt gern zu Parforcejagden aus“, so die Führerin.

Im ersten Flügel befindet sich etwa der Chinesische Salon, in diesem sind zum Beispiel ein Sekretär aus dem fernöstlichen Land ausgestellt sowie Vasen. Und an den Wänden im ganzen Schloss hängen Bilder, die die früheren Besitzer zeigen – sowie die Porträts zweier Habsburger Kaiser, die im zweiten Flügel ausgestellt sind. Doch auch in diesem Teil der Residenz stehen die Kinskýs und ihr Leben im Vordergrund.

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Ein wichtiger und zugleich eigentümlicher Vertreter der Familie war Octavian Joseph Graf Kinský, der von 1831 bis zu seinem Tod 1896 die Geschicke des Hauses lenkte. Er begründete unter anderem eine Pferdezucht. Es handelt sich um Warmblüter, die Kinský-Pferde oder auch Chlumetzer Hunter genannt werden. Jana Dittrichová:

„Bei ihnen entstanden zwei Zuchtrichtungen. Die eine waren Isabellen, also Pferde mit goldener Fellfarbe und heller Mähne. Und die anderen waren die Braunisabellen mit derselben Fellfarbe, aber schwarzer Mähne.“

Zu kommunistischen Zeiten interessierte man sich dann nicht mehr für diese Zuchtpferde, viele von ihnen kamen zum Metzger und wurden zu Wurst verarbeitet.

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

„Leider wurden 50 Prozent der Kinský-Pferde getötet. Dass es die Rasse aber auch heute noch gibt, ist einem Menschen zu verdanken. Er heißt Herr Půlpán. In den 1950er Jahren kaufte er dem tschechoslowakischen Staat rund 40 Prozent dieser Pferde ab und züchtete sie selbst weiter. Heute gibt es insgesamt noch 500 Kinský-Pferde“, sagt die Schlossführerin.

Von den heutigen Tieren der Rasse wird die große Mehrzahl in Tschechien gehalten. Zwei Pferde sind aktuell auch im Gehege des Schlosses zu sehen. Ihre Besitzerin ist Klára Růžičková:

„Eines ist ein Kinský-Pferd. Allerdings hat es nicht die schöne goldene Fellfarbe. Denn bei der Weiterzüchtung kommen nur rund 40 Prozent Isabellen oder Braunisabellen auf die Welt. Die anderen sind Füchse oder Braune. Das andere Pferd hier ist eine Belgische Warmblut-Stute. Früher diente diese Rasse für Parforcejagden, für die Damen zum Reiten oder für leichte Kutschen. Sie sind relativ gut zu handhaben.“

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Pferdeliebhaber Octavian Joseph Graf Kinský züchtete aber nicht nur eine eigene Rasse, sondern er steht auch hinter dem Pardubitzer Steeplechase-Rennen. Zunächst wurde dieser Hinderniswettkampf bei Chlumec ausgetragen. Als dann aber einmal Graf Taxis bei dem Rennen siegte, entschieden beide zusammen, die Veranstaltung nach Pardubice / Pardubitz zu verlegen. Das war 1874. Bis heute wird die Steeplechase ausgetragen, Tierschützer kritisieren die Veranstaltung jedoch wegen der für die Pferde enorm gefährlichen Hindernisse.

Gefährlich war es auch, zu Zeiten von Octavian Joseph Graf Kinský auf Schloss Karlova Koruna zu weilen. Denn der Hausherr war berüchtigt für seine teils geschmacklosen Scherze. Jana Dittrichová:

„Es hieß, dass man zu seiner Zeit dort – also im 19. Jahrhundert – gut daran tat, im Vorfeld sein Testament zu schreiben. Der Graf steckte seinen Gästen zum Beispiel Mäuse ins Bett. Oder er tat ihnen Abführmittel ins Essen, nahm sie anschließend auf lange Spaziergänge mit und freute sich daran, wie die Adligen einer nach dem anderen ins Gebüsch krochen, um dort ihr Geschäft zu verrichten. Wirklich unglücklich mit ihm war aber seine Frau Agnes. Angeblich brachte er sie einmal vor die Tore der Stadt und stoppte dann die Zeit, die sie brauchte, um wieder nach Hause zu gelangen.“

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Unvollendetes Gemälde mit Loch

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Im dritten Flügel von Karlova Koruna befindet sich das wohl bekannteste Gemälde des Schlosses. Es ist aber unvollendet. Zdenko Radslav Graf Kinský hatte es in Auftrag gegeben. Er sei ein unglaublich aktiver Vertreter der Familie gewesen, schildert die Schlossführerin:

„Er reiste gerne nach England, wo er Tennis spielte. Diesen Sport brachte er auch nach Chlumec nad Cidlinou. Unterhalb des Schlosses befindet sich die Orangerie, in der dann Tennisplätze eingerichtet wurden. Gerne ging er zudem auf Jagd. Dafür fuhr er sogar in den Kaukasus, um Gämsen und Bären zu erlegen. Außerdem wollte er den Ärmelkanal durchschwimmen. Das schaffte er zwar nicht, dennoch war er ein hervorragender Schwimmer.“

Zdenko Radslav Graf Kinský hatte sechs Kinder – drei Töchter und drei Söhne. Und diese sind eben auf jenem Bild zu sehen, von dem bereits die Rede war…

Octavian Kinský | Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

„Das Gemälde ist nicht nur unvollendet, sondern es hat auch ein Loch. Als Graf Kinský das Bild sah, tadelte er den Maler Franz Reichmann. Er sagte, die Pferde seien nicht realistisch genug abgebildet, mit diesen Beinen würden sie in jedem Rennen scheitern, deswegen werde er das Bild nicht bezahlen. Das hörte Reichmann natürlich nicht gerne. Deswegen ließ er das Gemälde unvollendet, und weil er sehr erbost war, stach er sogar mit dem Pinsel in die Leinwand. Dennoch behielt Zdenko Radslav Graf Kinský das Bild und stellte es in diesem Raum sogar aus. Woher der Sinneswandel kam, ist bis heute nicht bekannt“, so Dittrichová.

Dieser Zweig der Kinskýs hatte nicht nur interessante männliche Mitglieder, sondern auch äußerst begabte Frauen. Auf dem unvollendeten Gemälde ist unter anderem die Tochter Nora abgebildet. Sie war eine hervorragende Übersetzerin vor allem von Kinderbüchern und beherrschte acht Sprachen. Im Ersten Weltkrieg arbeitete sie zudem für das Rote Kreuz im Kaukasus. Leider starb sie sehr jung als Mutter im Kindsbett.

Berühmt wurde hingegen Bertha Gräfin Kinský. Sie gehörte zu einem etwas entfernteren Zweig der Familie, und sie und ihre Mutter waren nicht gerade wohlgelitten. Daher zogen sie nach Wien, gerieten aber in finanzielle Schwierigkeiten. Bertha Gräfin Kinský musste also arbeiten gehen. Zunächst war sie Gouvernante bei dem Industriellen Karl Freiherr von Suttner, dann heuerte sie bei Alfred Nobel an. Und weiter schildert Dittrichová:

Bertha Kinská | Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

„Sie arbeitete bei ihm als Sekretärin. Nobel verliebte sich in sie und bot ihr die Hochzeit an. Bertha Kinský lehnte aber ab, weil sie schon anderweitig verliebt war, und zwar in einen der Söhne der Suttners. Doch er war zehn Jahre jünger als sie, und seine Eltern stellten sich gegen eine Ehe. Also heiratete das Paar heimlich und floh ins Ausland. Unter anderem lebten beide mehr als acht Jahre in Georgien. Bertha von Suttner, wie sie jetzt hieß, schrieb unter anderem Kurzgeschichten und Essays für Zeitungen. Und sie verfasste das interessante Buch ‚Die Waffen nieder!‘, denn sie war eine überzeugte Pazifistin. Als erste Frau erhielt sie dann 1905 den Friedensnobelpreis. Besonders in Österreich ist sie bekannt, wo ihr Konterfei sogar auf der Zwei-Euro-Münze zu sehen ist. In Tschechien kennen sie jedoch nur wenige.“

Ausgezeichnete Restaurierung

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Die historischen Säle des Schlosses werden von den Besitzern heutzutage nicht mehr genutzt. Sie sind eben für Besucher im Rahmen einer Besichtigung zugänglich. Zudem gibt es in der Orangerie ein Café. Außerdem lassen sich bestimmte Räume auch für Veranstaltungen und Hochzeiten mieten. So etwa der Marmorsaal im runden Mittelbau oder die ehemalige Reithalle, die in den vergangenen Jahren restauriert wurde.

Genau dorthin führt uns Jana Dittrichová zum Abschluss. Erst mithilfe von Geldern aus EU-Fonds habe die Reithalle ausgebessert werden können, sagt sie:

„Eine Besonderheit ist der Dachstuhl aus Holz direkt über uns. Seine Restaurierung wurde mit einem Preis ausgezeichnet. Früher befand sich über den Köpfen allerdings noch ein weiteres Stockwerk aus Balkonen. Es wurde Theater genannt, weil wirklich die Menschen oben standen und in die Reithalle hinabschauten. Und in den Dokumenten werden sogar zwei oder drei Theateraufführungen erwähnt. Das heißt, hier bestand schon lange vor der Restaurierung so etwas wie eine Multifunktionshalle.“

Schloss Karlova Koruna hat nach der Winterpause jetzt wieder seine Tore für Besucher geöffnet. Am Samstag findet sogar ein Ostermarkt statt, mit Musik und Puppenspiel.

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Autor: Till Janzer
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