Karadžič, Krone, Kinderferienlager – außerdem: Handelsblatt-Verlag verkauft Mehrheitsanteile am Prager Economia-Verlag

Die Überführung des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Radovan Karadžič nach Den Haag, die Qualität der Sommerferienlager für Kinder, oder der starke Kurs der tschechischen Währung - das sind nur einige Themen, die in den letzten sieben Tagen von den tschechischen Zeitungen behandelt wurden. Im zweiten Teil der Sendung informiert Sie Robert Schuster über den bevorstehenden Verkauf der Mehrheitsanteile am tschechischen Economia-Verlags. Sie wurden bislang vom deutschen Handelsblatt-Konzern gehalten.

Bei den Sommerferien in Tschechien wurde in der letzten Woche die zweite Halbzeit eingeleutet und dementsprechend haben sich auch die tschechischen Zeitungen in der vergangenen Woche wieder verstärkt dem Thema Urlaub gewidmet.

Die „Lidové noviny“ veröffentlichte zum Beispiel eine Untersuchung über die Qualität der Sommerferienlager, die sich bei vielen Kindern einer wachsenden Beliebtheit erfreuen. Die „Mladá fronta Dnes“ hingegen blickte bereits einen Monat weiter – auf den Schulbeginn Anfang September - und ging auf ihrer Themenseite unter anderem der Frage nach, wie man der wachsenden Aggressivität der Kinder in den Schulen begegnen kann.

Radovan Karadžič  (Foto: ČTK)
Außerdem befasste sich die „Lidové noviny“ in der vergangenen Woche auch mit einem außenpolitischen Thema, nämlich der Überführung des einstigen bosnischen Serbenführers während des Bosnien-Kriegs – Radovan Karadžič– an das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag.

Das Thema Karadžič wurde auch von der Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ behandelt, die aber auch auf klassische Wirtschaftsthemen setzte – wie etwa den gegenwärtig hohen Kurs der tschechischen Krone. Außerdem brachte das Blatt auch die Meldung, dass die Visa-Pflicht für USA-Reisende aus Tschechien am 15. November endgültig fallen soll. Soweit der Presseeinblick für heute.


Von der Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ wird auch im zweiten Teil unserer heutigen Sendung die Rede sein. Vor einigen Wochen tauchten in den Medien Informationen auf, wonach der deutsche Mehrheitseigentümer des Prager Economia-Verlags, in dem die „Hospodářské noviny“ verlegt wird, der Düsseldorfer Handelsblatt-Verlag, sein Engagement in Tschechien einstellen und seine Anteile an Economia verkaufen will. Ebenso fiel auch schon der Name eines möglichen neuen Eigentümers – des Medienkonzerns Mladá fronta, in dessen breitem Portfolio bislang eine klassische Tageszeitung fehlte.

Über die möglichen Folgen dieser Transaktion, wie auch über die Rolle der „Hospodářské noviny“ auf dem tschechischen Medienmarkt sprachen wir mit dem Medienwissenschaftler Václav Štětka von der Masaryk-Universität in Brünn. Er sieht den geplanten Verkauf des Economia-Verlags in einem breiteren Kontext, wie er gegenüber Radio Prag erläutert:

„Der Bereich der Printmedien ist nicht nur in Tschechien, sondern auch anderswo in der Welt, im höchsten Maß kommerzialisiert. Er funktioniert nach den Grundsätzen des freien Marktes. Somit kann praktisch jeder Zeitungstitel, wie auch jedes Medienunternehmen, Gegenstand von An-, wie auch Verkäufen werden. Neu ist aber, dass von diesen Entwicklungen in letzter Zeit auch einige prestigeträchtige Titel betroffen sind, die als unantastbar galten, weil sie zum Beispiel über Jahrzehnte hinweg zum Eigentum von Familienunternehmen gehörten. Stellvertretend dafür steht der Verkauf des amerikanischen Verlagshauses Dow Jones, des Herausgebers des Wall Street Journal, an die News Corporation von Rupert Murdoch. Es ist nicht uninteressant, dass diese scheinbar weit von Tschechien entfernte Transaktion auch auf den hiesigen Markt Einfluss hatte, weil Dow Jones wiederum am deutschen Handelsblatt-Verlag und somit auch am Economia-Verlag beteiligt ist, in dem die ´Hospodářské noviny´ und die Wochenzeitschrift ´Ekonom´ erscheint.“

Lange Zeit war die „Hospodářské noviny“ die einzige auf Wirtschaft ausgerichtete Zeitung in Tschechien. Letzten Herbst bekam das Blatt aber Konkurrenz in der Gestalt des Gratisblattes E15, das sich ebenfalls auf Wirtschaftsberichterstattung konzentiert. Welche Position hat die HN auf dem tschechischen Zeitungsmarkt?

„Die ´Hospodářské noviny´ nimmt tatsächlich eine sehr spezifische Position auf dem tschechischen Markt ein und gehört zu den so genannten seriösen Zeitungen. Täglich werden 60 000 Exemplare verkauft, womit sie auf dem vierten Platz hinter der ´Mladá fronta Dnes´, der ´Pravo´ und der ´Lidové noviny´ liegt. Allerdings legt das Blatt als Einziges unter den Vieren Wert auf seine breite Wirtschaftsberichterstattung. Auf Grund der voranschreitenden Boulevardisierung beim Großteil der seriösen tschechischen Presse, ist es gerade die ´Hospodářské noviny´, die es als einzige verdient als Qualitätszeitung bezeichnet zu werden. Tatsache ist, dass das Blatt seit langem großen Wert auf seine Berichterstattung und Kommentarseite legt und somit der Versuchung standhält mit leichten und boulevardähnlichen Themen Leser zu gewinnen. Dennoch verliert die Zeitung Leser - die Auflage des Blattes verringert sich jährlich um rund fünf Prozent. Diese Entwicklung kann jedoch auch bei den übrigen tschechischen Tageszeitungen festgestellt werden und ist auch in anderen Ländern erkennbar.“

Wie attraktiv sind tschechische Medien für die großen Spieler auf dem weltweiten Medienmarkt? Es ist zum Beispiel auffällig, dass sich hierzulande fast ausschließlich Verlage aus Deutschland oder der Schweiz engagieren, nicht aber angelsächsische Unternehmen.

„Die tschechische Medienlandschaft ist für ausländische Investoren zweifelsohne attraktiv. Davon zeugt der Umstand, dass sich der Großteil der hiesigen Zeitungsverlage in ausländischem Besitz befindet. Es werden mit 88 bis 90 Prozent des Tageszeitungs-Marktes und fast 100 Prozent des Wochenzeitschriften-Marktes von ausländischen Unternehmen kontrolliert. Der tschechische Medienmarkt ist somit wie kein anderer in Mittel- und Osteuropa internationalisiert. Eine andere Frage ist, welche Investoren in Tschechien aktiv sind. Es stimmt, dass die Printmedien fast ausschließlich von europäischen Konzernen verlegt werden, vor allem aus Deutschland, der Schweiz, oder aus Skandinavien. Dieser Trend ist aber für ganz Mitteleuropa charakteristisch. Genauso stimmt es, dass die angelsächsischen Unternehmen, wenn überhaupt, ihre Mittel in audiovisuelle Unterhaltungsmedien stecken. Diese Bereiche sind natürlich auch attraktiver, weil sie einen weitaus höheren Gewinn als die Printmedien versprechen. Man darf aber nicht vergessen, dass aus der Sicht eines ausländischen Investors die Finanzierung zum Beispiel eines Radiosenders einfacher erscheinen mag, weil man auf bewährte Schemen zurückgreifen kann und sich nicht so stark den lokalen kulturellen und politischen Gepflogenheiten anpassen muss, was von einer Zeitung aber erwartet wird. Das kann auch einer der Gründe sein, warum in Tschechien ausschließlich Verlage aus Ländern wirken, bei denen eine gewisse kulturelle Verwandschaft vorhanden ist.“

Der Mladá-fronta-Verlag, der als möglicher Käufer kolporitert wird, bringt bereits eine Wirtschaftszeitung heraus, nämlich die bereits erwähnte Gratiszeitung „E15“. Könnte man also annehmen, dass es früher oder später zu einer Fusion der beiden Titel kommen könnte? Vaclav Štětka, Medienwissenschaftler von der Masaryk-Universität in Brünn:

„Es ist gut möglich, dass es zu einer Fusion kommen wird. Es gibt nicht zuletzt ein relativ junges Beispiel, als der Mafra-Konzern im Frühjahr die Gratiszeitung ´Metro´ erwarb und mit seiner eigenen, dem ´Metropolitní Express´ vereinte. Meines Erachtens ist aber die Ausgangslage im Falle eines möglichen Zusammenschlusses von ´E15´ und der ´Hospodářské noviny´ eine andere, weil es sich nicht um direkte Konkurrenten handelt. Die ´E15´ ist ein so genanntes Street-Paper, also eine Zeitung, die gratis auf der Straße verteilt wird, während die ´Hospodářské noviny´ klassisch über Abonnements und Zeitungsstände vertrieben wird. Es besteht also keine direkte Konkurrenz, aber es lässt sich wohl annehmen, dass der neue Eigentümer sich seine weiteren Investitionen in beide Titel gut überlegen wird und es wäre keine Überraschung, wenn er zur Entscheidung gelangen sollte eines dieser beiden Blätter einzustellen.“