Keine Angst mehr vor Behörden in Moravská Třebová

Illustrationsfoto: ČTK

Lange Flure, viele Türe und man weiß nicht, wo man anklopfen soll. So sieht es meist immer noch in den tschechischen Rathäusern aus. Die Behörde – der Schrecken des Bürgers. In diesem Jahr wurde in Tschechien allerdings ein Projekt gestartet, bei dem dank so genannter Czech Points alles viel angenehmer werden soll. Czech Point, das bedeutet: An einem Schalter können gleich mehrere Behördengänge auf einmal geregelt werden. Bisher wurden die Czech Points nur einem Testverfahren unterzogen, ab dem kommenden Jahr sollen sie landesweit eingeführt werden. Doch bereits jetzt hat das Rathaus im ostböhmischen Moravská Třebová / Mährisch Trübau mit einem eigenen Projekt Erfahrung gesammelt: mit einem Bürger-Amt, das sogar Vorbild für Gemeinden aus dem Ausland geworden ist.

Hinter einer Glastür beginnt die neue Behördenwelt. Ich stehe in der Halle, und denke an eine moderne Bank: keine Türen, sondern sieben Schalter, jeder mit einer diskreten Wartezone. Erst muss ich allerdings an den Computer. Auf dem Sensorbildschirm wähle ich, was ich brauche. Ich will einen Personalausweis beantragen. Ich erhalte einen Zettel mit meiner Wartenummer. Dank der sieben Schalter droht kein langes Warten.

„Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer beträgt sechs Minuten und die Durchschnittswartezeit zwei Minuten. Schlangestehen gibt es also eigentlich nicht. In insgesamt acht Minuten haben sie alles, im Durchschnitt! 60 Prozent der Kunden sind sogar binnen einer Minute fertig“, so Amtsleiter Pavel Šafařík.

Deswegen seien hier fast keine Leute. Ein paar Sekunden später piepst des Aufrufsystems. Auf dem Display steht die Schalternummer. Die Beamtin, die da sitzt, weiß schon, dass ich einen neuen Personalausweis brauche.

„Ich frage Sie nur, warum Sie einen Personalausweis brauchen. Das Antragsformular füllen wir aus“, sagt die Beamtin am Schalter Nummer drei, zu dem ich geleitet wurde.

In ein paar Minuten ist der Papierkram erledigt. Jetzt muss man bloß noch auf den neuen Ausweis warten. Wer beim Ausfüllen des Formulars auch seine Handy-Nummer angibt, bekommt per SMS mitgeteilt, sobald der Ausweis zum Abholen bereit liegt. Personalausweise sind nicht das einzige, was das Bürger-Amt in Moravská Třebová anbietet. Es werden hier auch Reisepässe ausgestellt. Weitere Dienste zählt Pavel Šafařík auf:

„Sie können sich hier Beglaubigungen ausstellen lassen und können hier auch Auszüge aus dem Strafregister beantragen. Wenn ab Januar hier alles in einen Czech Point umgewandelt ist, dann werden die Auszüge aus dem Straferegister sogar sofort ausgestellt.“

Das Bürger-Amt wird nämlich im neuen Jahr zu einem der ersten Czech Points in einer tschechischen Kleinstadt. Dann werden noch weitere Dienste hinzukommen. Aber auch jetzt ist die Liste bereits lang. Pavel Šafařík:

„Sie können hier Hundemarken kaufen. Es wird Ihnen der Angelschein ausgestellt, sie bekommen Anwohner-Parkberechtigungen. Des Weiteren werden sogar Souvenirs der Stadt verkauft, das ist aber eine Nebentätigkeit. Zu den Haupttätigkeiten gehören noch alle Bezahlungen beim Stadtamt, Sie können hier Kopieren, am Automaten biometrische Passbilder machen, die Gemeinde hat hier zudem eine Annahmestelle, Infos aus dem Rathaus erhalten Sie, inklusive Auskünften aus dem Grundbuch, Gewerberegister oder Handelsregister. Letzteres ist eigentlich ein Vorhaben im Rahmen der Czech Points, aber einige der Dienste haben wir bereits am 1. Dezember einführen können, weil wir schon vorbereitet waren.“

Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
Das hiesige Rathaus ist eines der ersten in der Tschechischen Republik, das sich dem Projekt Czech Point anschließt. Im Kreis Pardubice gehört dazu ansonsten nur noch die Stadt Pardubice selbst. Das 11.000-Einwohner-Städtchen Moravská Třebová ist mit seinem Bürger-Amt jedoch ein Vorreiter. Wie es dazu kam, erläutert der Entwicklungsmanager der Gemeinde, Miroslav Netolický. Die Geschichte begann im Jahr 2003.

„Die holländische Regierung stellt bedeutende Geldsummen für Hilfsprojekte im Ausland bereit. Pro Kopf ist es am meisten in Europa. Es geht dabei aber weniger um so etwas wie Caritas, sondern viel mehr darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Wir haben diese Hilfe in der Vergangenheit genutzt und gemeinsam mit unserer holländischen Partnerstadt Vlaardingen das Bürger-Amt aufgebaut. Das neue Amt hat die Dienste des Rathauses für die Bürger deutlich verbessert. Das hat auch der holländische Gemeindebund anerkannt, der sich an dem Bürger-Amt mit finanziellen Mitteln der holländischen Regierung beteiligt hat.“

Noch bevor das tschechische Innenministerium das Projekt der Czech Points startete, standen die Bürgermeister Schlange in Ostböhmen, um das Zentrum zu besichtigen und Erfahrungen zu sammeln. Es waren kleine und mittelgroße Städte, so die Sprecherin des Rathauses in Moravská Třebová, Pavlína Horáčková.

„Dazu haben zum Beispiel der Prager sechste Bezirk, weitere Orte in unserer Nähe, Frýdek-Místek und Nový Jičín in Nordmähren, aber auch Slaný in Mittelböhmen gehört. Sie und andere mehr haben sich bei uns inspirieren lassen.“

Illustrationsfoto: ČTK
Aber nicht nur im Inland wurde die Pioniertat des Rathauses in Moravská Třebová bekannt. Zu Besuch kamen genauso Delegationen aus drei serbischen Städten sowie aus der slowakischen Partnerstadt Banská Štiavnica. Bis in die Ukraine ist die Kunde sogar vorgedrungen. Die Stadt Romny will in ihrem Land auch zum Vorreiter werden. Zusammen mit den Niederländern kann Moravská Třebová dazu nun mit seinen Erfahrungen beitragen.

„Das System in der Ukraine ist sehr, sehr kompliziert. Schon das man definiert hat, wo was zu erledigen ist, ist sehr hilfsreich. Obwohl man immer durch die Stadt hin und herlaufen muss. Und dies hat das Feld für eine mögliche Fortsetzung des Projekts bereitet, die fürs nächste Jahr geplant ist. Denn im nächsten Jahr sollen die einzelnen Dienste umziehen und es muss festgelegt werden, wo das neue Bürger-Amt entsteht“, sagt Miroslav Netolický, der das 50.000 Einwohner große Romny besucht hat und dort seine Kollegen beraten hat.

Allerdings ermöglicht die ukrainische Gesetzgebung zurzeit noch nicht die Errichtung eines Zentrums mit denselben Diensten wie in Moravská Třebová. Fortschritte werden dennoch gemacht. Netolický vergleicht den jetzigen Stand in der Ukraine mit der Lage in Tschechien in den 90er Jahren.

„Bei uns wurden die Personalausweise bis zum Jahre 1993 von der Polizei ausgestellt. Dort ist dies immer noch Praxis.“

Die Czech Points sollen den Kontakt mit den tschechischen Behörden leichter machen und das lästige Hin- und Herlaufen von einem Büro zum anderen abschaffen. Das Rathaus in Moravská Třebová hat das mit seinem Bürger-Amt fast schon umgesetzt. Und es ist dabei sogar weiter als das Vorbild im holländischen Vlaardingen fortgeschritten, worauf Amtsleiter Pavel Šafařík besonders stolz ist.

„Die Angestellten am Schalter sind im Stande, alle Dienste zu übernehmen. Sie müssen nicht den ganzen Prozess kennen. Sie übernehmen nur die Antragsformulare. Das andere erledigt dann das Backoffice. Wir haben damit Vlaardingen schon überholt. Dort haben sie zwar auch mehrere Schalter, aber die sind spezialisiert: hier Personalausweise, da Pässe, dort zum Beispiel Beglaubigungen. Wir bieten aber an jedem Schalter alles an.“

Und dadurch werden Warteschlangen vermieden, was den Bürgern entgegenkommt. Ein weiterer Grund gegen das Gedrängel am Schalter sind die ausgedehnten Öffnungszeiten. Das Modell der Amtstage Montag und Mittwoch mit Mittagspausen wurde abgeschafft, denn hier ist von Montag bis Freitag geöffnet. Und das wird auch weiterhin so sein, auch wenn ab Januar das Bürger-Amt offiziell zum Czech Point wird.

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